Verkehrsrecht

Haftungsverteilung nach Kollision innerhalb Motorradgruppe

Aktenzeichen  4 O 199/17

Datum:
11.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 159221
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Passau
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 17 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

Kommt es zu einer Kollision zwischen dem an erster Stelle und dem ursprünglich an dritter Stelle fahrenden Motorrad einer drei Motorräder umfassenden Gruppe, weil der ursprünglich an dritter Stelle befindliche Fahrer die beiden vor ihm fahrenden, abbremsenden und links blinkenden Motorräder trotz unklarer Verkehrslage überholt und der Fahrer des an erster Stelle befindlichen Motorrads verbotener Weise und ohne sorgfältige Rückschau wendet, so kommt eine Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten des wendenden Fahrers in Betracht.  (Rn. 23 – 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch jeweils 2/3 des Schadens der Kläger aus dem Verkehrsunfall vom 19.06.2014 bezüglich des verstorbenen zu ersetzen haben.
II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Das Landgericht Passau ist örtlich zuständig, der Beklagte zu 1. wohnt im hiesigen Bezirk.
II.
Das leicht überwiegende Verschulden der Beklagtenseite ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere der Zeugen und dem beigezogenen Sachverständigengutachten aus der Strafakte mit 2/3 zu Lasten der Beklagtenseite zu werten.
1. Dabei ist die Betriebsgefahr der jeweils beteiligten Motorräder jedenfalls mit 50%, somit gleich anzusetzen.
2. Auch eine Vermeidbarkeit des Unfalls für beide Beteiligte wäre gegeben gewesen.
So haben beide Beteiligte einen Verkehrsverstoß begangen, indem der Beklagte zu 1. trotz des Verkehrszeichens „vorgeschriebene Fahrtrichtung geradeaus“ wenden wollte, und offensichtlich den herannahenden, zwischenzeitlich verstorbenen W. trotz Schulterblick und Rückspiegel übersehen hatte.
Vermeidbar wäre der Unfall auch gewesen, wenn der Verstorbene bei der vor liegenden unklaren Verkehrslage, nicht überholt hätte. Nach der Beweisaufnahme steht fest, dass die, wie üblich vor ihm Fahrenden, nämlich der Beklagte zu 1. und auch der Zeuge, verlangsamt und den linken Blinker gesetzt hatten. Dies hatte offenbar der Verstorbene übersehen.
Der Unfallhergang steht fest aufgrund der nachvollziehbaren und glaubhaften Aussage des Zeugen K., die im Übrigen auch mit der Einlassung des Beklagten zu 1. übereinstimmt, sowie dem im beigezogenen Verfahren 124 Js 25292/14 der Staatsanwaltschaft Regensburg befindlichen Sachverständigengutachten Müller.
3. Dabei wertet das Gericht das Verschulden der Beklagtenseite leicht überwiegend. Für das überwiegende Verschulden der Beklagtenseite spricht, dass dem Beklagten zu 1 bewusst war, dass sich hinter ihm seine Mitfahrer befanden, er geblinkt hatte, aber offensichtlich den Schulterblick oder den Blick in den Rückspiegel nicht ausreichend sorgfältig durchgeführt hat, so dass er den herannahenden W. übersehen hatte. Dass der linke Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt war, ergibt sich aus den Angaben des Zeugen, der auch angegeben hat, dass eventuell durch ihn der Fahrtrichtungsanzeiger des Fahrzeuges des Beklagten zu 1) verdeckt worden war, er selbst hatte aber auch geblinkt.
Die Bremsausgangsgeschwindigkeit des Kraftrades betrug dabei ca. 81 – 83 km/h, dabei wäre für den Beklagten zu 1. die Kollision zwanglos dadurch vermeidbar gewesen, indem er zunächst den Wendevorgang an der nicht gestatteten Stelle unterlassen hätte, dies stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, sowie durch aufmerksame Beobachtung des rückwärtigen Verkehrsraums so durch sorgfältige Beobachtung entweder des Rückspiegels oder auch durch sorgfältigen Schulterblick, das von hinten nahende Fahrzeug mit der deutlich höheren Geschwindigkeit hätte erkennen können und müssen. Er hätte dann den Wendevorgang nach links noch abbrechen können.
Dem gegenüber steht das Verhalten des Kraftfahrers, der bei unklarer Verkehrslage überholt hat. Es mag sein, dass das Überholen bzw. Vorbeifahren an dieser Stelle zulässig war, aus der Beweisaufnahme hat sich aber ergeben, dass die drei beteiligten Fahrer, nämlich der Verstorbene, der Beklagte und der Zeuge seit 15 Jahren in gleicher Formation, nämlich der Beklagte zu 1. als erster, der Zeuge K. als zweiter und der Verstorbene als dritter als Motorradgruppe unterwegs waren. Wenn aber die beiden Vorderen verlangsamen, stehenbleiben und den linken Blinker setzen, so wäre dies auch eine Aufforderung an den Kläger gewesen, entweder äußerst vorsichtig mit stark verringerter Geschwindigkeit vorbeizufahren, bzw. wie in der gewohnten Reihenfolge sich hinten anzuschließen. Ein zunächst ungebremstes Überholen mit 80 km/h Annäherung, stellt jedenfalls einen Sorgfaltspflichtverstoß dar, insbesondere auch unter Berücksichtigung der gesetzten Blinker. Selbst wenn der Verstorbene aufgrund der vorgeschriebenen Fahrtrichtung geradeaus nicht damit rechnen musste, dass beide abbiegen, so wäre es doch auch möglich gewesen, dass beide vom rechten Fahrbahnrand anfahrend wieder beschleunigen und geradeaus weiterfahren und eventuell die Spur des Überholers behindern.
Bei der Bewertung der jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensanteile sieht das Gericht den überwiegenden Verstoß auf Beklagtenseite, nämlich das Wenden trotz vorgeschriebener Fahrtrichtung gerade aus und die nicht sorgfältige Rückschau, gegenüber dem Verstorbenen des Überholens trotz unklarer Verkehrslage.
III.
Nachdem nur über die Haftung dem Grunde nach zunächst zu entscheiden war, ist keine Kostenentscheidung zu treffen. Diese bleibt dem Endurteil vorbehalten.
IV.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.


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