Verkehrsrecht

Sachverständigenkosten nach BVSK-Honorartabelle

Aktenzeichen  13 C 373/19

Datum:
4.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27400
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 287
BGB § 249 Abs. 2 S. 1, § 632 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die BVSK-Honorartabelle stellt sowohl für die vom Auftraggeber dem Sachverständigen geschuldete Vergütung als auch für den vom Kfz-Haftpflichtversicherer nach einem Verkehrsunfall zu leistenden Schadensersatz bei Einschaltung eines Sachverständigen eine taugliche Schätzungsgrundlage dar (Anschluss an OLG München BeckRS 2016, 04574). (Rn. 5 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Bemessung des Grundhonorars für den Sachverständigen nach der BVSK-Honorartabelle werden Einwände zur Reparaturkostenhöhe nicht berücksichtigt, die auf einer fiktiven Abrechnung durch Verweis auf eine günstigere Reparaturwerkstatt beruhen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 97,86 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.12.2018 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 97,86 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begeht aus abgetretenem Recht restliche Sachverständigenkosten für die Begutachtung eines Fahrzeuges des Geschädigten … welches bei einem Verkehrsunfall am … auf dem …-Parkplatz in Ingolstadt beschädigt wurde. Der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige ermittelte Reparaturkosten in Höhe von netto 1.917,78 € (Anlage K6) und stellte für seine Tätigkeit brutto 596,86 € in Rechnung (Anlage K1). Die Beklagte hat auf Grundlage eines Prüfberichts der DEKRA (Anlage zur Klageerwiderung vom 18.03.2019) und darin ermitteltem Schaden von netto 1.368,04 € lediglich 499,00 € an Sachverständigenkosten gezahlt; der Rest in Höhe von 97,86 € samt Verzinsung und vorgerichtlicher Anwaltskosten steht im Streit.
II.
Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt. Danach erweist sich die zulässige Klage teilweise als begründet.
1. a) Die von der Klägerin begehrte Erstattung weiterer Sachverständigengebühren gründet der Höhe nach auf § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, wonach ausdrücklich der zur Herstellung des ursprünglichen Zustands erforderliche Betrag zu leisten ist. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen damit in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei (vgl. BGH NJW 2003, 2085; BGHZ 155, 1, 4; 162, 161, 165). Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (vgl. BGH VersR 2005, 558, 559), so dass er im Regelfall berechtigt ist, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (BGH NJW 2007, 1450). Grundsätzlich findet keine Überprüfung dieses Wahlrechts statt.
Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH NJW 1992, 302; BGHZ 160, 377, 383; 162, 161, 165). Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitspostulat gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die individuelle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine speziellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH NJW 1992, 302; BGHZ 132, 373, 376 f.; 155, 1, 4 f.; 162, 161, 164 f.; 163, 362, 365). Dem Geschädigten ist außerdem keine Marktforschung auf dem ihm zugänglichen Markt zuzumuten, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung möglichst kostengünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn dann allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (BGH NJW 2007, 1450).
Die im Rahmen des § 632 Abs. 1 BGB an den Sachverständigen geschuldete Vergütung musste sich unter Anwendung der schadensrechtlichen Gesichtspunkte im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen bewegen gem. § 249 Abs. 2 BGB (BGH NJW 2007, 1450). Die BVSK-Honorartabelle kann grundsätzlich als Schätzgrundlage zur Ermittlung des üblichen Sachverständigenhonorars gemäß § 287 ZPO herangezogen werden (OLG München, Hinweisbeschluss vom 12.03.2015, 10 U 579/15 – juris; LG Fulda, Urteil vom 24.04.2015, Aktenzeichen 1 S 168/14, BeckRS 2015, 08658; OLG München, Urteil vom 26. Februar 2016 – 10 U 579/15, BeckRS 2016, 04574).
Die Schätzung erfolgt dabei nach den Werten der BVSK-Umfrage 2018 entsprechend des Urteils des OLG München vom 26.02.2016 (s.o.). Die Werte der BVSK-Umfrage 2018 stellen nach Auffassung des Gerichts (ebenso wie BVSK 2015) eine taugliche Schätzgrundlage dar.
An dieser Rechtsprechung wird auch im Hinblick auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.04.2016 (BGH NJW 2016, 3092) festgehalten. Durch dieses wurde zwar als Schätzgrundlage für Nebenkosten (außer Fahrtkosten) das JVEG gebilligt, jedoch schließt dies nicht aus, dass der BGH auch die BVSK als taugliche Schätzgrundlage billigt, zumal nach dem Urteil des BGH für die Höhe der Nebenkosten Werte angesetzt werden, die bis auf den Wert für Schreibkosten, exakt denen des OLG München entsprechen. Zudem wird in diesem Urteil auch noch einmal ausdrücklich betont, dass die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters sei (BGH NJW 2016, 3092).
b) Zutreffend weist die Beklagtenpartei darauf hin, dass der BGH in einem Fall (NJW 2018, 693, 695 Rn. 25) für die ihm vorliegende Sachverhaltskonstellation entschieden hat, dass der dortige Geschädigte mit dem Sachverständigen ein Grundhonorar nach der tatsächlichen Schadenshöhe vereinbart habe; dies komme mit der von den Parteien gewählten Vereinbarung eines Grundhonorars „in Anlehnung an die Höhe des Kfz-Schadens“ zum Ausdruck. Eine solche Vereinbarung findet sich im vorliegenden Fall nicht, es ist nicht vorgetragen, was die Parteien vereinbart haben.
Dies kann letztlich dahinstehen. Es ist der vom Sachverständigen … ermittelte Wert der (Netto-)Reparaturkosten abzüglich solcher Beträge, welche aus technischen Abzügen, aber nicht aus einer fiktiven Verweisung herrühren, der Bemessung des Grundhonorars zugrunde zu legen. Zwar bestreitet auch im vorliegenden Fall die Beklagte die Reparaturkosten, wie im Fall des BGH, wenn auch anders als dort nicht auch noch eine Wertminderung im Streit steht. Die Abweichung bei den Reparaturkosten resultiert vorliegend aber nur teilweise aus Positionen, die aufgrund technischer Einwände oder als (potentielle) Fehler des Gutachtens o.ä. angesehen werden können. Überwiegend resultieren die Abzüge daraus, dass die Beklagte die Klägerin im Rahmen einer fiktiven Abrechnung fiktiv auf eine günstigere Werkstatt verweist. Es handelt sich dabei um einen rein fiktiven Einwand, den sich der Geschädigte zwar im Hinblick auf die Reparaturkosten entgegenhalten lassen muss (s.u.). Dieser (rein fiktive) Einwand wirkt sich allerdings nicht auf die Sachverständigenkosten aus. Die Reparaturkosten, die der Sachverständige … kalkuliert hat, sind insoweit weder falsch noch sonst unrichtig; es ist durchaus möglich, dass sie bei tatsächlicher Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt auch in dieser Höhe oder gar noch höher ausfallen. Rühren Einwände der Beklagten allein aus solch einer fiktiven Verweisung her, so sind diese bei der Bemessung des Grundhonorars für die Sachverständigenkosten nicht zu berücksichtigen. Dies steht weder im Widerspruch zu der Entscheidung des BGH noch zu den übrigen beklagtenseits zitierten Urteilen.
Von den Reparaturkosten sind mithin lediglich abzusetzen 38,00 € für Ersatzteile und 92,22 € für Lackierung, da die Beklagte insoweit – von der Klägerin nicht beanstandet – Reparaturen an den Blenden der Scheinwerferreinigungsanlage und der Abdeckung der Abschleppöse in Abzug bringt. Ferner 38,16 € Lackmaterialkosten; auch zu diesem Einwand hat die Klagepartei nicht Stellung bezogen. Dabei handelt es sich um technische Einwände, die im Sinne vorstehender Ausführungen berücksichtigungsfähig sind, zumal sie seitens der Klägerin nicht angegriffen wurden. Für die Bestimmung des Grundhonorars sind mithin zugrunde zu legen (netto 1.917,78 € – 38,00 € – 92,22 € – 38,16 € =) 1.749,40 €. Die übrigen Einwände der Beklagten gegen die Höhe der Reparaturkosten sind keine technischen, sondern rühren aus der Verweisung auf eine günstigere Markenwerkstatt her.
Aufgrund der vorgenannten grundsätzlichen wie einzelfallbezogenen Überlegungen kommt es auf die Frage einer subjektiven Schadensbetrachtung nicht mehr an, die – hierzu sogleich – auf den vorliegenden Fall auch keine Anwendung findet.
c) Das berechtigte Grundhonorar beläuft sich ausgehend von der Tabelle der BVSK 2018 bei einem Schaden von netto 1.749 € (Anlage K6) auf 369,00 €, wobei auf den unteren Wert des HB V Korridors abzustellen war. Soweit der Sachverständige 410,00 € ansetzt, liegt er über diesem Wert. Der Betrag ist entsprechend zu kürzen. Auf eine subjektive Schadensbetrachtung kann er sich dabei nicht stützen, da der Sachverständige selbst bzw. die Klägerin die vom Sachverständigen an sie abgetretenen Ansprüche geltend macht. Da vom Sachverständigen erwartet werden kann, dass er die rechtlichen Vorgaben zur Abrechnung seiner Tätigkeit kennt, bedarf er – anders als der Geschädigte – nicht des Schutzes über die subjektive Schadensbetrachtung. Auf das Prognoserisiko kommt es vorliegend nicht an, auch nicht aufgrund der Abtretung, da es letztlich um Ansprüche des Sachverständigen auf Bezahlung geht, zu deren Befriedigung der Geschädigte seine Ansprüche gegen die Beklagte an den Sachverständigen (und dieser jene Ansprüche weiter an die Klägerin) abgetreten hat. Ein Aufschlag auf das Grundhonorar ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich: Dies gilt für eine öffentliche Bestellung und Vereidigung des Sachverständigen, der seinen Sitz auch nicht im Großraum München hat.
Die Fahrtkosten sind mit 0,70 € pro Kilometer in Ordnung, dies entspricht den Vorgaben des OLG München, denen sich das angerufene Gericht in ständiger Rechtsprechung anschließt. Gleiches gilt bezüglich der Fotokosten, hier sind die angesetzten 25,00 € bei 2,00 € pro Lichtbild (1. Fotosatz) bzw. 0,50 € (2. Fotosatz) und 10 Bildern nicht zu beanstanden. Bezüglich der Schreibkosten ist ein Betrag von 25,00 € (bei 1,80 € pro Seite bzw. 0,50 € pro Kopie bei insgesamt 14 Seiten) anzuerkennen. Dabei können für Foto- und Schreibkosten nicht die günstigeren Preise etwa bei Drogeriemärkten herangezogen werden, die fraglos unzählige Fotos mehr als ein Sachverständigenbüro drucken und damit günstigere Preise anbieten können. Entscheidend ist vielmehr die Preiskalkulation des Sachverständigen, welchen Preis er anbieten kann, um gewinnbringend zu arbeiten, und der Vergleich dessen mit den marktüblichen Preisen, wie sie in der Rechtssprechung des OLG München anerkannt sind. Dieser schließt sich das Gericht an. Für Porto und Versand ist schließlich eine Pauschale von 15,00 € und nicht 17,00 € anzusetzen – die im Hinblick auf die allgemeine Unkostenpauschale von 25,00 €, die Geschädigte sonst für Porto, Versand etc. verlangen können, ebenfalls nicht zu hoch bemessen ist.
d) Insgesamt ergibt sich daher ein Betrag von 458,56 € netto bzw. 545,69 € brutto. Zuzüglich 15 % Schätzbonus auf die Gesamtabrechnung (OLG München, Urteil vom 26. Februar 2016 – 10 U 579/15, BeckRS 2016, 04574 Rn. 28; OLG München r+s 2017, 329, 330) ergibt dies netto 527,34 € bzw. brutto 627,53 €. Damit liegt der Sachverständige noch unter den Werten nach BVSK. Der von ihm abgerechnete Betrag ist folglich als übliche Vergütung für einen Schaden dieser Höhe grundsätzlich anzuerkennen. Gezahlt wurden durch die Beklagte unstreitig 499,00 €. Es ist daher noch ein Betrag von 97,86 € offen, auf die die Klägerin Anspruch hat.
2. Dieser Betrag ist gem. §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB zu verzinsen mit Zinsbeginn zum 19.12.2018 (Anlage K8).
3. Die Beklagte hat an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten 255,85 € gezahlt (Anlage zur Klageerwiderung, Abrechnungsschreiben vom 14.01.2019). Dies entspricht einer 1,3 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und USt aus den beklagtenseits insgesamt gezahlten (1.368,04 € + 529,00 € =) 1.897,04 €. Tatsächlich Anspruch hätte die Klägerin auf (1.368,04 € + 596,86 € + 30,00 € =) 1.994,90 €. In diesem Rahmen sind die von der Beklagtenseite genannten Reparaturkosten anzusetzen, da an sich ein Verweis auf die Beklagtenseits benannten günstigeren Markenwerkstätten zulässig wäre. Im Unterschied zum Sachverständigen, der auf Grundlage der von ihm herangezogenen Arbeitskosten den Schaden bemessen kann, darf der Anwalt aus Rechtsgründen nur auf Basis dessen Abrechnen, was er infolge zulässiger Verweisung vom Gegner verlangen darf; der Sachverständige muss sich nicht am fiktiven Einwand festmachen lassen, der Anwalt darf nur auf Basis dessen abrechnen, was er rechtlich verlangen darf. Die daraus errechnete Geschäftsgebühr von 1,3 zzgl. Pauschale und USt beläuft sich auf jene 255,85 €, die bereits bezahlt wurden. Insoweit war die Klage abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; das Unterliegen der Klagepartei mit einer Nebenforderung wirkt sich auf die Kostenverteilung nicht aus.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO, die Streitwertfestsetzung in § 3 ZPO.


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