Verkehrsrecht

Führen eines Fahrzeugs “im Straßenverkehr” bei Alkoholfahrt auf Parkplatz eines Einkaufscenters

Aktenzeichen  11 CS 20.2867

Datum:
15.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6090
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 2 Abs. 8, § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1
FeV § 11 Abs. 8, § 13 S. 1 Nr. 2 lit. c, § 46 Abs. 1, Abs. 3, Anl. 4 Nr. 8.1

 

Leitsatz

1. Ein Fahrzeug iSd § 13 S. 1 Nr. 2 lit. c FeV “führt”, wer es selbst unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrtbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt. Die Länge der gefahrenen Strecke ist insoweit unerheblich. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der zu einem Einkaufscenter gehörende Parkplatz ist unabhängig von einer etwaigen wegerechtlichen Widmung generell dem öffentlichen Verkehrsraum iSv § 13 S. 1 Nr. 2 lit. c FeV zuzuordnen, und zwar auch dann, wenn die Nutzung außerhalb der Öffnungszeiten der angrenzenden Geschäfte erfolgt, sofern kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich ist, dass der Verfügungsberechtigte außerhalb der Öffnungszeiten keinen Verkehr mit unübersehbaren Nutzern duldet und dies nach außen erkennbar bekundet hat. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 10 S 20.1913 2020-10-30 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 30. Oktober 2020 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A1, A (jeweils Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04), AM, B, C1 (Schlüsselzahl 171), BE (Schlüsselzahl 79.06), C1E und L (Schlüsselzahl 174).
Am 1. Dezember 2018 kontrollierte eine Streife der Polizeidirektion Z. den Antragsteller gegen 1:15 Uhr nachts auf dem Parkplatz eines Einkaufscenters in Cr.. Nach den polizeilichen Feststellungen fuhr der Antragsteller mit seinem Pkw etwa drei Meter rückwärts aus einer Parkbucht heraus und bremste ab, als er den Streifenwagen bemerkte. Die um 2:00 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,63 ‰.
Durch Strafbefehl vom 27. Februar 2019 wurde gegen den Antragsteller wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe verhängt und die Fahrerlaubnis unter Festsetzung einer Sperrfrist von neun Monaten entzogen. Auf seinen Einspruch hin, den der Antragsteller in der mündlichen Hauptverhandlung auf die Führerscheinmaßnahme als Strafnebenfolge beschränkte, verurteilte das Amtsgericht Zwickau den Antragsteller mit rechtskräftigem Urteil vom 22. Juli 2019 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe und verhängte gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von sechs Monaten.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2020 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV auf, bis zum 20. März 2020 ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Zu klären sei, ob zu erwarten sei, dass der Antragsteller das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen könne.
Nachdem in der bis zum 29. Mai 2020 verlängerten Frist kein Gutachten vorgelegt wurde, entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 18. August 2020 nach Anhörung die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, den Führerschein innerhalb einer Woche ab Zustellung des Bescheids abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Aus der Nichtvorlage des Gutachtens sei auf die mangelnde Eignung zu schließen.
Am 21. September 2020 legte der Antragsteller Widerspruch ein, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden wurde. Zugleich beantragte er beim Verwaltungsgericht Ansbach die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs mit der Begründung, der Vorfall habe sich nicht im öffentlichen Straßenverkehr ereignet und er habe den Pkw auch nicht bewegt.
Mit Beschluss vom 30. Oktober 2020 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Die Antragsgegnerin habe aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfen, da die Gutachtensanordnung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV nicht zu beanstanden sei. Der Antragsteller habe am 1. Dezember 2018 eine Blutalkoholkonzentration von 1,63 ‰ erreicht und ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt. Der in Rede stehende allgemein zugängliche Parkplatz sei dem öffentlichen Verkehrsraum zuzuordnen. Der Antragsteller habe sein Fahrzeug auch bewegt. Insoweit müsse er den durch die rechtskräftigen strafgerichtlichen Entscheidungen festgestellten Sachverhalt gegen sich gelten lassen, für dessen Unrichtigkeit keine Anhaltspunkte bestünden. Hinsichtlich der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entfalte das Strafurteil keine Bindungswirkung, denn darin werde nicht begründet, warum von einer Maßregel nach § 69 StGB Abstand genommen wurde. Da der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf somit voraussichtlich keinen Erfolg haben werde, überwiege das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.
Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt, lässt der Antragsteller ausführen, er bestreite, das Fahrzeug, in dem er sich befunden habe, am 1. Dezember 2018 bewegt bzw. geführt zu haben. Das Amtsgericht Zwickau habe dazu keine Feststellungen getroffen. Seinen Einspruch gegen den Strafbefehl habe er auf die Rechtsfolgen beschränkt, nachdem das Amtsgericht in Aussicht gestellt habe, es in diesem Fall bei einem Fahrverbot zu belassen. Eignungsmängel i.S.d. § 69 StGB habe das Amtsgericht damit nicht gesehen. Zudem sei der inmitten stehende Parkplatz außerhalb der Öffnungszeiten der angrenzenden Geschäfte nicht dem öffentlichen Straßenverkehr zuzuordnen. Bei der Interessenabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller seinen Führerschein am 22. Juli 2019 zurückerhalten habe und danach über ein Jahr ohne Beanstandungen am Straßenverkehr teilgenommen habe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung sich hinreichend mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt und insoweit den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt. Selbst wenn man von einer Erfüllung des Darlegungserfordernisses und damit einer zulässigen Beschwerde ausgeht, ist diese nicht begründet. Denn aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen wäre.
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 2020 (BGBl I S. 2667), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. März 2019 (BGBl I S. 218), zum Teil in Kraft getreten zum 1. Januar 2021, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde. Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer das Führen von Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann (Alkoholmissbrauch).
Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung begründen, so kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens anordnen (§ 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 i.V.m. §§ 11 bis 14 FeV). Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde.
Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf diese bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 = juris Rn. 19 m.w.N.). Bei feststehender Ungeeignetheit ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zukäme. Dies gilt auch bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens.
2. Gemessen daran begegnet die von der Antragsgegnerin verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis keinen Bedenken. Der Schluss aus der Nichtvorlage des angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens auf die Nichteignung ist nicht zu beanstanden, denn die auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV gestützte Begutachtungsanordnung war rechtmäßig.
a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Antragsteller am 1. Dezember 2018 ein Fahrzeug „geführt“ hat im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV. Dieser Begriff deckt sich mit dem des § 316 StGB und § 24a StVG (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 13 FeV Rn. 23d). Danach führt ein Fahrzeug, wer es selbst unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrtbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt (BGH, B.v. 23.9.2014 – 4 StR 92/14 – BGHSt 59, 311 = juris Rn. 11; König in Hentschel/König/Dauer, a.a.O. § 316 StGB Rn. 3). Die Länge der gefahrenen Strecke ist insoweit unerheblich (vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2021 – 11 ZB 20.2611 – juris Rn. 27).
Diese Voraussetzungen sind nach den strafgerichtlichen Feststellungen in dem Strafbefehl vom 27. Februar 2019, der aufgrund der Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen hinsichtlich des Schuldspruchs rechtskräftig geworden ist (vgl. Eckstein in Münchner Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2019, § 410 Rn. 24 f., 35) und insoweit nach § 410 Abs. 3 StPO einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht (vgl. auch § 3 Abs. 4 Satz 2 StVG), und auch dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen zu bejahen.
Behörden und Verwaltungsgerichte dürfen die in einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Entscheidung getroffenen Feststellungen regelmäßig im Fahrerlaubnis-Entziehungsverfahren zu Grunde legen, ohne diese selbst auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Anderes gilt nur, soweit sich gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen ergeben, insbesondere Wiederaufnahmegründe nach § 359 StPO gegeben sind, oder die Behörden und Verwaltungsgerichte den Sachverhalt ausnahmsweise besser aufklären können als die Strafverfolgungsorgane (vgl. BVerwG, B.v. 28.9.1981 – 7 B 188.81 – Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 60 = juris Rn. 7; B.v. 13.2.2014 – 3 B 68.16 – juris Rn. 5; B.v. 16.7.2010 – 5 B 2.10 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 11.2.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 20; B.v. 22.7.2014 – 21 B 14.463 – juris Rn. 30; B.v. 16.9.2010 – 11 ZB 09.2002 – juris Rn. 12; NdsOVG, B.v. 2.12.2016 – 12 ME 142/16 – DAR 2017, 159 = juris Rn. 11 f.). Insoweit obliegt es dem Betroffenen, substantiierte, stimmige und nachprüfbare Umstände darzulegen, die die Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen ernsthaft in Zweifel ziehen (vgl. BVerwG, B.v. 13.2.2014 a.a.O.; BayVGH, B.v. 22.7.2014 a.a.O.; B.v. 11.2.2019 a.a.O.). Diese Grundsätze gelten auch für rechtskräftige Verurteilungen im Strafbefehlsverfahren (vgl. BVerwG, B.v. 16.7.2010 a.a.O.).
Ferner können sich Behörden und Verwaltungsgerichte im Fahrerlaubnis-Entziehungsverfahren auf dieselben Beweismittel stützen wie die Strafgerichte (BayVGH, B.v. 24.3.2014 – 11 CE 14.11 – Blutalkohol 51, 292 = juris Rn. 17). Insbesondere sind Mitteilungen der Polizei nach § 2 Abs. 12 StVG und sonstige polizeiliche Schilderungen grundsätzlich berücksichtigungsfähig, wenn sie Anhaltspunkte für Fahreignungszweifel des Betroffenen enthalten und nicht durch substantiierte Einwände erschüttert werden oder sonst der weiteren Klärung bedürfen (vgl. zu polizeilichen Mitteilungen nach § 2 Abs. 12 StVG BayVGH, B.v. 18.4.2012 – 11 ZB 12.296 – juris Rn. 4; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 2 StVG Rn. 86 und § 13 FeV Rn. 20; zur Verwertung amtlicher Schilderungen s. auch BayVGH, B.v. 13.1.2016 – 22 CS 15.2643 – GewArch 2016, 160 = juris Rn. 10).
Hier ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Feststellungen in dem Strafbefehl sowie in der – inhaltlich damit übereinstimmenden – polizeilichen Darstellung, wonach der Antragsteller seinen Pkw bewegt hat. In dem Aktenvermerk der Polizeidirektion Zwickau vom 1. Dezember 2018 ist detailliert und anschaulich beschrieben, dass der Antragsteller vor der Kontrolle mit seinem Pkw etwa drei Meter aus einer Parkbucht zurücksetzte, bei Wahrnehmung des Streifenwagens abbremste, das Bremslicht noch gewisse Zeit aufleuchtete, der Motor weiterlief und die Beamten den Pkw schließlich wieder in die Parkbucht schoben. Vor dem Verwaltungsgericht und im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller diese Feststellungen allein unsubstantiiert bestreiten lassen. Doch auch die Einwände, die sich in dem Protokoll über die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Zwickau finden, sind weder von Substanz noch stimmig und nicht geeignet, Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Feststellungen des Strafgerichts sowie der polizeilichen Schilderung darzulegen.
b) Der Antragsteller hat den Pkw auch „im Straßenverkehr“ geführt im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV. Der verkehrs- und strafrechtliche Begriff des Straßenverkehrs bezieht sich auf Vorgänge im öffentlichen Verkehrsraum. Ein Verkehrsraum ist dann öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch benutzt wird. Umfasst werden nicht nur Verkehrsflächen, die wegerechtlich dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet sind, sondern auch solche, deren Benutzung durch eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmte größere Personengruppe durch den Berechtigten ausdrücklich oder faktisch zugelassen wird. Dabei kommt den erkennbaren äußeren Gegebenheiten, die einen Rückschluss auf das Vorhandensein und den Umfang der Gestattung bzw. Duldung des allgemeinen Verkehrs durch den Verfügungsberechtigten zulassen, eine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. OVG NW, B.v. 8.11.2011 – 16 A 1533/11 – Blutalkohol 49, 118 = juris Rn. 3; BGH, U.v. 4.3.2004 – 4 StR 377/03 – BGHSt 49, 128 = juris Rn. 7 f.; KG Berlin, B.v. 18.11.2008 – 3 Ws (B) 419/08 u.a. – juris Rn. 7; König in Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, § 13 FeV Rn. 23d und § 1 StVO Rn. 13 ff.).
Ausgehend davon, dass diese – teilweise – Einbeziehung von Privatflächen auf Schutzbedürfnissen beruht und die Anwendbarkeit der allgemeinen Verkehrsvorschriften immer, aber auch nur dann geboten erscheint, wenn Verkehrsflächen einem nicht näher bestimmten bzw. individuell nicht kontrollierbaren Personenkreis offenstehen (vgl. OLG Stuttgart, U.v. 27.4.1979 – 3 Ss (8) 184/79 – NJW 1980, 68/69 unter Verweis auf BGH, B.v. 9.3.1961 – 4 StR 6/61 – BGHSt 16, 7 = NJW 1961, 1124/1125), wird angenommen, dass eine Verkehrsfläche zeitweilig öffentlich und zu anderen Zeiten nichtöffentlich sein kann (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Hamm, U.v. 13.10.1966 – 2 Ss 68/77 – NJW 1967, 119; KG Berlin a.a.O.). Als nichtöffentlich eingeordnet worden sind demnach Verkehrsflächen in Zeiten totaler Betriebsruhe (vgl. OLG Hamm a.a.O. zu Verkehrsflächen einer Tankstelle) sowie genereller Betriebsruhe bei individueller Betreuung des verbleibenden Restverkehrs (vgl. OLG Stuttgart a.a.O. zu Verkehrsflächen eines Parkhauses mit Nachtwächter; kritisch dazu Müther in Freymann/Wellner, § 1 StVO Rn. 18). Voraussetzung für eine solche zeitweilige Zuordnung zum nichtöffentlichen Verkehrsraum ist jedoch, dass der Verfügungsberechtigte für jene Zeiträume keinen öffentlichen Verkehr duldet und dies für jedermann eindeutig erkennbar macht, etwa durch Sperrung der Zufahrt (vgl. OLG Hamm a.a.O.; OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Düsseldorf, B.v. 23.9.1991 – 5 Ss 3437/91 – NZV 1992, 120; Pasker, NZV 1992, 120/121; Hentschel, JR 92, 300/302).
Nach diesen Maßstäben ist der in Rede stehende Parkplatz, der nach den übereinstimmenden Angaben der Polizei und des Antragstellers vor dem Amtsgericht zu einem Einkaufscenter gehört, unabhängig von einer etwaigen wegerechtlichen Widmung generell dem öffentlichen Verkehrsraum zuzuordnen (vgl. auch BGH, U.v. 15.12.2015 – VI ZR 6/15 – DAR 2016, 197 = juris Rn. 1, 11 zu Parkplatz eines Baumarktes; U.v. 26.1.2016 – VI ZR 179/15 – DAR 2016, 260 = juris Rn. 2, 11 zu K.platz eines Einkaufszentrums; Müther a.a.O.). Soweit der Antragsteller einwendet, der Vorfall habe sich außerhalb der Öffnungszeiten der angrenzenden Geschäfte ereignet, greift dies nicht durch. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Verfügungsberechtigte außerhalb der Öffnungszeiten der angrenzenden Geschäfte keinen Verkehr mit unübersehbaren Nutzern duldet und dies nach außen erkennbar bekundet hat.
c) Soweit der Antragsteller meint, das Amtsgericht habe keine Eignungsmängel im Sinne des § 69 StGB gesehen, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass das Strafurteil des Amtsgerichts Zwickau der Gutachtensanordnung nicht entgegenstand.
Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung u.a. der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Dabei gilt die in § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG angeordnete Bindungswirkung nicht nur für die Maßnahme der Entziehung selbst, sondern nach ihrem Sinn und Zweck für das gesamte Entziehungsverfahren unter Einschluss der vorbereitenden Maßnahmen, sodass in derartigen Fällen die Behörde schon die Beibringung eines Gutachtens nicht anordnen darf. Mit dieser Vorschrift soll die sowohl dem Strafrichter (vgl. § 69 StGB) als auch der Verwaltungsbehörde (vgl. § 3 Abs. 1 StVG) eingeräumte Befugnis, bei fehlender Kraftfahreignung die Fahrerlaubnis zu entziehen, so aufeinander abgestimmt werden, dass Doppelprüfungen unterbleiben und die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschaltet wird. Der Vorrang der strafrichterlichen vor der behördlichen Entscheidung findet seine innere Rechtfertigung darin, dass auch die Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter als Maßregel der Besserung und Sicherung keine Nebenstrafe, sondern eine in die Zukunft gerichtete, aufgrund der Sachlage zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zu treffende Entscheidung über die Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den öffentlichen Straßenverkehr ist. Insofern deckt sich die dem Strafrichter übertragene Befugnis mit der Ordnungsaufgabe der Fahrerlaubnisbehörde. Allerdings ist die Verwaltungsbehörde an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht und wenn die Behörde von demselben und nicht von einem anderen, umfassenderen Sachverhalt als der Strafrichter auszugehen hat. Die Bindungswirkung lässt sich nur rechtfertigen, wenn die Verwaltungsbehörde den schriftlichen Urteilsgründen sicher entnehmen kann, dass überhaupt und mit welchem Ergebnis das Strafgericht die Fahreignung beurteilt hat. Andere Erkenntnisquellen kommen aus Gründen der Rechtsklarheit nicht in Betracht. Deshalb entfällt die Bindungswirkung, wenn das Strafurteil überhaupt keine Ausführungen zur Kraftfahreignung enthält oder wenn jedenfalls in den schriftlichen Urteilsgründen unklar bleibt, ob das Strafgericht die Fahreignung eigenständig beurteilt hat (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 15.7.1988 – 7 C 46.87 – BVerwGE 80, 43 = juris Rn. 10 f.; B.v. 11.10.1989 – 7 B 150.89 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.941 – DAR 2020, 707 = juris Rn. 17; Koehl, DAR 2020, 709). Diese Grundsätze gelten auch, wenn das Strafgericht – wie hier – ein nach § 267 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StPO in den Gründen abgekürztes Urteil erlässt (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2015 – 11 CS 14.2389 – SVR 215, 232 = juris Rn. 15; B.v. 17.7.2007 – 11 CS 07.535 – juris Rn. 16).
Demnach stand hier die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG der Anordnung, ein Gutachten beizubringen, nicht entgegen. Das Urteil des Amtsgerichts Zwickau vom 22. Juli 2019 enthält keine Ausführungen zur Fahreignung des Antragstellers und einer Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB, sondern verhält sich allein zur Frage eines Fahrverbots (§ 44 StGB). Ihm lässt sich damit bereits nicht entnehmen, ob das Strafgericht eine eigenständige Eignungsbeurteilung in dem von § 3 Abs. 4 StVG vorausgesetzten Sinn überhaupt vorgenommen hat. Aus der Tatsache, dass in dem Strafurteil die ursprünglich im Strafbefehl vorgesehene Entziehung der Fahrerlaubnis nicht angeordnet wurde, kann der Antragsteller somit nichts zu seinen Gunsten herleiten (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 7.8.2008 – 11 CS 08.1854 – BayVBl 2009, 111 = juris Rn. 39 f.; OVG NW, B.v. 21.7.2004 – 19 B 862/04 – DAR 2004, 721 = juris Rn. 11 ff.).
3. Davon ausgehend bleibt der Widerspruch des Antragstellers voraussichtlich ohne Erfolg und überwiegt somit das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Denn einem Kraftfahrer, dem die erforderliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fehlt, kann die Fahrerlaubnis angesichts der damit verbundenen Gefahren für die Allgemeinheit ungeachtet des Gewichts seines persönlichen Interesses nicht bis zum Eintritt der Bestandskraft des Entziehungsbescheids belassen werden (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 11 CS 19.1451 – juris Rn. 21; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 46). Dabei spielt, auch wegen der bekanntermaßen geringen Kontrolldichte, keine Rolle, dass der Antragsteller von Juli 2019 bis zur Abgabe des Führerscheins Ende August 2020 unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen hat. Maßgeblich ist allein, dass die Gefahren für die Allgemeinheit fortbestehen, solange dem Antragsteller die Fahreignung fehlt (vgl. BayVGH a.a.O.). Da somit das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist, bestehen auch gegen die (formelle) Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung keine Bedenken (vgl. BayVGH, a.a.O.).
4. Die Beschwerde war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.3, Nr. 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die am 14. Februar 1990 erteilte Fahrerlaubnis der Klassen A und A1 wirkt sich dabei nicht streitwerterhöhend aus, da diese jeweils mit den Schlüsselzahlen 79.03, 79.04 versehen sind (vgl. Abschnitt A I Nr. 19 der Anlage 3 zur FeV) und somit nach Abschnitt B I Nr. 126, Nr. 127 der Anlage 9 zur FeV nur das Führen von dreirädrigen Fahrzeugen sowie Fahrzeugkombinationen aus dreirädrigen Fahrzeugen und einem Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von 750 kg erlauben (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2014 – 11 CS 13.2342 – BayVBl 2014, 373 = juris Rn. 22). Die Befugnis zur Änderung des Streitwertbeschlusses in der Rechtsmittelinstanz von Amts wegen folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel


Nach oben