Verkehrsrecht

Kein Schadensersatzanspruch des Leasingnehmers eines abgasmanipulierten Dieselfahrzeugs wegen Minderwerts des Fahrzeugs gegen den Leasinggeber

Aktenzeichen  0120 C 1026/19

Datum:
7.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31836
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 1, § 387
HGB § 352, § 353

 

Leitsatz

Der Leasingnehmer eines Fahrzeugs mit abgasmanipuliertem Motor (hier: VW Tiguan Sport & Style 2,0 TDI) hat auch dann keinen Schadensersatzanspruch gegen den Leasinggeber wegen zu hoher monatlicher Leasingraten, wenn der Wert des Fahrzeugs infolge der Manipulation gemindert ist und dem Leasinggeber Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen den Hersteller des Fahrzeugs zustehen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.792,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.09.2017 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 17 % und der Beklagte 83 %, mit Ausnahme der durch die Verweisung entstandenen Kosten, die die Klägerin trägt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 4.548,17 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
I.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung weiterer 3.792,96 € aufgrund der in den Leasing-Bedingungen enthaltenen vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien.
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass mit dem Fahrzeug insgesamt 119.350 Kilometer zurückgelegt wurden, wobei vertraglich eine Fahrleistung von 60.000 Kilometern vereinbart war und nach Abzug einer Toleranz von 2.500 Kilometern ein Betrag von 5,6 Cent/km netto bezahlt werden sollte. Ausgehend von 56.850 Mehrkilometern ergibt sich damit ein Nettobetrag von 3.183,60 € und zzgl. Mehrwertsteuer in Höhe von 604,88 €, ein Bruttobetrag von 3.788,48 €.
2. Hinsichtlich des Zustandes der Bremsscheiben kann auf die Lichtbilder aus dem TÜV-Gutachten wenige Tage nach Rückgabe des Fahrzeuges zurückgegriffen werden. Der Zeuge … gab an, am 21.12.2016 das Fahrzeug besichtigt zu haben und die Lichtbilder am selben Tag gefertigt zu haben. Anhaltspunkte, an den Angaben des Zeugen … zu zweifeln, bestehen nicht. Aufgrund der nachvollziehbaren und plausiblen Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. … in seinem Gutachten weisen auf den Lichtbildern des TÜV die vorderen und hinteren Bremsscheiben einen Zustand auf, der nicht mehr betriebs- und verkehrssicher ist und somit über das normale Verschleißmaß hinausgeht.
Vor diesem Hintergrund ist nicht von einer doppelten Abrechnung von Mehrkilometern und erhöhtem Verschleiß auszugehen.
Soweit der Sachverständige ausführt, dass ein Ansatz von 10 % der notwendigen Instandsetzungskosten als Wertminderung gerundet gerechtfertigt sei, was rechnerisch einen Verschleißgrad von 90 % anstatt 100 % bei Rückgabe entsprechen würde, mithin 100,00 €, ist dies für das Gericht nachvollziehbar und zur Bemessung der Wertminderung, welche das Gericht insoweit durch Schätzung vornimmt, auch ausreichend.
Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin gemäß Ziffer XVI. 3. der Leasing-Bedingungen einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung weiterer 100,00 €.
3. Ein Anspruch auf Zahlung weiterer 84,03 € aufgrund einer im hinteren rechten Seitenteil befindlichen Delle besteht nicht, da es der insoweit beweisbelasteten Klägerin nicht gelungen ist, nachzuweisen, dass die Delle sich bereits zum Zeitpunkt der Rückgabe im Fahrzeug befunden hat.
Der Zeuge … gab an, zu einer Delle am hinteren rechten Seitenteil nichts sagen zu können und dass der Parkplatz, auf den das Fahrzeug gefahren worden sei, für jeden zugänglich sei. Selbst wenn bei Besichtigung des Fahrzeugs durch den Zeugen … die Delle bereits vorhanden war, genügt dies nicht zum Nachweis, dass die Delle auch bei Rückgabe vorhanden war. Die Erholung eines Sachverständigengutachtens war nicht veranlasst, da die vorhandenen Lichtbilder nicht vom Zeitpunkt der Rückgabe des Fahrzeugs stammen und daher auch für ein Sachverständigengutachten insoweit keine weiteren Anknüpfungstatsachen vorliegen.
4. Auch ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Durchführung eines Kundendienstes besteht nicht.
Insoweit ist das Gericht aufgrund der Angaben des Zeugen … davon überzeugt, dass dieser das Fahrzeug am 13.12., also wenige Tage vor Rückgabe mitnahm und bei 119.276 Kilometern einen Kundendienst durchführte. Anhaltspunkte, an den Angaben des Zeugen … zu zweifeln, bestehen nicht. Insbesondere ist insoweit nicht ausreichend, dass dieser angab, dass Verschleiß nicht lange auf sich warten lassen werde an den Bremsen und die Bremsen aus seiner Sicht noch in Ordnung gewesen seien. Selbst wenn dies im Widerspruch zu den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. … steht, kann daraus nicht geschlossen werden, der Zeuge würde hier falsche Angaben machen. Vielmehr ist eher naheliegend, dass der Zeuge … insoweit möglicherweise eine andere Vorstellung hat als der Sachverständige. Angesichts der Tatsache, dass der Zeuge … jedoch auch angab, er habe mit dem Beklagten besprochen, dass es nicht mehr lange dauern werde, bis die Bremsen verschlissen seien, kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass der Zeuge … hier zu Gunsten des Beklagten falsche Angaben gemacht hat.
Die Erholung eines Sachverständigengutachtens war insoweit daher nicht veranlasst, da der Kundendienst bereits durchgeführt worden war.
5. Ein Anspruch auf Ersatz der hälftigen Sachverständigenkosten in Höhe von 43,74 € gemäß Ziffer XVI. 3. besteht nicht, da nicht vorgetragen wurde, dass die dort vereinbarten Voraussetzungen vorlagen und das Prozedere eingehalten wurde.
6. Insgesamt hat die Klägerin daher einen Anspruch auf Zahlung von 3.887,48 €.
7. In Höhe von 94,52 € ist der Anspruch gemäß § 387 BGB durch die seitens des Beklagten erklärte Aufrechnung mit dessen Kosten für die Kfz-Steuer und Versicherung erloschen.
a) Die Nichtvornahme der Abmeldung stellt, da das Fahrzeug im Eigentum der Klägerin stand und der Vertrag mit dem Beklagten am 19.12.2016 endete eine Nebenpflichtverletzung dar, so dass der Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des Schadens in Höhe von 94,52 € gemäß § 280 Abs. 1 BGB gegen die Klägerin hatte.
b) Die weiter erklärte Aufrechnung hinsichtlich eines Schadensersatzanspruches aufgrund zu hoher Ausgangswerte und entsprechend erhöhter monatlicher Leasingraten geht ins Leere. Insoweit kann dahinstehen, inwieweit seitens des Herstellers eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung aufgrund einer Täuschung hinsichtlich des Einbaus eines abgasmanipulierten Motors vorlag. Vorliegend handelt es sich um einen Leasing-Vertrag, dessen Raten sich aus den tatsächlichen Anschaffungskosten ergeben, nicht aus dem Wert des Fahrzeugs. Insoweit kann die Frage, inwieweit eine Wertminderung vorlag, dahinstehen, da der Beklagte insoweit keine Ansprüche gegen die Klägerin hat. Daran ändert auch eine Verpflichtung zwischen der Klägerin und der Herstellerin des Fahrzeugs nichts.
c) Ein Anspruch des Beklagten auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren des Beklagten besteht ebenfalls nicht. Insoweit wurde vorgetragen, dass der Beklagtenvertreter beauftragt worden sei, da die Klägerin für den Beklagten nicht nachvollziehbar hohe Forderungen gestellt habe. Das erste Schreiben datiert bereits vom Januar 2017. Dass der Beklagte zunächst selbst versucht hätte sich mit der Klägerin in Verbindung zu setzen würde nicht vorgetragen. Da auch nicht vorgetragen wurde, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Beauftragung des Beklagtenvertreters selbst bereits anwaltlich vertreten gewesen wäre, entspricht die Beauftragung eines Rechtsanwaltes zu diesem Zeitpunkt nicht einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Dass eine überhöhte Forderung geltend gemacht und auch nach Ausführungen des Beklagtenvertreters nicht reduziert worden sie, genügt insoweit nicht, da es für die Frage der Ersatzfähigkeit von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren als Schaden auf den Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwaltes ankommt.
8. Nach alledem ist der klägerische Anspruch lediglich in Höhe von 94,52 € durch Aufrechnung erloschen und die Klägerin hat noch einen Anspruch auf Zahlung von 3.792,96 € gegen den Beklagten.
9. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 BGB ab Zustellung des Mahnbescheids.
Einer Verzinsung gemäß §§ 352, 353 HGB steht entgegen, dass der Beklagte nicht als Kaufmann im Sinne des HGB anzusehen ist; Insoweit wird auf den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Braunschweig Bezug genommen, dessen Begründung das Gericht sich insoweit anschließt.
Ein früherer Verzugsbeginn aufgrund von Mahnungen oder Zugang der Rechnung wird nicht vorgetragen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 281 Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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