Verkehrsrecht

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Aktenzeichen  2 C 145/20

Datum:
29.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 53228
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nördlingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 972,22 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.09.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention haben der Kläger 58 % und die Beklagte 42 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 2.308,77 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
I.
Dem Kläger stehen nur 909,27 € an weiteren Mietwagenkosten zu. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
1. Erforderlichkeit und Mietwagentarif
Die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs sind grundsätzlich gemäß § 249 Abs. II S. 1 BGB erstattungsfähig, soweit sie zum erforderlichen Herstellungsaufwand gehören. Maßgeblich hierfür ist, ob ein verständiger wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten die Kosten für die Anmietung für zweckmäßig und notwendig halten dürfte. Der Geschädigte ist hier nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren, von mehreren Wegen den wirtschaftlichsten Weg zu wählen. Grundsätzlich ist der Geschädigte daher gehalten unter mehreren Anbietern Preisanfragen einzuholen und das günstigste Angebot zugrunde zu legen. Sinn und Zweck dieses Erfordernisses, welches der BGH aufgestellt hat ist, dass Mietwagenkosten nicht ausufern sollen (Diedrichsen, DAR 2005, 301, 308). Die Voraussetzungen sind daher streng zu überprüfen. Dieser strengen Überprüfung hat der Vortrag der Klägerseite nicht stand gehalten. Da es vorliegend nicht um die Frage der Schadensminderungspflicht geht, sondern bereits auf erster Stufe um die Frage der Erforderlichkeit, war die Klägerseite beweisbelastet dafür, dass die Anmietung zu diesem Preis erforderlich war und kein günstigeres Angebot erhältlich war. Dem konnte die Klägerseite nicht vollends nachkommen. Das Gericht war nach der Anhörung des Klägers nicht vollends davon überzeugt, dass er alles erforderliche und in seiner Macht stehende getan hat, um einen günstigeren Mietwagen zu erlangen. Die Anrufe der Zeugin … bei … und … hielt das Gericht nicht für ausreihend, dass der Kläger seiner Pflicht nachkommt. Es ist einfach zu sehen, dass es dem Geschädigten selbst obliegt einen Preisvergleich durchzuführen und sich selbst zu vergewissern, dass es kein günstigeres Angebot gibt. Dies ist aber gerade dann nicht der Fall, wenn ein Mitarbeiter der Vermieterfirma das Gespräch völlig selbstständig für den Geschädigten übernimmt. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Nachfragen im eigenen Namen stattfinden. Die Pflicht obliegt nunmal dem Geschädigten und dieser muss sich mit eigenen Ohren/Augen um die Marktlage versichern. Vorliegend war dies nicht der Fall.
Das Gericht hat aufgrund der Häufigkeit dieser auftretenden Fälle immer mal wieder in unregelmäßigen Abständen und mit unterschiedlichen Anmietdauern im Großraum Donauwörth Fahrzeuge online angefragt. Binnen weniger Stunden waren mehrere Fahrzeuge in verschiedensten Kategorien verfügbar. Erstaunlicherweise waren diese seltenst bei … oder … sondern vielmehr bei … oder ähnlichen Vermietstationen im Raum Augsburg oder Aalen zur Abholung bereit. Eine Abholfahrt nach Augsburg oder Aalen hält das Gericht vom Wohnort des Klägers gerade noch für angemessen, gerade unter dem Gesichtspunkt, dass diese Fahrtkosten wiederum erstattungsfähig wären.
Jedenfalls ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass ein Anruf ausschließlich bei … oder … nicht ausreichend ist für einen Preisvergleich, der die Marktlage wiedergibt. Es drängte sich dem Gericht der dringende Verdacht auf, dass bewusst von der Streitverkündeten diese beiden Firmen ausgewählt werden, um einen Preisvergleich vorzugaukeln. Der Preisvergleich mit diesen beiden Firmen konnte das Gericht daher nicht überzeugen. Es konnte daher zwar unstreitig gestellt werden, dass ein Anruf bei diesen beiden Firmen durch die Zeugin … im eigenen Namen erfolgte. Das Gericht hielt dies jedoch nicht für ausreichend, das es davon überzeugt ist, dass ein Geschädigter, welcher keine Unterstützung durch die Streitverkündete erhält, weiträumigere Recherchen betrieben hätte. Insbesondere darf heut zu Tage nicht außer Acht gelassen werden, dass das Internet ein probates, zumutbares und einfaches Mittel ist, um schnell und effektiv einen Preisvergleich durchzuführen, insbesondere wenn die Geschädigten in einem jungen bis mittleren Alter sind. Das Gericht wird daher wohl auch künftig einen weiträumigeren Preisvergleichs durch den Geschädigten selbst und ggf. auch im Internet für erforderlich halten, wobei im Einzelfall anders entschieden werden kann.
Da kein wirksamer Preisvergleich stattgefunden hat, war der angemessene Mietwagenpreis zum „Normaltarif“ zu schätzen. Grundsätzlich hat das Gericht die Höhe der angemessenen Mietwagenkosten gemäß § 287 ZPO im Nachhinein zu schätzen. Eine konkrete Feststellung der damals bestehenden Anmietmöglichkeiten ist im Nachhinein nicht mehr möglich. Insoweit wäre auch ein jetzt erholtes Sachverständigengutachten nicht mehr aussagekräftig, da jeweils nur die unmittelbaren Preise des einzelnen Tages abhängig von Situation und Uhrzeit ermittelt werden müssten.
Dem Gericht stehen hierfür derzeit sowohl die Schwacke-Listen als auch die Feststellungen des Frauenhofer Instituts als Schätzgrundlage zur Verfügung. Beide Schätzgrundlagen sind für sich mit Vor- und Nachteilen behaftet, wobei grundsätzlich davon auszugehen ist, dass keine der beiden Schätzgrundlagen im Wesentlichen zu konkreten und genauen Ergebnissen führt. Das Amtsgericht Nördlingen errechnet daher den Normaltarif auf der Grundlage der Schätzung des arithmetischen Mittels der Schwacke-Liste und des Fraunhofer-Markpreisspiegels, da dies nach derzeitigem Erkenntnisstand am ehesten geeignet erscheint, die in Rechtsprechung und Literatur im einzelnen aufgezeigten Mängel, die beiden Listen innewohnen, auszugleichen und so zu einem der tatsächlichen Anmietsituation eines „Normalkunden“ am ehesten vergleichbaren Ergebnis zu kommen.
Die konkrete Berechnung im vorliegenden Fall erfolgt unter Anwendung der für das Anmietungsjahr zeitnächsten Tabellen (2018 bzw. 2019), wobei für den anzuwendenden PLZ-Bereich der Anmietungsort maßgebend ist.
Zwischen den Parteien herrschte Einigkeit über die Anmietdauer von 21 Tagen. Das Gericht berechnete die Mietwagenkosten anhand der unstrittigen Anmietung eines Fahrzeugs der Klasse 8 anhand des Postleitzahlengebietes von 867.:
Insofern ergibt sich für eine 21-tägige Mietdauer folgende Berechnung:
Schwacke:
Wochenpauschale 942,13 €
3 Wochen betragen damit 2.826,39 €
Fraunhofer:
Wochenpauschale 385,25 €.
3 Wochen betragen damit 1.155,75 €
Gesamt =
2.826,39 EUR
Arithmetischer Mittelwert =
1.992,07 EUR
Hiervon muss sich der Kläger keinen Abzug für pauschale Eigenaufwendungen in Höhe von 10 % anrechnen lassen, da ein kein gleichwertiges Fahrzeug, sondern eine Kategorie darunter angemietet wurde. Allein maßgeblich ist die Mietwagenklasse. Diese wurde durch das Gericht auf der Klasse 9 festgesetzt. Ein Klasse 8 Fahrzeug wurde angemietet.
2. Haftungsreduzierung
Hinsichtlich der Haftungsbeschränkung ist hier darauf zu verweisen, dass in der Abrechnung der Fraunhofer-Liste 2013 die Werte für die Haftungsreduzierung mit einer typischen Selbstbeteiligung von zwischen 750 und 950 € bereits miteinbezogen sind. Bei der Ermittlung der Tarife an Hand von Schwacke ist ebenfalls ein Selbstbehalt von 500 € bereits eingepreist. Eine weitere Haftungsreduzierung auf 300 €, welche einer Vollkaskoversicherung entspricht, war vorliegend vereinbart und war auch zu bezahlen. Der BGH geht dabei grundsätzlich davon aus, dass eine Vollkaskoversicherung ersatzfähig ist. Dies insbesondere wenn das verunfallte Fahrzeug ebenfalls vollkasko versichert war. Aber auch wenn das Fahrzeug nicht vollkasko versichert war, kann sich eine Erforderlichkeit ergeben. Vorliegend war das verunfallte Fahrzeug jedoch vollkasko versichert. Eine solche beim Mietwagen stand dem Geschädigten daher zu. Die abgerechneten Kosten der Haftungsreduzierung waren mit 26 € pro Tag anzusetzen. Diesen Betrag hält die Schwackeliste im Mittel für angemessen. Hinzuzurechnen waren daher 546 €
3. Zusatzfahrer
Auch waren die Kosten für den Zusatzfahrer zu erstatten. Der Kläger gab an, dass sein Sohn mit dem Fahrzeug in den Urlaub fahren wollte. Zudem war die Tatsache des Zusatzfahrers unstreitig. Diese Kosten waren mit 10 € am Tag als angemessen zu Grunde zu legen und damit waren weitere 210 € zu erstatten.
4. Zustellung
Die Zustellungsgebühren in Höhe von 59,20 € waren nicht zu beanstanden. Eine Zustellung bzw. zwingende Abholung wäre bei Preisvergleich und Abholung in Augsburg oder Aalen ebenfalls angefallen. Diese Kosten waren daher ebenfalls hinzuzurechnen.
5. Zusammenfassung
Insgesamt ergeben sich damit Mietwagenkosten in Höhe von 2.807,27 €, welche nach Ansicht des Gerichts im vorliegenden Fall erforderlich waren. Hierauf bezahlte die Beklagte 1.835,05 €, so dass nunmehr 972,22 € zur Zahlung offen stehen.
II.
Die weiteren Rechtsanwaltsgebühren waren nicht geschuldet, da die Mehrforderung keinen Gebührensprung verursachten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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