Verkehrsrecht

Schadensersatz wegen Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld

Aktenzeichen  13 O 545/16

Datum:
16.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31510
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 115
SGB II § 7 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4a S. 1, § 19 Abs. 1 S. 3, § 31 Abs. 1
SGB X § 116
BGB § 404, § 412, § 823, § 842
StVG § 7, § 11

 

Leitsatz

1. Dem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten entsteht ein auf den Sozialversicherungsträger übergangsfähiger Erwerbsschaden, wenn er infolge des unfallbedingten Wegfalls seiner Erwerbsfähigkeit seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (hier in Gestalt von Kosten der Unterkunft) verliert (Anschluss an BGH BeckRS 2013, 12005). (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch ist, dass der Geschädigte zum Zeitpunkt des Unfalls erwerbsfähig ist und für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung steht (Anschluss an OLG Stuttgart BeckRS 2014, 1183). (Rn. 44 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Darlegungs- und Beweislast für die Erwerbsfähigkeit und damit die Anspruchsberechtigung trägt der Geschädigte bzw. der Sozialversicherungsträger/Zessionar (Anschlus an OLG Jena BeckRS 2012, 12085). (Rn. 48 – 50) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte zu 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig.
1.) Das Landgericht Coburg ist sowohl für die Klage gegen die ursprünglich in Anspruch genommene Beklagte zu 1) als auch für die zuletzt gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage sachlich und örtlich zuständig und damit zur Entscheidung berufen, §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG, §§ 12, 17 ZPO.
Die Beklagte zu 1) als AG hat als juristische Person (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AktG) ihren Sitz in Coburg und damit im Bezirk des erkennenden Gerichts.
Gleiches gilt für die Beklagte zu 2) als einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und damit als juristische Person (§ 15 VAG).
Im Übrigen ergibt sich die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts daneben nach rügeloser Einlassung der Beklagten auch aus § 39 Satz 1 ZPO.
2.) Der mit Schriftsatz vom 22.12.2016 (Bl. 39 f. d.A.) erfolgte gewillkürte Parteiwechsel auf Beklagtenseite ist zulässig.
Insbesondere war eine Einwilligung der alten Beklagten zu 1) hierfür nicht erforderlich, weil zum Zeitpunkt des Parteiwechsels noch nicht mündlich verhandelt worden war. Auch eine Zustimmung der neuen Beklagten zu 2) ist für den Erwerb der Parteirolle nicht erforderlich (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage 2020, § 263 Rn. 24).
In Folge des zulässigen Parteiwechsels scheidet die alte Beklagte zu 1) aus dem Rechtsstreit aus und die Klage richtet sich fortan nur gegen die neue Beklagte zu 2).
3.) Das für den mit dem Klageantrag zu Ziffer 2. erhobenen Feststellungsantrag erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) liegt vor.
a) Ein solches fehlt entgegen der Ansicht der Beklagten (vgl. Klageerwiderung vom 24.11.2016, Seite 3, Bl. 28 d.A.; Schriftsatz vom 09.01.2017, Seite 2, Bl. 45 d.A.) insbesondere nicht aufgrund der in den Schreiben vom 15.02.2016 und vom 19.02.2016 abgegebenen vorgerichtlichen Erklärungen der Beklagten zu 2).
Zwar nimmt ein titelersetzendes Anerkenntnis einer späteren Feststellungsklage das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Geigel/Bacher, Haftpflichtprozess, 28. Auflage 2020, Kapitel 37 Rn. 19), jedoch liegt hier ein solches gerade nicht vor.
Im Schreiben vom 15.02.2016 (Anlage B 1) wurde zwar ein Verjährungsverzicht erklärt, der „nicht über die Wirkung eines Feststellungsurteil hinaus“ gehen solle, nicht jedoch ein Anerkenntnis. Ein solches findet sich zwar im Schreiben vom 19.02.2016 (Anlage B 5), wobei dort jedoch nicht zum Ausdruck kommt, dass es sich dabei um ein solches mit der Wirkung eines Feststellungsurteils (titelersetzendes Anerkenntnis) handeln soll.
Eine ausreichend deutliche Erklärung der Beklagten zu 2) im Sinne eines titelersetzenden Anerkenntnisses liegt damit nicht vor (zur möglichen Formulierung vgl. Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 41. EL Mai 2020, L. Verjährung Rn. 48).
b) Im Ergebnis kommt es auf das Vorliegen des Feststellungsinteresses für den mit dem Klageantrag zu Ziffer 2. erhobenen Feststellungsantrag jedoch nicht entscheidungserheblich an.
Die Prüfung des Feststellungsinteresses kann nämlich dann als sinnwidrig unterbleiben, wenn die sachliche Unbegründetheit der Klage bereits klar auf der Hand liegt (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., Vor § 253 Rn. 10 m.w.N.). So liegt der Fall aber hier.
II.
Die Klage ist unbegründet.
1.) Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch auf Erstattung der für die Unterkunft ihres Geschädigten aufgewandten Kosten, wie im Klageantrag zu Ziffer 1. geltend gemacht, weil sie die zur Begründung des Anspruchs notwendige Erwerbsfähigkeit des Geschädigten zum Unfallzeitpunkt nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen hat.
a) Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind die Kosten der Unterkunft (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II), welche die Klägerin für den Geschädigten im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II erbrachte (vgl. Klageschrift vom 05.10.2016, Seite 6, Bl. 6 d.A.).
Zwar entsteht demjenigen ein übergangsfähiger Erwerbsschaden, der infolge des verletzungsbedingten Wegfalls seiner Erwerbsfähigkeit seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II aus § 19 SGB II verliert (vgl. BGH, VI ZR 128/12, Urteil vom 25.06.2013 – zitiert nach juris).
Voraussetzung für einen auf die Klägerin gemäß § 116 SGB X übergegangenen Schadensersatzanspruch des Geschädigten gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, §§ 7 Abs. 1, 11 StVG, §§ 823 Abs. 1, 842 BGB ist jedoch, dass der Geschädigte zum Zeitpunkt des Unfalls einen – zukünftigen – Anspruch auf Arbeitslosengeld II hatte, der durch den Unfall weggefallen ist (vgl. OLG Stuttgart, 9 U 179/12, Urteil vom 27.11.2013, Rn. 12 – zitiert nach juris).
Dieser Anspruch auf Arbeitslosengeld II entsteht aber nicht schon durch die bloße Tatsache der Hilfebedürftigkeit, sondern setzt voraus, dass der Betroffene erwerbsfähig ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) und für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung steht (vgl. § 7 Abs. 4 a Satz 1 SGB II, § 31 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB II), denn das Hauptziel des SGB II ist es, arbeitsfähige Arbeitslose wieder in das Erwerbsleben einzugliedern. Entscheidend ist, dass das SGB II die Leistungsberechtigung von der Erwerbsfähigkeit abhängig macht und dem Leistungsbezieher ein Vermögensnachteil entsteht, wenn er infolge des verletzungsbedingten Wegfalls seiner Erwerbsfähigkeit seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II verliert (vgl. BeckOGK/Eichelberger, BGB, Stand: 01.08.2020, § 842 Rn. 279.1).
Der Verlust des Anspruchs auf ALG II muss also auf der verletzungsbedingten Erwerbsunfähigkeit beruhen. Keinen Erwerbsschaden erleidet deshalb, wer im Zeitpunkt der Verletzung nicht (mehr) erwerbsfähig war und deshalb keinen (zukünftigen) Anspruch auf ALG II hatte (vgl. BeckOGK/Eichelberger, a.a.O., § 842 Rn. 280).
b) Diese für die Anspruchsbegründung notwendige bestehende Erwerbsfähigkeit des Geschädigten zum Unfallzeitpunkt (und damit deren verletzungsbedingter Wegfall als Folge des Unfalls) steht jedoch nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, § 286 Abs. 1 ZPO.
aa) Die Darlegungs- und Beweislast für die Erwerbsfähigkeit und damit die Anspruchsberechtigung im Verletzungszeitpunkt trägt dabei der Verletzte bzw. der Zesslonar des Anspruchs (vgl. BeckOGK/Eichelberger, a.a.O., § 842 Rn. 280; OLG Stuttgart, 9 U 179/12, Urteil vom 27.11.2013, Rn. 12, 14 – zitiert nach juris), hier also die Klägerin.
(1) Insbesondere der Umstand, dass die Klägerin hier aus gemäß § 116 SGB X übergegangenem Recht gegen die Beklagten vorgeht, bleibt ohne Einfluss auf die Beweislastverteilung. Auch in diesem Fall muss die Klägerin die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisen (vgl. OLG Stuttgart, 9 U 179/12, Urteil vom 27.11.2013, Rn. 14 – zitiert nach juris), wozu eben auch die Erwerbsfähigkeit ihres Versicherten gehört.
Die Anforderungen an Anspruchsgrund- und Schadensnachweis sind für den Rechte aus § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X herleitenden Sozialversicherungsträger nicht anders, insbesondere besser als für seinen Versicherungsnehmer, den unmittelbar Geschädigten. Der Aufwand des Sozialversicherungsträgers wird durch ein Haftpflichtgeschehen ausgelöst; er tritt nur infolge der Legalzession in die Rechte des unmittelbar verletzten Versicherungsnehmers ein. Es geht also dogmatisch nicht um Aufwendungsersatz. Der Sozialversicherungsträger macht vielmehr einen auf ihn übergegangenen Schadensersatzanspruch geltend. Hieraus folgt zwingend, dass ihn die gleiche Darlegungs- und Beweislast trifft wie – hätte er den Prozess selbst geführt – den Geschädigten (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, 4 U 661/11, Urteil vom 15.05.2012, Rn. 60 m.w.N. – zitiert nach juris).
(2) Auch die – hier aufgrund mangelnder Mitwirkung ihres Versicherten bei der Erstellung des Gutachtens – auf Klägerseite bestehenden Beweisschwierigkeiten rechtfertigen keine Abweichung von der vorgenannten Beweislastverteilung zu Lasten der Beklagten.
Denn auch der gebotene Schutz der Sozialversicherungsträger und deren anerkanntes Interesse an effektiven Rückgriffsmöglichkeiten rechtfertigen insoweit keine andere Beurteilung. Zwar hat der Gedanke, den Belangen der Sozialversicherungsträger Rechnung zu tragen, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Zeitpunkt des Anspruchsübergangs auf den Sozialversicherungsträger entscheidend beeinflusst. Der Gesetzgeber hat jedoch – ausgehend von dem Grundgedanken, dass die Rechtsposition des Schuldners durch einen Forderungsübergang nicht verschlechtert werden darf – in §§ 404, 412 BGB bestimmt, dass dem Schuldner die bestehenden Gegenrechte gegenüber dem Zessionar erhalten bleiben. Davon hat der Gesetzgeber für den Forderungsübergang nach § 116 SGB X keine Ausnahme vorgesehen. Den Gerichten ist es daher verwehrt, die Gesetzesanwendung nach dem Schutzbedürfnis der Sozialversicherungsträger auszurichten, selbst wenn sie dieses Schutzbedürfnis höher bewerten wollten als den Schutz des Schuldners (vgl. BGH, VI ZR 329/10, Urteil vom 24.04.2012, Rn. 21 – zitiert nach Juris – zur Frage der Verjährung).
Es gilt daher, dass es auch für die beklagte Haftpflichtversicherung für die Frage der Beweislastverteilung keinen Unterschied machen darf, ob sie vom Geschädigten selbst aus eigenem oder von einem Sozialversicherungsträger aus übergegangenem Recht in Anspruch genommen wird.
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 06.01.2020, Seite 1, Bl. 302 d.A.) erfolgt das Bestreiten der hier in Rede stehenden Anspruchsvoraussetzung in Form der Erwerbsfähigkeit des Geschädigten zum Unfallzeitpunkt durch die Beklagte auch nicht „ins Blaue hinein“.
Vielmehr bieten die zum Unfallzeitpunkt unstreitig bestehende Alkoholabhängigkeit des Geschädigten, seine Hepatitis-C-Erkrankung sowie die – auch nach dem letzten und damit maßgeblichen Sachvortrag der Klägerin selbst – stattgehabte Teilnahme des Geschädigten an einem Methadonprogramm aufgrund vorangegangener Drogenabhängigkeit ausreichend konkrete Anknüpfungspunkte für insoweit schlüssig vorgetragene Zweifel an der Erwerbsfähigkeit des Geschädigten. Dies wird auch gestützt durch die ebenfalls wechselnde Einlassung der Klägerin zu den vom Geschädigten vor dem Unfall ausgeübten Erwerbstätigkeiten (Tätigkeit als Montagehelfer auf einer Baustelle bis September 2011 mit Schriftsatz vom 27.01.2017, Seite 1, Bl. 52 d.A., einerseits; vollschichtige Tätigkeit in einem Metallverarbeitungsbetrieb im Gefängnis andererseits mit Schriftsatz vom 23.06.2017, Seite 1, Bl. 111 d.A.).
cc) Den damit der Klägerin obliegenden Beweis der behaupteten Erwerbsfähigkeit des Geschädigten zum Unfallzeitpunkt hat diese jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts führen können, § 286 Abs. 1 ZPO.
(1) In diesem Zusammenhang ist zunächst der oben geschilderte wechselnde Sachvortrag der Klägerin zu früheren Erwerbstätigkeiten des Geschädigten zu berücksichtigen (vgl. Teil II. 1. b) bb)).
Zwar hindert wechselnder Sachvortrag der Klägerseite nicht die notwendige Schlüssigkeit der Klage, weil für deren Beurteilung derjenige Sachvortrag zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist, jedoch ist ein solcher Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., Vor § 253 Rn. 23 m.w.N., § 286 Rn. 14).
(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann auch nicht aus den Angaben des Geschädigten im Rahmen seiner Zeugenvernehmung durch den ersuchten Richter am Amtsgericht T. am 02.06.2017 mit ausreichender Sicherheit auf eine dort zum maßgeblichen Unfallzeitpunkt bestehende Erwerbsfähigkeit geschlossen werden.
Zwar gab der Zeuge an, er habe im Jahr 2011 im Gefängnis in einem Metallverarbeitungsbetrieb gearbeitet. Er habe dort sowohl an einer Maschine gestanden als auch eine sitzende Tätigkeit ausgeübt. Die – leichteren – Tätigkeiten hätte er dabei in der Zeit zwischen 07:00 Uhr und 16:00 Uhr ausgeführt (vgl. Protokoll des Amtsgerichts Traunstein im Verfahren 311 AR 475/17 vom 02.06.2017, Bl. 103 ff. d.A.).
Allerdings bleiben Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen. Soweit der Zeuge vor dem Amtsgericht Traunstein weiter angab, er habe ein Methadonprogramm durchlaufen, welches im Jahr 2010 beendet gewesen sei und nach dessen Abschluss er sich gut gefühlt habe, steht diese Einlassung nämlich in Widerspruch zu den Angaben des Geschädigten vor dem Landgericht Traunstein im Rahmen informatorischer Anhörung als Kläger am 17.07.2015 im Verfahren 8 O 4028/14. Dort hatte er zwar ebenfalls angegeben, wegen einer früheren Drogenabhängigkeit in den letzten 10 Jahren vor dem Unfall im Methadonprogramm gewesen zu sein. Allerdings habe der Geschädigte am Unfalltag auch Methadon dabei gehabt und auch welches eingenommen (vgl. Protokoll des Landgerichts Traunstein im Verfahren 8 O 4028/14 vom 17.07.2015, Seite 5 – vorgelegt als Anlage von Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 27.06.2017). Damit liegen zur Frage der Beendigung des Methadonprogramms des Geschädigten zum Zeitpunkt des Unfalls widersprüchliche Angaben vor, die auch für die Frage seiner Erwerbsfähigkeit zu dieser Zeit von Bedeutung sind.
(3) Unabhängig von den vorgenannten Erwägungen bleibt die Frage der bestehenden Erwerbsfähigkeit des Geschädigten zum Unfallzeitpunkt insbesondere auch nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. … sowohl in dessen schriftlichem Gutachten vom 04.09.2019 (Bl. 249 ff. d.A.) als auch im Rahmen mündlicher Verhandlung vom 26.08.2020 (vgl. Protokoll vom 26.08.2020, Seiten 2 ff., Bl. 322 ff. d.A.) im Ergebnis ungeklärt.
Dies gilt danach sowohl für eine unterstellte Beendigung des Methadonprogramms des Geschädigten bereits im Jahr 2010 als auch für die unterstellte vollschichtige Tätigkeit des Geschädigten währen dessen Inhaftierung im Jahr 2011. Insbesondere aus dem letztgenannten Umstand kann nach den Angaben des Sachverständigen nicht auf eine bestehende Erwerbsfähigkeit geschlossen werden, weil es sich bei Tätigkeiten im Justizvollzug um Resozialisierungsmaßnahmen im geschützten Rahmen handelt, die einen sicheren Schluss auf die notwendige Konkurrenzfähigkeit des Betroffenen am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zulassen.
Selbst zum Vorliegen einer lediglich teilweisen Erwerbsfähigkeit des Geschädigten zum Unfallzeitpunkt konnte der Sachverständige keine sichere Aussage treffen.
Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. … waren von hoher Sachkompetenz getragen. Er legte dem Gericht die notwendigen Anknüpfungstatsachen umfassend dar und zog daraus für das Gericht nachvollziehbare und plausible Schlüsse. Das Gericht ist daher von der Richtigkeit seiner Schlussfolgerungen überzeugt.
Der Einzelrichter schließt sich daher den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. … vollumfänglich an.
dd) Nachdem somit einer bestehende vollständige oder teilweise Erwerbsfähigkeit des Geschädigten zum maßgeblichen Unfallzeitpunkt nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden konnte (§ 286 Abs. 1 ZPO), war zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin zu entscheiden.
2.) Auch der Feststellungsantrag zu Ziffer 2. der Klageschrift vom 05.10.2016 bleibt in der Sache erfolglos.
a) Gegenstand der Klage ist der Ersatzanspruch wegen des Verlustes des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II (vgl. Schriftsatz vom 10.03.2017, Seite 1, Bl. 79 d.A.) in Gestalt von Kosten der Unterkunft (vgl. Klageschrift vom 05.10.2016, Seite 6, Bl. 6 d.A.).
b) Voraussetzung für einen Anspruch auf Ersatz dieses klagegegenständlichen Anspruches ist jedoch in jedem Fall eine zum Unfallzeitpunkt bestehende Erwerbsfähigkeit des Geschädigten (§§ 19 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Hiervon ist jedoch nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht auszugehen (vgl. Teil II. 1. b)).
c) Anhaltpunkte für einen bestehenden Leistungsanspruch des Geschädigten unabhängig von dessen Erwerbsfähigkeit, etwa aufgrund Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft, § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II, finden sich im Sachvortrag der Parteien nicht.
III.
1.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Ober die außergerichtlichen Kosten der infolge Parteiwechsels ausgeschiedenen Beklagten zu 1) wurde bereits durch Beschluss vom 14.02.2017 (Bl. 59 d.A.) abschließend entschieden.
2.) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1, 2 ZPO.
Verkündet am 16.09.2020


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