Verkehrsrecht

Nichtzulassungsbeschwerde, Schadensersatz, Verkehrsunfall, Mietwagenkosten, Revision, Fahrzeug, Haftpflichtversicherung, Schadensminderungspflicht, Unfall, Schadensbeseitigung, Abschleppkosten, Vollkaskoversicherung, Berufung, Schaden, nicht ausreichend, weitergehende Berufung

Aktenzeichen  5 U 118/20

Datum:
25.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51272
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

13 O 354/18 2020-02-27 Urt LGASCHAFFENBURG LG Aschaffenburg

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 27.02.2020, Az. 13 O 354/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Firma A., Kfz-Meisterbetrieb, …, einen Betrag von 9006,28 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2018 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreites der ersten Instanz tragen die Klägerin 2% und die Beklagten als Gesamtschuldner 98%.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 9% und die Beklagten als Gesamtschuldner 91%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nummer 8 EGZPO abgesehen, da weder die Revision gegen das oder zulässig ist, noch gemäß § 544 ZPO dagegen die Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden kann.
Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 27.02.2020 hat zum überwiegenden Teil Erfolg.
I.
Die Klägerin kann von den Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1,17 Abs. 1, Abs. 2 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG insgesamt die Zahlung von 9006,28 € an die Firma A. Kfz Meisterbetrieb verlangen.
1. Die Beklagten haften als Gesamtschuldner zu 100% für den bei vom Beklagten zu 1) verursachten Verkehrsunfall hervorgerufenen Schaden. Die Beklagte zu 2) ist die Haftpflichtversicherung für das Fahrzeug des Beklagten zu 1).
2. Über die bereits vom Landgericht rechtskräftig zuerkannten Schadenspositionen hinaus kann die Klägerin weitere 1860,85 € als Schadenersatz verlangen.
a) Ein Anspruch auf Ersatz von weiteren 77,00 € an Abschleppkosten steht der Klägerin nicht zu, da sie nicht nachgewiesen hat, dass es sich hierbei um zur Schadensbeseitigung erforderliche Kosten handelt.
Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vergleiche BGH NJW 18,693; 15, 1198; BGH, Urteil vom 12.02.2019, VI ZR 141/18). Der Schädiger hat gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrages zu befriedigen. Nur darauf ist der Anspruch des Geschädigten gerichtet, nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge (vergleiche BGH NJW 15, 1298; 14, 3151). Der Geschädigte genügt dabei regelmäßig seiner Darlegungsund Beweislast durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des von ihm mit der Schadensbeseitigung beauftragten Unternehmers. Ist dies der Fall, reicht ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des Rechnungsbetrages durch den Schädiger nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe infrage zu stellen. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGH a. a. O.). Indes ist der vom Geschädigten aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch. Denn entscheidend sind im Sinn von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die tatsächlich erforderlichen Kosten (BGH NJW 15, 1298; BGHZ 132, 373). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze hat die Klägerin nicht substantiiert und schlüssig dargelegt, dass der Betrag von 220,00 € netto für das Abschleppen des beschädigten Fahrzeuges erforderlich war. Die Klägerin hat diesen Betrag noch nicht an das Abschleppunternehmen bezahlt. Die Abtretung des der Klägerin zustehenden Schadensersatzanspruches erfüllungshalber an das Abschleppunternehmen stellt keine Bezahlung des Rechnungsbetrages dar. Die an die Klägerin gestellte Rechnung ist deshalb allein nicht ausreichend, um eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO für die angefallenen, erforderlichen Abschleppkosten vornehmen zu können. Die Beklagten haben substantiiert bestritten, dass dieser Betrag der Höhe nach angemessen und erforderlich ist. Die Beklagten haben dargelegt, dass die Kosten für das Abschleppen eines weiteren, an dem Unfall beteiligten Fahrzeuges 172,00 € betragen hätten, wobei die Leistungsbeschreibung in dieser Abschlepprechnung identisch sei mit der in der von der Klägerin vorgelegten Rechnung. Ein solches Bestreiten ist im vorliegenden Fall möglich, da die Klägerin die Rechnung noch nicht bezahlt hat. Die Klägerin hat auch in der Berufungsbegründung nicht dargelegt, weshalb der von ihr verlangte, gegenüber der anderen Abschlepprechnung höhere Betrag im vorliegenden Fall erforderlich war. Über den Betrag, den das Landgericht zuerkannt hat, hinaus steht der Klägerin daher kein Anspruch auf weiteren Schadensersatz für angefallene Abschleppkosten zu.
b) Über die vom Landgericht bereits zuerkannten Mietwagenkosten hinaus kann die Klägerin weitere 1860,85 € als Schadensersatz verlangen.
Kann der Geschädigte wegen des schädigenden Ereignisses die Sache nicht nutzen, hat ihm der Schädiger die Kosten für die Anmietung einer gleichwertigen Sache zu ersetzen (vergleiche BGH NJW 12, 2026). Der Anspruch beschränkt sich auf die für die Reparatur notwendige Zeit zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung und gegebenenfalls einer angemessenen Überlegungszeit (vergleiche BGH NJW 13, 1151; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl., § 249 Rn. 195 ff; Palandt, BGB, 79. Aufl., § 249 Rn. 37).
Die Klägerin hat für die gesamte Zeit der Anmietung des Ersatzfahrzeuges Anspruch auf Ersatz der angefallenen Mietkosten. Die Zeit vom 04.12.2017 bis 17.01.2018 war erforderlich, um zum einen den Schadensumfang und die Kosten für seine Beseitigung fachkundig feststellen zu lassen sowie um anschließend – nach einer angemessenen Überlegungszeit – den Schaden reparieren zu lassen. Bei der Dauer ist unter anderem zu berücksichtigen, dass in die Reparatur die Weihnachtsfeiertage und der Jahreswechsel fiel. Die Klägerin war zudem nicht verpflichtet, sich bei dem Sachverständigen unmittelbar nach Ende der Nachbesichtigung, z.B. am 12.12.2017, nach dem Ergebnis zu erkundigen. Sie konnte und durfte davon ausgehen, dass der Sachverständige einige Tage benötigen wird, um das schriftliche Gutachten zu erstellen. Sie konnte daher zunächst abwarten, bis dieses schriftlich vorlag (vergleiche auch OLG Düsseldorf DAR 06, 269). Er stellt daher keinen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar, dass die Klägerin den Zugang des Gutachtens am 18.12.2017 abwartete. Der zwischen dem Zeitpunkt der Nachbesichtigung und dem Zugang des Gutachtens liegende Zeitraum ist nicht so groß, dass von der Klägerin erwartet werden musste, beim Sachverständigen nach dem Verbleib des Gutachtens oder nach dessen Ergebnis nachzufragen. Mit einer mündlichen Erklärung des Sachverständigen zum Ergebnis der Nachbesichtigung musste sich die Klägerin zudem nicht zufrieden geben, da diese nicht ausreichend ist, um Überlegungen ausreichend fundiert vorzunehmen, ob und wie sie den Schaden an ihrem Fahrzeug beheben lassen will. Solche Überlegungen erfordern, dass das Ergebnis des Schadensgutachtens schriftlich vorliegt und von der Klägerin als Geschädigte ausreichend beurteilt und geprüft werden kann. Die Klägerin kann daher die Kosten für 44 Tage Mietzeit ersetzt verlangen. Zu den zu erstattenden Kosten gehören auch die Kosten für die abgeschlossene Vollkaskoversicherung. Es kann dem Geschädigten nicht zugemutet werden, sich einem nicht kalkulierbaren Haftungsrisiko auszusetzen, wenn es zu einem Unfall mit dem angemieteten Fahrzeug kommt. Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, in diesem Fall zugunsten des Schädigers „zu sparen“. Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Fahrzeug des Geschädigten vergleichbar versichert war. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Leasingfahrzeuge, ein solches wurde hier beschädigt, in der Regel vollkaskoversichert sind. Weiter sind die Mehrkosten für einen zweiten Fahrer zu ersetzen, da es sich bei dem beschädigten Fahrzeug um ein Firmenfahrzeug handelte, das naturgemäß von verschiedenen Angestellten der Klägerin benutzt wurde. Dies gilt auch für das als Ersatz für dieses beschädigte Fahrzeug gemietete Fahrzeug. Die dadurch entstandenen Kosten sind zur Behebung des Unfallschadens erforderlich und zu ersetzen.
Insgesamt kann die Klägerin daher 8.188,68 € (Nettobetrag) von den Beklagten ersetzt verlangen. Über den von Landgericht zuerkannten Betrag hinaus steht der Klägerin daher ein weiterer Betrag in Höhe von 1.860,85 € zu.
Das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg ist daher insoweit abzuändern und neu zu fassen. Soweit die Klägerin einen höheren Betrag fordert, ist die Klage abzuweisen und insoweit die weitergehende Berufung zurückzuweisen.
II.
Der Klägerin steht aus den unter I genannten Gründen kein über den oben genannten Betrag hinausgehender Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz zu, da auch nach diesen Vorschriften der zu ersetzende Schaden wie oben dargestellt berechnet wird.
III.
Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286,288 BGB.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1,100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.


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