Verkehrsrecht

Gescheiterter Ebay-Verkauf eines Fahrzeugs – Schadensersatzanspruch aufgrund Nachverkaufs unter Marktwert

Aktenzeichen  130 C 60/17

Datum:
17.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 6582
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 105 Abs. 2, § 122 Abs. 2, § 269 Abs. 1, Abs. 2, § 270 Abs. 4, § 433

 

Leitsatz

1. Gibt jemand an, bei einem bei Ebay zum Sofortkauf angebotenen Objekt habe er nicht die Taste “kaufen” gedrückt, sondern diese sei aufgrund einer Fehlfunktion seines Handys ausgelöst worden, kommt eine Anwendung von § 105 Abs. 2 BGB weder direkt noch entsprechend in Betracht. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus der maßgeblichen Sicht des Verkäufers stellt sich das Drücken der Taste “kaufen” als Annahmeerklärung in Bezug auf das von ihm per Sofortkauf eingestellte Verkaufsangebot dar. Auch ein Anfechtungsgrund liegt nicht vor, wenn sich der Käufer zwar auf eine Fehlfunktion seines Handys beruft, aber nicht plausibel darlegen kann, wie dieses selbstständig die erforderliche zweimalige Bestätigung des Kaufs tätigen konnte. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

8 SA 17/17 2017-06-30 Bes OLGBAMBERG OLG Bamberg

Tenor

1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 19.07.2016, Az. 16-7497050-0-7, wird aufrechterhalten.
2. Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid darf nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.499,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Insbesondere ist das Amtsgericht Aschaffenburg, ZwSt. Alzenau gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig (vgl. hierzu Beschluss des OLG Bamberg vom 30.06.2017 – 8 SA 17/17, BeckRS 2017, 118278 = Bl. 98 ff d.A.). Im Rahmen des § 29 ZPO kommt es für die Bestimmung des Erfüllungsorts auf die jeweils streitige Verpflichtung an. Der Erfüllungsort bestimmt sich nach materiell-rechtlichen Vorschriften oder aufgrund Parteivereinbarung. Bei gegenseitigen Verträgen ist für jede aus dem Vertrag folgende Verpflichtung der Erfüllungsort gesondert zu bestimmen (BGH NJW-RR 2013, 309). Vorliegend handelt es sich bei der verletzten Primärpflicht um die Pflicht zur Kaufpreiszahlung, so dass sich der Gerichtsstand nach dem Ort dieser Vertragspflicht richtet. Kaufpreisschulden sind, soweit nichts anderes vereinbart ist oder sich nicht anderes aus den Umständen ergibt, gemäß §§ 269 Abs. 1 und 2, 270 Abs. 4 BGB am Wohnsitz des Schuldners bzw. am Ort seiner Niederlassung zu erfüllen (Vollkommer in: Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 29 ZPO, Rn. 25). Nach dem maßgeblichen Vortrag des Klägers war die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung am Ort der Abholung zu erfüllen, mithin in Omersbach. Das Amtsgericht Aschaffenburg, ZwSt. Alzenau ist hierfür örtlich zuständig.
I.
Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 2.499,00 €.
1. Zwischen den Parteien kam zunächst ein wirksamer Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug zustande. Insbesondere kann der Beklagte sich nicht auf eine Fehlfunktion seines Handys berufen.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt eine Anwendung des § 105 Abs. 2 BGB vorliegen nicht in Betracht, da weder für eine direkte noch für eine entsprechende Anwendung die Voraussetzungen vorlagen.
b) Der Beklagte hat ein Angebot des Klägers auf Abschluss eines Kaufvertrages über das Fahrzeug angenommen, so dass ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte das Angebot abgeben wollte. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte. Nach dem Empfängerhorizont hat aber der Beklagte ein Angebot über einen Sofortkauf angenommen (LG Kiel, Beschluss vom 11.02.2004 – 1 S 153/03, BeckRS 2007, 01398; so im Ergebnis auch Palandt, BGB, 76. Auflage, § 130 BGB, Rn. 4).
c) Der Beklagte beruft sich darauf, den Vertrag jedenfalls wirksam angefochten zu haben. Der Beklagte ist dabei für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes darlegungs- und beweisbelastet. Der Beklagte beruft sich hier auf eine Fehlfunktion seines Handys dahingehend, dass sich das Telefon trotz Drückens der Sperrtaste nicht gesperrt habe. Die Klagepartei hat substantiiert dazu vorgetragen, dass jedenfalls noch eine zweimalige Bestätigung des Kaufs erforderlich ist, auch wenn der Nutzer bei Ebay bereits eingeloggt ist und den Artikel bereits aufgerufen hat. Das pauschale Bestreiten des Beklagten ist unbeachtlich. Der Beklagte hat jedoch nicht dazu vorgetragen, wie es dazu gekommen sein soll, dass das – unterstellt – nicht gesperrte Handy selbständig zweimal den Kauf bestätigt.
d) Im Übrigen ergäbe sich auch dann, wenn man von einer wirksamen Anfechtung des Kaufvertrags ausgeht, eine Schadensersatzpflicht des Beklagten. Der Beklagte hätte dann gemäß § 122 Abs. 2 BGB dem Kläger das negative Interesse, begrenzt durch das Erfüllungsinteresse zu erstatten.
2. Der Kläger forderte den Beklagten unstreitig mehrfach zur Abholung des Fahrzeugs sowie zur Zahlung des Kaufpreises auf. Der Beklagte hat dies abgelehnt. Der Kläger durfte gemäß §§ 433, 323 Abs. 1 BGB vom Kaufvertrag zurücktreten.
3. Der ersatzpflichtige Schaden des Klägers beläuft sich auf 2.499,00 €.
a) Beim Verkauf des Fahrzeugs hat der Kläger unstreitig lediglich 17.500,00 € erlöst anstelle der im Kaufvertrag mit dem Beklagten vereinbarten 19.999,00 €, so dass ein Verlust in Höhe von 2.499,00 € eingetreten ist. Ein Mitverschulden ist dem Kläger nicht anzurechnen. Die Beweislast für das Mitverschulden bzw. einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht trägt der Schädiger (Looschelders in: BeckOGK, Stand: 01.03.2019, § 254 BGB, Rn. 336). Soweit die maßgeblichen Umstände in der Sphäre des Geschädigten liegen, hat dieser im Rahmen des Zumutbaren an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (BeckOGK, a.a.O.).
b) Der Vorwurf, das Fahrzeug nicht möglichst schnell zu einem möglichst guten Preis verkauft zu haben, kann dem Kläger nicht gemacht werden. Zwar hat der Kläger den Nachweis, dass das Fahrzeug nach dem ersten Einstellen bei ebay „verbrannt“ gewesen sei, nicht führen können, da dies nach nachvollziehbarer und schlüssiger Feststellung des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. Christof einer sachverständigen Feststellung nicht zugänglich ist. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Anhörung hat dieser jedoch das Fahrzeug nach dem hier streitgegenständlichen Verkauf bei ebay Kleinanzeigen, bei mobile.de und bei Auto-Scout zum Preis von 19.999,00 € inseriert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug unstreitig nicht um ein gängiges Fahrzeug handelt, sondern ein solches, welches nur einen begrenzten Käuferkreis ansprechen dürfte. Dass ein anderer Käufer vorhanden und bereit gewesen wäre, einen Preis von 19.999,00 € für das Fahrzeug zu zahlen, ist nicht dargetan. Auch ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger für das Fahrzeug nach dem gescheiterten Verkauf eine Garage anmieten musste, was mit weiterem Zeitablauf zu weiteren Kosten geführt hätte.
b) Auch ist am Fahrzeug kein vom Kläger zu vertretender Wertverlust eingetreten, der gegen den Mindererlös aufzurechnen wäre. Nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag des Klägers hat dieser mit dem Fahrzeug nach Erstellung des Wertgutachtens im Jahr 2014 dieses nur wenig genutzt und sodann zwischen dem Verkauf am 10.04.2016 und dem Weiterverkauf am 16.05.2016 lediglich rund 2 km bis zu einer angemieteten Garage zurückgelegt. Das Gericht hat zum Marktwert des Fahrzeugs im Jahr 2016 ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Christof eingeholt. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass ein Marktwert von mindestens 19.999,00 € auf Grundlage der vorhandenen Anknüpfungstatsachen bestätigt werden könne. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass der Sachverständige das Fahrzeug nicht in Augenschein nehmen konnte und daher seine Ausführungen ausschließlich nach Aktenlage getätigt hat. Sofern zwischenzeitlich Verschlechterungen am Fahrzeug, beispielsweise durch Unfall, eingetreten sind, ergebe sich ggf. eine andere Beurteilung. Diese Ausführungen hat der Sachverständige auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung zur Erläuterung des Gutachtens vom 13.03.2019 bestätigt. Ausdrücklich hat der Sachverständige dabei auch darauf hingewiesen, dass der konkrete Marktwert nicht zu bestimmen gewesen sei; aufgrund der Fragestellung im Beweisbeschluss habe er auf Grundlage der vorliegenden Anknüpfungstatsachen jedoch den Mindestwert von 19.999,00 € bestätigen können. Die Ausführungen des Sachverständigen sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die mündlichen Angaben des Sachverständigen haben die Feststellungen aus dem schriftlichen Gutachten bestätigt. Die Parteien haben zuletzt keine Einwände gegen die Ausführungen des Sachverständigen vorgebracht. Das Gericht hat an der Sachkunde des Sachverständigen keine Zweifel und schließt sich dessen Ausführungen vollumfänglich an. Auf Grundlage dessen geht das Gericht davon aus, dass das Fahrzeug im Jahr 2016 noch einen Marktwert von mindestens 19.999,00 € hatte. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass nicht auszuschließen ist, dass zwischenzeitlich aufgrund eines Unfalls oder sonstiger Beschädigungen o.ä. lediglich noch ein niedrigerer Marktwert gegeben war. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es zu einer solchen Verschlechterung tatsächlich gekommen ist, trägt er jedoch nicht vor.
II.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB. Der Zinsbeginn ergibt sich aus der Zustellung des Mahnbescheids.
III.
Der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten ergibt sich ebenfalls aus Verzug. Die Höhe berechnet sich aus einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Betrag von 2.499,00 €, mithin 261,30 €, zuzüglich der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 €, zuzüglich der Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 53,45 €, mithin insgesamt 334,75 €. Die Klägervertreterin hat zum Nachweis der erfolgten Rechnungsstellung und Zahlung durch den Kläger die Rechnung vom 02.12.2016 sowie eine Quittung über die Zahlung des Rechnungsbetrages vorgelegt (Bl. 156 d.A.).
IV.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 S. 1 und S. 3 ZPO.


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