Verkehrsrecht

Prozesskostenhilfe, Abschleppkosten, eigener Abschleppdienst, ex-ante-Betrachtung, Kostenhöhe

Aktenzeichen  B 1 K 20.722

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10949
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 166 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO
BayPAG Art. 25 Abs. 1 Nr. 1
KG Art. 16 Abs. 5
PAG Art. 4 Abs. 1
PAG Art. 5 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenbescheid für eine Abschleppmaßnahme.
Am Freitag, den 8. November 2019, kam es ausweislich des Einsatzberichtes der Leitstelle kurz vor 13:24 Uhr zu einem Verkehrsunfall auf der Staatsstraße … bei K … zwischen dem Kläger und Herrn M. Die beteiligten Fahrzeuge konnten in dem beschädigten Zustand nicht weiterfahren. Um 13:48 Uhr trafen Einsatzkräfte der PI … vor Ort ein. Der Sohn des Klägers (L., geboren …2001), der sich ebenfalls im Fahrzeug des Klägers befand, als der Unfall geschah, fungierte als Dolmetscher zwischen den Polizeibeamten und dem Kläger.
Ausweislich der Erstmeldung (Bl. 5 der Behördenakte) wurde als Halter Herr … C., ein weiterer Sohn des Klägers, festgestellt.
Um 13:56 Uhr wurden „2XASD NACH LISTE“ angefordert. Nachdem beide Abschleppfahrzeuge eingetroffen waren, entfernte sich die Polizei von der Unfallstelle. Um 15:02 Uhr erschienen die Einsatzkräfte der PI … erneut an der Unfallstelle, nachdem der Fahrer des zweiten Abschleppwagens diese angerufen hatte. Um 15:39 Uhr meldeten die Polizeibeamten, dass das Fahrzeug polizeilich sichergestellt werde, da „weiterhin Betriebsstoffe auslaufen“ (Bl. 7 der Behördenakte) würden. Auf dem Abschleppbericht ist als Anlass vermerkt: „Verkehrsunfall – Pkw verliert Öl + andere Stoffe“. Auf diesem verweigerte der Kläger die Unterschrift. Als Uhrzeit der Maßnahme ist 15:20 Uhr angegeben. Als Zeitpunkt der Anforderung des Abschleppdienstes ist 14:30 Uhr angegeben. Im Kurzsachverhalt wird beschrieben: „zweimal Schlepper nach Liste. Als der Schlepper vor Ort war, weigerte sich der 01 sein Fahrzeug aufladen zu lassen. Nachdem Betriebsstoffe, u.a. Öl auslief wurde eine polizeiliche Schleppung veranlasst. Pkw wurde zur Verwahrstelle geschleppt.“
Mit Schreiben vom 9. März 2020 wurde der Kläger zum beabsichtigten Erlass des Kostenbescheids gehört. Mit Schreiben vom 29. März 2020 trug der Kläger vor, dass die Polizei eine Sache lediglich zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr oder einer drohenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut sicherstellen dürfe. Nach dem Autounfall sei das gesamte „Antifreeze“ ausgetreten, aber keine anderen Flüssigkeiten. Da das Auto nicht ohne Kühlmittel gefahren werden dürfe, hätten er und sein Sohn L. das Fahrzeug von der Straße geschoben. Es habe den Straßenverkehr nicht behindert. Der Motor sei abgestellt worden. Die Umwelt sei nicht gefährdet gewesen. Die Polizei habe gesehen, dass keine Flüssigkeit aus dem Fahrzeug ausgetreten sei. Sie habe ihn gefragt, ob das Fahrzeug abgeschleppt werden müsse. Sein Sohn L. habe geantwortet, dass ein Abschleppdienst nicht benötigt werde. Die Polizei habe den Kläger zwingen wollen für den ADAC-Abschleppdienst zu bezahlen, den sie ohne seine Zustimmung zum Unfall gerufen habe. Er habe dem von der Polizei gerufenen Abschleppdienst erklärt, dass ein anderer Abschleppdienst kommen würde. Der anwesende Abschleppdienst habe 350 EUR für die Abschleppung nach M … verlangt. Nach weiterer Ablehnung durch den Kläger habe der Abschleppfahrer versucht, 250 EUR für die nutzlose Anfahrt zu erhalten. Als die Polizei erneut am Unfallort eingetroffen sei, hätte sie ihn gebeten, dem Fahrer 250 EUR zu zahlen. Sie hätten behauptet, dass sie seinen Sohn nicht verstanden hätten, als sie den Abschleppdienst angefordert haben. Die Polizei habe dann in ihrem Hauptquartier angerufen und gefragt, was zu tun sei. Daraufhin habe das „Hauptquartier“ die Beschlagnahme angeordnet, obwohl es den Zustand des Autos nicht gekannt habe. Die Fahrt von der Unfallstelle zum Polizeiparkplatz habe nur 7 Minuten gedauert, da dieser 7 km entfernt sei. Die Höhe der Rechnung sei daher inakzeptabel.
In der Stellungnahme des diensthabenden Beamten PHM M. (Bl. 29 der Behördenakte) gibt dieser an, dass auf Frage, ob ein Abschleppunternehmen beauftragt werden solle, dies anfänglich von beiden Unfallbeteiligten bejaht worden sei. Zuerst sei das Kraftrad abgeschleppt worden. Nachdem der zweite Abschleppwagen am Unfallort eingetroffen sei, habe der Sohn des Klägers angegeben, dass sein Vater selbst einen Abschleppdienst organisiert habe, welcher jedoch erst in 2- 3 Stunden da sein könne. Er benötige den polizeilich gerufenen Abschleppdienst daher nicht. Es sei daraufhin versucht worden, dem Sohn zu erklären, dass dies nicht möglich sei, nachdem er zuvor gefragt worden sei, ob die Polizei einen Abschleppdienst organisieren solle. Als dann die Polizeibeamten zum zweiten Mal an der Unfallstelle erschienen seien, habe der Sohn des Klägers wiederholt angegeben, dass ein anderer Abschleppdienst unterwegs sei, jedoch erst in ein paar Stunden vor Ort sein könne. Es sei versucht worden dem Sohn zu erklären, dass der Abschleppdienst bezahlt werden müsse, auch wenn es eine Leerfahrt werden würde. Weiterhin habe er zu verstehen gegeben, dass aus dem beschädigten Pkw verschiedene Betriebsstoffe auslaufen würden, sodass es nicht möglich sei noch weitere 2- 3 Stunden auf einen angeblich anderen Abschleppwagen zu warten, da die Betriebsstoffe, bedingt durch den starken Regen, versickern würden. Die auslaufenden Betriebsstoffe, insbesondere Motoröl, hätten eine gegenwärtige Gefahr dargestellt. In der Verwahrstelle seien auch frische Ölflecken auf dem Abschleppwagen festgestellt worden. Daraufhin habe er eine Plane unter den Motorraum gelegt, um eine weitere Verschmutzung zu vermeiden.
In einer weiteren Stellungnahme (Bl. 32 der Behördenakte) ergänzte der Polizeibeamte, dass der Sohn des Klägers definitiv im Namen seines Vaters gesagt habe, dass sie einen Abschleppdienst benötigen würden. Erst als der zweite Abschleppwagen eingetroffen sei, habe der Sohn auf einmal angegeben, dass sie den angeforderten Abschleppdienst nicht mehr benötigen würden. Es sei definitiv Motoröl gewesen, welches aus dem beschädigten Pkw des Klägers ausgetreten sei. Die Behauptung, dass es sich dabei lediglich um Kühlwasser gehandelt habe, sei falsch und gelogen. Er könne Motoröl und Kühlwasser unterscheiden. Andernfalls hätte er sich auch nicht die Mühe gemacht, nochmal zur PI … zu fahren, um eine Plane zu organisieren, welche er unter den Motorraum gelegt habe. Auch der Abschleppfahrer Herr H. habe bestätigt, dass es sich um auslaufendes Motorenöl gehandelt habe. Er habe die Ladefläche seines Fahrzeuges mit Bindemittel einstreuen müssen.
In der Rechnung der Firma A. … an die PI … werden für einen Schleppwagen inklusive Personal für die Anfahrt zum Unfallort, die Sicherstellung und Abschleppung auf das …gelände sowie die Rückfahrt 2 Stunden à 175 EUR, insgesamt 350 EUR zzgl. 19% Mehrwertsteuer, mithin insgesamt 416,50 EUR berechnet.
Mit Bescheid vom 15. Juli 2020, zugestellt am 16. Juli 2020, stellte das Polizeipräsidium … dem Kläger 470,50 EUR (davon 54 EUR Gebühr) in Rechnung. Grundlage für die Sicherstellung sei Art. 25 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5, Art. 93 Polizeiaufgabengesetz i.V.m. § 1 Nr. 2, § 2 Polizeikostenverordnung i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 Kostengesetz. Beim Eintreffen hätten Beamte festgestellt, dass das Fahrzeug Betriebsstoffe verliere. Die Maßnahme sei unumgänglich gewesen, da es gegolten habe, die Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer zu beseitigen. Die verschmutzte Fahrbahn habe auch eine Gefährdung für die Umwelt dargestellt. Ein milderes Mittel habe nicht zur Wahl gestanden, da die Gefährdung unverzüglich zu beseitigen gewesen sei.
Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 12. August 2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Klage und beantragt,
die Entscheidung des Polizeipräsidiums Oberfranken vom 14.07.2020 Az: … wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Er begründet dies damit, dass lediglich das Frostschutzmittel vollständig ausgetreten sei. Die Polizei habe nicht einmal gemerkt, dass sein Auto beschädigt gewesen sei, da ein Polizeibeamter gefragt habe, warum er nicht fahren könne. Dieser Polizist habe unter den Motor geschaut und nichts gesehen. Daher habe der Kläger zeigen müssen, dass Frostschutzmittel ausgetreten sei. Auch treffe es nicht zu, dass die Polizei nach ihrer Rückkehr zum Unfallort ein Leck bemerkt habe und dem Sohn des Klägers Bescheid gegeben habe. Dem Kläger und seinem Sohn sei nie mitgeteilt worden, dass das Fahrzeug aufgrund eines Lecks beschlagnahmt werde. Wären Betriebsflüssigkeiten ausgelaufen, hätte die Polizei dies bei der ersten Ankunft bemerkt. Auch der Abschleppfahrer habe keine Ölflecken an der Unfallstelle entfernt. Dies sei eine Lüge. Er wisse auch nicht, warum sich auf dem Polizeiparkplatz eine Schüssel voll Öl unter seinem Fahrzeug befunden habe. Als er das Fahrzeug bei Abholung auf seinen Abschleppwagen geladen haben, sei kein Öl ausgetreten. Bei der Reparatur sei auch lediglich der Schlauch hinter dem rechten Scheinwerfer ersetzt worden, der bei dem Unfall geplatzt und aus dem Frostschutzmittel entwichen sei. Der Motor habe bei dem Autounfall nicht beschädigt werden können, da er keine Zeit gehabt habe zu bremsen. Der Motor sei nach dem Unfall abgestellt worden und danach hätten keine Betriebsflüssigkeiten austreten können, da sie lediglich unter Druck lecken würden. Trotz der auf dem Polizeiparkplatz unter dem Auto befindlichen Ölwanne sei das Öl nicht aus dem Auto ausgetreten. Jedenfalls hätte es gereicht, die Wanne/ einen Behälter einfach unter den Motor des Fahrzeugs zu stellen. Es habe keine Gefahr einer Kontamination bestanden, da das Auto auf der Asphaltstraße gestanden habe und nicht über einer Grünfläche platziert worden sei. Beim zweiten Eintreffen der Polizei habe es nicht mehr geregnet.
Die Polizei habe das Fahrzeug lediglich beschlagnahmt, um ihn zu zwingen für die vergebliche Fahrt des gerufenen Abschleppdienstes zu bezahlen. Die Polizei habe dem KIäger in Aussicht gestellt, dass er jetzt viel mehr zahlen müsse, da er sich weigere den Abschleppdienst freiwillig zu bezahlen. Sie hätten ihn vor die Wahl gestellt, ob er bereit sei den Abschleppdienst zu bezahlen, andernfalls werde das Auto zum Polizeiparkplatz gebracht. Es könnten jedenfalls nur Kosten in Rechnung gestellt werden, die vom Zeitpunkt des Aufladens des Fahrzeugs bis zum Abladen entstehen.
Er vertritt die Rechtsauffassung, dass sein Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt worden sei. Es seien nicht alle Zeugen gehört worden. Auch sei nicht klar, wofür die 54 EUR zu bezahlen seien.
Mit Schriftsatz des Polizeipräsidiums … vom 20. August 2020 beantragt dieses:
Die Klage wird abgewiesen.
Nachdem der Kläger sich beharrlich geweigert habe seinen Pkw abschleppen zu lassen, sei der private Abschleppauftrag in einen polizeilichen umgewandelt worden.
Es vertritt die Rechtsauffassung, dass zwar keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer oder des Straßenverkehrs vorgelegen habe, nachdem der Kläger das Fahrzeug von der Fahrbahn geschoben habe. Allerdings habe durch das austretende Betriebsmittel eine gegenwärtige Gefahr der Boden- und Grundwasserverunreinigung bestanden (Art. 25 Abs. 1 Nummer 1 a) PAG). Da aus dem klägerischen Pkw bereits Betriebsstoffe ausgetreten seien und starker Regenfall geherrscht habe, seien die Betriebsstoffe bereits in den Boden versickert. Schon zu dem Zeitpunkt, als die erste Verständigung des Abschleppdienstes erfolgt sei, seien Betriebsmittel ausgetreten. PHM … habe auf erneute Nachfrage angegeben, dass bereits beim ersten Eintreffen Öl festgestellt worden sei, aber dies noch nicht sehr viel war, nachdem der Unfall erst einige Minuten zurückgelegen habe. Nachdem das Fahrzeug zur Seite geschoben worden sei, sei deutlich mehr feststellbar gewesen. Es habe zu diesem Zeitpunkt in Strömen geregnet, sodass keine Inspizierung von unten stattgefunden habe. Es sei aber eindeutig gewesen, dass allein aus dem Pkw des Klägers Betriebsstoffe ausgelaufen seien. Auf der asphaltierten Straße sei nach einiger Zeit sehr gut zu erkennen gewesen, wie sich die auslaufenden Betriebsstoffe in Verbindung mit dem Regen ihren Weg Richtung Erdreich gebahnt haben. Aber erst als der Kläger der zeitnahen Beseitigung nicht nachkommen habe können, sei die Sicherstellung erfolgt. Aufgrund der Weigerung des Klägers, sich von dem vor Ort anwesenden Abschleppdienst abschleppen zu lassen und weil der selbstorganisierte Abschleppwagen nach Aussage des Sohns mehrere Stunden brauchen würde, habe der Gefahr mangels Alternativen nicht auf andere Weise wirksam begegnet werden können. Auch der Austritt der Betriebsstoffe sei nicht derart unerheblich gewesen, dass ein Einschreiten nicht notwendig gewesen wäre. Bereits geringe Mengen Öl würden ausreichen, um mehrere Hundert Liter Grundwasser zu verseuchen. Der Kläger und sein Sohn seien auf die auslaufenden Betriebsmittel hingewiesen worden, insbesondere stehe im Abschleppbericht, dass Öl auslaufe; dem Kläger sei eine Durchschrift gegeben worden. Die Polizei trete zwischen dem Abschleppdienst und dem Abzuschleppenden lediglich als Vermittler auf. Ein zivilrechtlicher Vertrag komme erst an der Unfallstelle zwischen dem Abschleppdienst und dem Betroffenen zustande.
Die Rechnungshöhe sei anhand des Vertrages, der zwischen dem Polizeipräsidium und der Abschleppfirma bestehe, geprüft und für korrekt erachtet worden. Die Gebühr für die Amtshandlung Sicherstellung in Höhe von 54 EUR entspreche der in Ziffer 3.2. der Anlage zu den KR-Pol festgesetzten Gebühr. Der Kostenbescheid richte sich gegen den richtigen Kostenschuldner als Fahrer des gefahrverursachenden Pkw, wobei Handlungsstörer grundsätzlich primär zur Verantwortung gezogen werden.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe nicht bewilligt.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO voraus, dass die betreffende Partei außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, die beabsichtigte Rechtsverfolgung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzbegehrens darf dabei nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Schwierige, bislang nicht ausreichend geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden (vgl. BVerfG, B.v. 13.7.2005 – 1 BvR 175/05 – NJW 2005, 3489; B.v. 30.10.1991 – 1 BvR 1386/91 – NJW 1992, 889).
Legt man diesen Maßstab zu Grunde, ist die Prozesskostenhilfe zu versagen, da die Klage bei summarischer Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, weil der Kostenbescheid rechtmäßig ist.
Rechtsgrundlagen für die Kostenerhebung nach einer Sicherstellung sind die Art. 25 Abs. 1 Nr. 1, Art. 28 Abs. 5, Art. 93 Bayerisches Polizeiaufgabengesetz (PAG) i.V.m. § 1 Nr. 2, § 2 Polizeikostenverordnung (PolKV) i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 Kostengesetz (KG).
1. Voraussetzung der Kostenerhebung ist die Rechtmäßigkeit der Grundmaßnahme, Art. 16 Abs. 5 KG. Die Maßnahme am 8. November 2019 war bei summarischer Prüfung rechtmäßig.
a. Gemäß Art. 25 PAG kann die Polizei eine Sache sicherstellen zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr (Nr. 1a) oder einer Gefahr oder einer drohenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut (Nr. 1b).
Ob eine solche Gefahr vorliegt, bestimmt sich danach, ob die verantwortlichen Polizeibeamten zum Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme („ex-ante-Betrachtung“) aufgrund der Aussagen der Beteiligten sowie anderer vorhandener oder zumutbar ohne wesentlichen zeitlichen Verzug zu beschaffender Erkenntnismittel zu der Einschätzung gelangen durften, es bestehe eine solche Gefahr. Diese im Zeitpunkt des Einschreitens zu treffende Prognoseentscheidung ist auf der Grundlage der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegenden Erkenntnisse in vollem Umfang einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung zugänglich (vgl. VG Gelsenkirchen, U.v. 19.9.2017 – 17 K 5544/15 – BeckRS 2017, 131547 Rn. 69-71).
Gegenwärtig ist die Gefahr i.S.d. Art. 25 Abs. 1 Nr. 1a) PAG, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht (VG Augsburg, U.v. 9.9.2014 – Au 1 K 13.1276 – BeckRS 2014, 57220 Rn. 43).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze begegnet die hier in Rede stehende polizeiliche Prognoseentscheidung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Unstreitig sind aus dem vom Kläger geführten Kfz im Zeitpunkt der Sicherstellung bereits Flüssigkeiten ausgetreten. Bei umweltschädlichen Flüssigkeiten besteht die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für Erdreich und Trinkwasser.
Vorgerichtlich gab der Kläger an, dass nach dem Autounfall das gesamte „Antifreeze“ ausgetreten sei, aber keine anderen Flüssigkeiten und das Auto dürfe nicht ohne „Kühlmittel“ gefahren werden. Im Prozess trägt er vor, dass lediglich das Frostschutzmittel vollständig ausgetreten sei. Da der Flüssigkeitsaustritt damit von beiden Beteiligten bestätigt wird, kommt es nicht darauf an, ob der Polizeibeamte dies aus eigener Aufmerksamkeit oder durch einen Hinweis des Klägers erfahren hat.
Um welche Flüssigkeit es sich letztlich gehandelt hat, kann weder im summarischen Prüfungsrahmen geklärt werden, noch ist dergleichen erforderlich. Die Prognose ist aus der ex ante Sicht zu treffen. Zu diesem Zeitpunkt durften die handelnden Polizeibeamten davon ausgehen, dass es sich um umweltgefährdende Stoffe handelt. Letztlich kann der Polizeibeamte nicht ohne untersuchte Probe und damit faktisch nie ex ante zweifelsfrei feststellen, ob es sich allein um einen nicht umweltschädlichen Stoff oder (auch) einen (ggf. vermengten) gefährlichen Stoff handelt. Er hat dies unter Einbeziehung seiner Erfahrungswerte anhand der Art der Beschädigung und seinen sensitiven Wahrnehmungen zu beurteilen. Als echte Gefahr ist selbst bei (unverschuldeter) Fehleinschätzung die sogenannte Anscheinsgefahr anerkannt. Für diese ist unerheblich, ob sich später – ex post betrachtet – die Lage als nicht wirklich gefährlich dargestellt hat (vgl. BayVGH, B.v. 4.5.2011 – 10 ZB 10.736 – BeckRS 2011, 30476). Im Übrigen ist nach dem Vortrag des Klägers selbst nicht klar, was nun ausgelaufen ist. Es ist einerseits die Rede von Frostschutzmittel, Antifreeze, andererseits von Kühlmittel und davon, dass der Kühlmittelschlauch gerissen sei.
Frostschutz und Kühlflüssigkeit sind zwei verschiedene Flüssigkeiten, die im Auto verwendet werden. Bei der Kühlflüssigkeit handelt es sich um eine Flüssigkeit, die sich im Kühler des Fahrzeugs befindet. Zum einen hilft sie, eine Überhitzung des Motors und Korrosion zu vermeiden, zum anderen schmiert sie die Teile, mit denen sie in direktem Kontakt steht. Der Frostschutz hingegen verhindert das Gefrieren der Kühlflüssigkeit bei niedrigen Temperaturen; die Kühlflüssigkeit sorgt dafür, dass Flüssigkeiten bei Temperaturen von über 100° C nicht anfangen zu sieden (https://www.total.de/produkte/schmierstoffe/motoroel-tipps/frostschutz-und-kuehlfluessigkeit, abgerufen am 5. März 2021). Die Kühlflüssigkeit zählt zu den Problemstoffen, denn in ihr sammeln sich Schwermetallpartikel und diverse andere Rückstände wie etwa Motoröl (https://www.mobile.de/magazin/artikel/kuehlfluessigkeit-wechseln-und-entsorgen-das-musst-du-beachten-2420, abgerufen am 5. März 2021), sodass eine Unschädlichkeit des nach Klägerauffassung ausgetretenen Stoffes fraglich erscheint, zumal er selbst behauptet, das Fahrzeug dürfe ohne Kühlmittel nicht gefahren werden. Insofern ist anzumerken, dass – sollte der Kläger Winterscheibenreiniger/ Scheibenfrostschutzmittel meinen – ein Fahrzeug durchaus ohne solches gefahren werden darf.
Dies sei lediglich angemerkt vor dem Hintergrund, dass im Einsatzbericht gemeldet wurde, dass „weiterhin Öl“ auslaufe, der Abschleppunternehmer Bindemittel für seine Ladefläche benötigt zu haben scheint und sogar der Kläger eine Wanne voll Öl bei der Abholung festgestellt hat.
b. Begegnet die Prognoseentscheidung in der Folge keinen Bedenken, so hat die Polizei von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt, Art. 4 Abs. 1 PAG. Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehrere Mittel in Betracht, so genügt es, wenn eines davon bestimmt wird, wobei den Betroffenen auf Antrag zu gestatten ist, ein anderes ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird, Art. 5 Abs. 2 PAG. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist wesentlicher Maßstab allen polizeilichen Handelns.
Insbesondere kommt es darauf an, ob der Kläger bzw. sein Sohn die Polizei darüber informiert hat, dass und ggf. zu welcher Zeit ein eigens organisierter Abschleppdienst die Unfallstelle erreichen wird. Zwar hat der Sohn des Klägers unstreitig erklärt, dass ein eigener Abschleppdienst kommen werde. Strittig ist lediglich der Zeitpunkt dieser Information. Das ist aber unerheblich, da die Information jedenfalls vor der Sicherstellung seitens der Polizei erfolgte. Die Einleitung der Abschleppmaßnahme würde sich nur dann als ermessensfehlerhaft und damit als rechtswidrig erweisen, wenn die Polizeibeamten einem konkreten Hinweis auf die Bereitschaft zum umgehenden Entfernen des Fahrzeuges nicht nachgegangen wären (vgl. VG Mainz, U.v. 25.3.2004 – 1 K 1038/03.MZ – juris Rn 20).
Eine umgehende Störungsbeseitigung war im Zeitpunkt der Sicherstellung auch notwendig. Während im Zeitpunkt des ersten Eintreffens an der Unfallstelle eine höhere kostenverursachende Sicherstellung (Stichwort Verwaltungsgebühr) in Anbetracht der Gefahrenlage nicht notwendig war, da von einer noch rechtzeitigen Beseitigung mittels des gerufenen Abschleppdienstes ausgegangen wurde, war ein weiteres Zuwarten auf einen später zu unbekannter Stunde eintreffenden Abschleppdienst nicht mehr vertretbar, zumal Regen Flüssigkeiten schnell transportiert. Die Polizei hat nicht behauptet, erst beim zweiten Eintreffen austretende Flüssigkeit bemerkt zu haben. Dem widerspricht die Meldung im Einsatzbericht („weiterhin“) und der klägerische Vortrag, wonach er ihnen sogar die Stelle gezeigt habe, an der – nach seiner Auffassung lediglich – Antifreeze ausgetreten ist.
Zwar gibt der Beamte in seiner Stellungnahme an, dass er schon bei der ersten Information des Sohnes über den eigens organisierten Abschleppdienst diesem versucht habe zu erklären, dass dies nicht möglich sei, nachdem er zuvor gefragt worden sei, ob die Polizei einen Abschleppdienst organisieren solle. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, dass im Zeitpunkt der Sicherstellung der eigens organisierte Abschleppdienst nicht vor Ort war und auch nicht in nächster Zeit eingetroffen wäre. Eine umgehende Beseitigung durch den Kläger war nicht möglich, sondern nach Angaben des Sohnes erst in zwei bis drei Stunden. Dies wurde vom Kläger auch nicht bestritten. Insbesondere zeigt sich in dem späteren Hinweis der Polizeibeamten, dass der Abschleppdienst auch dann bezahlt werden müsse, wenn es eine Leerfahrt werden würde, dass die Polizeibeamten einen Abtransport durch einen vom Kläger organisierten Abschleppdienst nicht mehr (wie möglicherweise zeitlich früher) ausgeschlossen hätten, wäre er zeitgleich oder in kurzer Zeit eingetroffen.
Soweit der Kläger vorträgt, dass es ausgereicht hätte, am Unfallort eine Plane oder Wanne unter das Fahrzeug zu stellen, schließt sich das Gericht dem nicht an. Zwar hat diese Maßnahme an der Verwahrstelle ihren Zweck erfüllt, indes wäre eine Plane bei starkem Regen an der Unfallstelle ungeeignet gewesen, da die aufgefangenen Betriebsstoffe heruntergespült worden wären. Eine Wanne wäre ebenfalls nicht gleich geeignet, wenn man den Umstand betrachtet, dass die Schadensstelle korrekt lokalisiert werden hätte müssen, was bei von Regen dunkler Straße auf Schwierigkeiten stößt, während nach dem Transport auf der Ladefläche des Abschleppwagens die Stelle wesentlich einfacher zu finden ist.
Lediglich ergänzend bleibt anzumerken, dass ein Zuwarten des Beklagten wegen des dem Kläger auferlegten Verwarngelds nicht erforderlich war. Insoweit wird verkannt, dass die Kosten der Abschleppmaßnahme und die Auferlegung eines Verwarngelds voneinander differenzierende Zwecke verfolgen. Während die Abschleppmaßnahme zur Verhinderung einer Gefahr der öffentlichen Sicherheit und damit zur Gefahrenabwehr erfolgt, soll mit der Auferlegung des Verwarngelds ein Verstoß gegen Ordnungswidrigkeiten gemäß §§ 56, 57 OWiG repressiv bestraft werden (VG Saarlouis, U.v. 26.7.2017 – 6 K 15/17 – BeckRS 2017, 118640 Rn. 26).
2. Auch der Höhe nach ist der Bescheid bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.
Gemäß Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 KG werden an Auslagen die anderen Behörden oder anderen Personen für ihre Tätigkeit zustehenden Beträge erhoben. Die Unterlagen ergeben keine Hinweise darauf, dass Kostenpositionen überhöht oder zu Unrecht in Ansatz gebracht worden sind. Nach dem Äquivalenzprinzip darf auch bei Fremdleistungen kein Missverhältnis zwischen Leistung und Entgelt bestehen. Das Abschleppunternehmen hat eine spezifische, auf die beabsichtigte Entfernung des Kraftfahrzeugs des Klägers gerichtete Leistung erbracht.
Insbesondere ist die der Rechnung zugrunde gelegte Einsatzzeit von zwei Stunden im Ergebnis nachvollziehbar. Um 13:56 Uhr wurde die Leitstelle um zwei Abschleppdienste gebeten. Um 14:04 Uhr bestätigte der GDV (GDV DIENSTLEISTUNGS-GMBH: Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Versicherungsbranche) die Übernahme. Bis die Fa. A. … von der GDV den Auftrag erhielt und ihr Firmengelände verließ bzw. bei einer Fahrtstrecke von circa 7 km den Unfallort erreicht, ist von 14:30 Uhr auszugehen. Da anschließend eine längere Weigerung des Klägers, das Fahrzeug abschleppen zu lassen, folgte und um 15:39 Uhr im Einsatzbericht die Sicherstellung gemeldet wurde, sind weitere 50 Minuten für das Aufladen, Sichern, den Abtransport samt Abladevorgang und die Rückfahrt zum Firmengelände nicht erkennbar verzögernd. In Ansehung etwa des vorzuhaltenden Kraftfahrzeugparks und der auch durch die Sicherstellung eines umfassenden Bereitschaftsdienstes geprägten Lohnkosten ist nicht ersichtlich, dass die Preisgestaltung unter Berücksichtigung des durchschnittlich zu betreibenden Aufwands unangemessen ist (VG Saarlouis, U.v. 26.7.2017 – 6 K 15/17 – BeckRS 2017, 118640 Rn. 27 ff.). In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, dass die Kosten einer (auch) aus Gründen der Gefahrenabwehr erfolgten Maßnahme in einem verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren lediglich unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten überprüft werden. Eine sachverständige Kontrolle einzelner Kostenpositionen unter dem Aspekt einer ortsüblichen und angemessenen Vergütung ist regelmäßig nicht angezeigt, wenn sich keine Anhaltspunkte für eine übermäßige Kostenforderung ergeben. Der Kostenpflichtige hat lediglich einen Anspruch auf eine nicht übermäßige, nicht jedoch auf die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten kostengünstigste Maßnahme (VG Aachen, U.v. 4.6.2012 – 6 K 237/11 – juris Rn. 58 f.). Das Polizeipräsidium hat auch angegeben, dass der Betrag dem Vertrag, den die Polizei mit dem Abschleppunternehmen geschlossen hat, entspricht.
Die Höhe der geltend gemachten Verwaltungsgebühr ist zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Bemessung der für das Abschleppen eines Fahrzeuges zu erhebenden Verwaltungsgebühren liegt im nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Ermessen der Behörde (OVG NRW, U.v. 28.11.2000 – 5 A 2625/00 – juris Rn. 15). Dass hier die Berechnung der Gebühr durch den Beklagten ermessensfehlerhaft sein sollte, ist nicht ersichtlich. Sie bewegt sich im unteren Bereich des in § 1 Nr. 2 der PolKV genannten Rahmens.
3. Nach alledem ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, ohne dass es auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ankommt.


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