Verkehrsrecht

Klage auf Feststellung der Inlandsgültigkeit einer slowakischen Fahrerlaubnis, Erteilung nach Anordnung einer Sperrfrist

Aktenzeichen  11 ZB 21.2338

Datum:
2.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41332
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AEUV Art. 267 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 26a K 18.4090 2021-08-04 GeB VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom 4. August 2021 für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Feststellung, auf der Grundlage einer im Jahr 2005 erteilten slowakischen Fahrerlaubnis der Klassen B, B1 und AM zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt zu sein.
Mit insoweit seit dem 17. März 2005 rechtskräftigem Strafbefehl vom 20. Dezember 2004 entzog das Amtsgericht München dem Kläger seine deutsche Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) wegen einer Trunkenheitsfahrt und setzte eine Sperrfrist von 8 Monaten fest.
Am 18. Januar 2005 erteilte die Stadt P. in der Slowakei dem Kläger eine Fahrerlaubnis der Klassen B, B1 und AM.
Eine im Dezember 2005 von der Landeshauptstadt München erteilte Fahrerlaubnis wurde dem Kläger mit rechtskräftigem Urteil vom 17. Oktober 2006 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr entzogen. Eine weitere deutsche Fahrerlaubnis wurde seither nicht mehr erteilt; über einen entsprechenden Antrag vom 4. April 2017 ist nach Aktenlage noch nicht entschieden worden.
Aus den Verwaltungsvorgängen ergibt sich, dass der Kläger seit 2007 mehrfach wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt ist und zahlreiche weitere Verfahren anhängig wurden.
Am 15. August 2018 ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erheben mit dem Ziel der Feststellung, dass er aufgrund seiner slowakischen Fahrerlaubnis vom 18. Januar 2005 zum Führen von Fahrzeugen der Klasse B, B1 und AM in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist. Diese Fahrerlaubnis sei nach Unionsrecht in Deutschland anzuerkennen. Für den Fall, dass das Gericht die Auffassung vertrete, die Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung seien geeignet, einen Ausnahmetatbestand zu den europarechtlichen Vorgaben der jeweils gültigen Führerscheinrichtlinie zu bilden, beantragte der Kläger sinngemäß, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob die unionsrechtlichen Führerscheinrichtlinien dahingehend auszulegen seien, dass ein Mitgliedstaat berechtigt sei, per Rechtsverordnung die Inlandsgültigkeit einer rechtswirksam erteilten EU-Fahrerlaubnis im Sinne von § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV zu regeln.
Mit Gerichtsbescheid vom 4. August 2021 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Der Kläger sei aufgrund seiner slowakischen Fahrerlaubnis vom 18. Januar 2005 nicht zum Führen von Fahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV gelte die Berechtigung nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die während einer noch laufenden Sperrfrist erteilt worden sei. Insoweit stehe § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV auch in Einklang mit dem Unionsrecht.
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nicht als unbegründet abweisen dürfen. Auf die beantragte Vorlage zum EuGH sei in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils nicht eingegangen worden. Das Verwaltungsgericht sei zwar zur Vorlage nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt gewesen, habe jedoch keinen Gebrauch von seinem nach Art. 267 Abs. 2 AEUV eingeräumten Ermessen gemacht. Dieser Ermessensausfall führe zur Unrichtigkeit des Urteils.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), sind nicht hinreichend dargelegt bzw. liegen nicht vor.
1. Soweit der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) benennt, genügt sein Vorbringen bereits nicht dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz des angefochtenen Urteils oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – DVBl 2019, 1400 = juris Rn. 32) und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer hat daher in substanzieller Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auszuführen, in welchem konkreten rechtlichen oder tatsächlichen Punkt ergebnisbezogene Zweifel bestehen (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 62 ff.). Daran fehlt es hier bereits im Ansatz, da sich der Kläger nicht zum Ergebnis der angegriffenen Entscheidung verhält, sondern allein eine fehlerhafte Anwendung der prozessualen Vorschrift des Art. 267 Abs. 2 AEUV rügt.
2. Soweit das Zulassungsvorbringen der Sache nach auf einen Verfahrensmangel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zielt (vgl. dazu BVerwG, B.v. 14.12.1992 – 5 B 72.92 – NVwZ 1993, 770 = juris Rn. 2), greift es ebenfalls nicht durch.
a) Der Kläger geht zutreffend davon aus, dass eine Vorlagepflicht des Verwaltungsgerichts nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht in Betracht kam. Der angegriffene Gerichtsbescheid, gegen den ein Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 84 Abs. 2 Nr. 2, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft ist, stellt keine letztinstanzliche Entscheidung im Sinne des Art. 267 Abs. 3 AEUV dar (vgl. dazu Rennert in Eyermann, VwGO, § 94 Rn. 21; BayVGH, B.v. 27.3.2013 – 4 ZB 12.1477 – juris Rn. 25 m.w.N.).
b) Nach Art. 267 Abs. 2 AEUV ist ein Gericht eines Mitgliedstaats berechtigt („kann“), eine unionsrechtliche Frage dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen, wenn es diese zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält. Es steht also in seinem pflichtgemäßen Ermessen, ob es eine Vorlage an den EuGH beschließt (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.1992, a.a.O. Rn. 3). Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Absehen von der Vorlage einen rügefähigen Verfahrensmangel darstellen kann (vgl. dazu BVerwG, B.v. 14.12.1992, 5 B 72.92 – NVwZ 1993, 770 = juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 2.5.2013 – 11 ZB 11.3034 – NVwZ-RR 2013, 736 = juris Rn. 4; ablehnend: Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 196; Seer in Tippke/Kruse, AO/FGO, Stand 11/2021, § 115 FGO Rn. 112; BFH, B.v. 3.2.1987 – VII B 129/86 – NJW 1987, 3096; B.v. 9.11.2007 – IV B 169/06 – BFH/NV 2008, 390; im Ergebnis auch BVerwG, B.v. 22.12.2004 – 10 B 21.04 – NVwZ 2005, 598 = juris Rn. 34), bedarf hier keiner Erörterung. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, von der angeregten Vorlage abzusehen, ist jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft. Das ergibt sich ohne Weiteres aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die sich eingehend mit dem auf das Unionsrecht bezogenen Vorbringen des Klägers auseinandersetzen. U.a. wird dort unter Verweis auf die Entscheidung des EuGH vom 21. Mai 2015 (C-339/14) dargelegt, dass die Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf die zum Zeitpunkt der Ausstellung des slowakischen Führerscheins bereits ausgesprochene Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis nicht verpflichtet war, die Gültigkeit der slowakischen Fahrerlaubnis anzuerkennen. Darin liegt zugleich die vom Kläger vermisste Begründung für das Absehen von einer Vorlage. Außerdem hat das Verwaltungsgericht den Klägerbevollmächtigten bereits mit Schreiben vom 27. August 2019 auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH hingewiesen.
3. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.3, 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die Fahrerlaubnisklasse AM sowie die in Deutschland nicht gesondert vergebene Klasse B1 wirken sich nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV und Art. 4 Nr. 4 Buchst. a RL 2006/126/EG nicht streitwerterhöhend aus, sondern sind in der Fahrerlaubnisklasse B enthalten. Die Befugnis zur Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
5. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 84 Abs. 3 Halbs. 1, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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