Verkehrsrecht

Kraftfahrzeug-Leasingvertrag: Pflicht des Leasinggebers zur Verwendung der ihm aus einem Schadensfall zustehenden Versicherungsentschädigung für die Reparatur oder Wiederbeschaffung des Fahrzeugs; Anrechnung des von dem Haftpflichtversicherer erhaltenen Minderwertausgleichs auf den Restwertausgleichsanspruch des Leasinggebers

Aktenzeichen  VIII ZR 48/18

Datum:
30.9.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:300920UVIIIZR48.18.0
Normen:
§ 535 BGB
Spruchkörper:
8. Zivilsenat

Leitsatz

1. Der Leasinggeber ist verpflichtet, die ihm aus einem Schadensfall zustehenden Entschädigungsleistungen eines Versicherers dem Leasingnehmer zugutekommen zu lassen, indem er sie für die Reparatur oder Wiederbeschaffung des Fahrzeugs verwendet oder diese bei Vertragsende auf den Schadensersatz- oder Ausgleichsanspruch anrechnet (Bestätigung der Senatsurteile vom 21. September 2011 – VIII ZR 184/10, NJW 2011, 3709 Rn. 17 [für Leistungen aus einer Haftpflichtversicherung]; vom 31. Oktober 2007 – VIII ZR 278/05, NJW 2008, 989 Rn. 19; vom 8. Oktober 2003 – VIII ZR 55/03, NJW 2004, 1041 unter II 3 a aa und vom 11. Dezember 1991 – VIII ZR 31/91, BGHZ 116, 278, 283 f.; [jeweils für Leistungen aus einer Vollkaskoversicherung]).
2. Eine Zahlung, die der Leasinggeber als Minderwertausgleich von dem Haftpflichtversicherer erhalten hat, mindert deshalb – unabhängig davon, ob der Leasinggeber von einem vertraglich vereinbarten Andienungsrecht Gebrauch macht oder das Fahrzeug verwertet – dessen Anspruch auf Restwertausgleich.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Köln, 21. Dezember 2017, Az: 15 U 9/17vorgehend LG Bonn, 9. Dezember 2016, Az: 2 O 236/16

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 21. Dezember 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als in Höhe von 5.500 € nebst Zinsen zu deren Nachteil entschieden worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen – das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 9. Dezember 2016 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.696,49 €- hinsichtlich eines Betrags von 11.923,40 € jedoch nur Zug um Zug gegen Rückabtretung der aus dem Versicherungsverhältnis für den PKW P.               , Fahrzeugidentifikationsnummer                  , wegen des Schadensereignisses vom 1. Mai 2015 resultierenden Ansprüche – nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 4.773,09 € ab dem 25. August 2015 bis zum 16. März 2016 und aus einem Betrag von 16.696,49 € ab dem 17. März 2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin ¼ und die Beklagte ¾ zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin ist eine Leasinggesellschaft, die Beklagte eine freiberufliche Rechtsanwältin. Am 24./26. Juli 2012 schlossen die Parteien einen Leasingvertrag mit einer Laufzeit von drei Jahren über einen P.            , den die Beklagte für ihre Anwaltskanzlei nutzen wollte. Der Restwert war mit 56.013,55 € netto vereinbart.
2
Am 13. Oktober 2013 kam es zu einem (ersten) Unfall der Beklagten mit dem Leasingfahrzeug. Nach der Reparatur verblieb ein merkantiler Minderwert in Höhe von 5.500 €, den der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners Anfang 2014 an die Klägerin auszahlte. Am 1. Mai 2015 kam es zu einem weiteren Unfall, nach dem sich der Restwert des Fahrzeugs noch auf 38.663,87 € netto belief. Zu diesem Preis wurde das Fahrzeug an einen von der Beklagten benannten Restwertankäufer veräußert. Aus dem zweiten Unfall hat die Klägerin Zahlungen der Versicherung auf den Fahrzeugschaden nicht erhalten.
3
Mit Schreiben vom 14. Juli 2015 teilte die Klägerin – noch in Unkenntnis des zweiten Unfalls – der Beklagten mit, dass angesichts des nahen Vertragsendes (31. Juli 2015) zum 1. August 2015 die offenen Leasingraten für die Monate Juni und Juli 2015 und der vereinbarte Restwert des Fahrzeugs abzüglich des für den Minderwert erhaltenen Betrags zu zahlen seien.
4
Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von 22.470,36 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem vereinbarten Restwert des Fahrzeugs in Höhe von 56.013,55 € abzüglich des von dem Restwertankäufer gezahlten Kaufpreises von 38.663,87 € – mithin 17.349,68 € (netto) -, den noch offenen Leasingraten für die Monate Juni und Juli 2015 in einer Gesamthöhe von 4.773,09 € (brutto) sowie berechneten Zinsen in Höhe von 347,59 €. Der als merkantiler Minderwert aus dem ersten Unfall erhaltene Betrag von 5.500 € ist dabei nicht mehr angerechnet.
5
Das Landgericht hat der Klage – unter deren Abweisung im Übrigen – in Höhe von 22.196,49 € (nebst Zinsen) – mithin ohne Anrechnung des merkantilen Minderwerts zugunsten der Beklagten – stattgegeben, in einer Höhe von 17.349,68 € jedoch nur Zug um Zug gegen Rückabtretung der aus dem zweiten Unfallereignis resultierenden Versicherungsforderungen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren hinsichtlich eines Teilbetrags von 5.500 € weiter.

Entscheidungsgründe

6
Die Revision hat Erfolg.
I.
7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom 14. Juli 2015 von ihrem Andienungsrecht Gebrauch gemacht, weshalb die Beklagte den vereinbarten Restwert als Kaufpreis schuldete. Von diesem Kaufvertrag habe sich die Klägerin in der Folgezeit auch nicht gelöst. Vielmehr seien – nachdem die Klägerin Kenntnis von dem zweiten Unfall erlangt habe – lediglich einige konkretisierende Absprachen über die Verwertung des Fahrzeugs unter Anrechnung auf die Forderungen getroffen worden.
9
Der merkantile Minderwert aufgrund des ersten Unfalls gebühre der Klägerin als Leasinggeberin und Eigentümerin des Fahrzeugs, weshalb der von der Versicherung insoweit gezahlte Betrag von 5.500 € nicht auf den Restwertausgleich anzurechnen sei. Auch aus allgemeinen leasingrechtlichen Erwägungen lasse sich das nicht herleiten. Die im Schrifttum vertretene Auffassung, Zahlungen des Versicherers auf eine merkantile Wertminderung des geleasten Fahrzeugs seien nach erfolgter Andienung des Leasingobjekts zugunsten des Leasingnehmers anzurechnen, sei mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu vereinbaren.
10
Danach stehe jedenfalls bei einer vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrags, in dem ein Andienungsrecht ohne Mehrerlösbeteiligung des Leasingnehmers vereinbart worden sei, eine vom Haftpflichtversicherer des Schädigers bei fremdverschuldetem Unfall gezahlte Entschädigung im Innenverhältnisallein dem Leasinggeber als Eigentümer zu, soweit sie vom Leasingnehmer nicht zur Reparatur des Leasingobjekts verwendet werde. Dies gelte auch, soweit die Versicherungsleistung den zum Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrags noch nicht vollamortisierten Gesamtaufwand des Leasinggebers übersteige und damit bei diesem ein “Übererlös” verbleibe.
11
Diese Rechtsprechung lasse sich im Kern auch auf Fälle wie den vorliegenden übertragen, in denen es um eine Abrechnung nach – hier mit dem Schreiben der Klägerin vom 14. Juli 2015 erfolgter – Andienung zum regulären Vertragsende gehe. Auch hier müsse es bei dem Grundsatz bleiben, dass Versicherungsleistungen nach einem Unfall demjenigen zustünden, der im Zeitpunkt des Unfalls Eigentümer des Leasingobjekts sei, selbst wenn dies im Einzelfall zu dem Verbleib eines “Übererlöses” bei dem Leasinggeber führe.
II.
12
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung, soweit sie dieser aufgrund des Revisionsangriffs unterliegt, nicht stand.
13
Die von der Klägerin in Höhe von 17.349,68 € geltend gemachte Forderung auf Ausgleich des Restwerts ist in Höhe des in der Revisionsinstanz noch im Streit befindlichen Betrags von 5.500 € unbegründet. Denn die Klägerin hat in dieser Höhe mit Rücksicht auf den nach dem ersten Unfall verbleibenden merkantilen Minderwert des Fahrzeugs eine Zahlung der Versicherung erhalten, die ihre Ausgleichforderung entsprechend mindert.
14
Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Leasinggeber verpflichtet, die ihm aus einem Schadensfall zustehenden Entschädigungsleistungen eines Versicherers dem Leasingnehmer zugutekommen zu lassen, indem er sie für die Reparatur oder Wiederbeschaffung des Fahrzeugs verwendet oder diese bei Vertragsende auf den Schadensersatz- oder Ausgleichsanspruch anrechnet (Senatsurteile vom 21. September 2011 – VIII ZR 184/10, NJW 2011, 3709 Rn. 17 [für Leistungen aus einer Haftpflichtversicherung]; vom 31. Oktober 2007 – VIII ZR 278/05, NJW 2008, 989 Rn. 19; vom 8. Oktober 2003 – VIII ZR 55/03, NJW 2004, 1041 unter II 3 a aa; vom 11. Dezember 1991 – VIII ZR 31/91, BGHZ 116, 278, 283 f.; [jeweils – mit weiteren Nachweisen – für Leistungen aus einer Vollkaskoversicherung]). Eine Zahlung, die der Leasinggeber als Minderwertausgleich von der Haftpflichtversicherung erhalten hat, mindert deshalb dessen Anspruch auf Restwertausgleich.
15
Dies gilt unabhängig davon, ob der Leasinggeber von einem vertraglich vereinbarten Andienungsrecht Gebrauch macht oder das Fahrzeug verwertet. Denn auch mit dem Andienungsrecht soll lediglich sichergestellt werden, dass der Leasinggeber bei Vertragsende den als Restwert vereinbarten und vom Leasingnehmer garantierten Betrag erhält. Das im Leasingvertrag vorgesehene Andienungsrecht setzt (selbstverständlich) voraus, dass dem Leasingnehmer Versicherungsleistungen, die der Leasinggeber erhalten hat, zugute gebracht werden, nämlich entweder durch Verwendung auf das Fahrzeug (Reparatur) oder bei einer zum Minderwertausgleich erbrachten Zahlung durch Minderung des nach erfolgter Andienung zu zahlenden Kaufpreises. Es kann deshalb dahinstehen, ob das Berufungsgericht in dem Schreiben der Klägerin vom 14. Juli 2015, in dem lediglich von einem Restwertausgleich, nicht aber von einer Andienung oder Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte die Rede ist, zu Recht eine Ausübung des Andienungsrechts gesehen hat. Denn auch bei einer Andienung hat der Leasinggeber die als Minderwertausgleich erhaltene Versicherungsleistung anzurechnen, so wie es die Klägerin im Übrigen in ihrem vom Berufungsgericht als Ausübung des Andienungsrechts gewerteten Schreiben vom 14. Juli 2015 auch selbst vorgesehen hatte.
16
Die vom Berufungsgericht für seine gegenteilige Auffassung herangezogene Rechtsprechung des Senats zum Mehrerlös (Senatsurteile vom 31. Oktober 2007 – VIII ZR 278/05, aaO Rn. 19 f.; vom 21. September 2011 – VIII ZR 184/10, aaO Rn. 20 f.) ist schon deshalb nicht einschlägig, weil es vorliegend allein um die Anrechnung einer Versicherungsleistung auf den vereinbarten Restwert geht, und nicht darum, wem ein Mehrerlös zusteht, der sich ergibt, wenn bei der Abrechnung des Leasingvertrags durch Verwertungserlös und Versicherungsleistungen ein über dem vereinbarten Restwert liegender Betrag- wie hier gerade nicht – erzielt wird.
III.
17
Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang des Revisionsangriffs keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Danach hat sich die Klägerin die infolge des ersten Unfalls vom 13. Oktober 2013 erhaltene Versicherungsleistung in Gestalt des merkantilen Minderwerts in Höhe von 5.500 € auf den Restwert anrechnen zu lassen. Dies führt auf die Berufung der Beklagten zur Abänderung und Neufassung des erstinstanzlichen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
Dr. Bünger     
        
Kosziol     
        
Dr. Liebert
        
Dr. Schmidt      
        
 Wiegand      
        


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