Verkehrsrecht

Schädiger eines Kfz-Unfalls trägt bei Reparatur das „Werkstattrisiko“

Aktenzeichen  4 C 521/18

Datum:
25.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 51138
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Starnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249 Abs. 2 S. 1
StVG § 7, § 18,

 

Leitsatz

1. Wer gemäß §§ 7, 18 StVG i.V.m. StVO, §§ 823, 249 ff BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zum Ersatz des durch einen Unfall verursachten Schadens verpflichtet ist, muss dem Geschädigten grundsätzlich sämtliche Kosten erstatten, die diesem von einer Werkstatt in Rechnung gestellt werden. Der Unfallgeschädigte darf darauf vertrauen, dass die Werkstatt nicht betrügerisch Werkleistungen in Rechnung stellt, die gar nicht erbracht wurden. Die Möglichkeit, die Durchführung der Reparaturen selbst zu kontrollieren, hat der Geschädigten nur in besonderen Fällen. Der Schädiger trägt insoweit das Werkstattrisiko.  (Rn. 3 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat der Geschädigte von der reparierenden Autowerkstätte einen Werkstattersatzwagen angemietet, ist dies grundsätzlich anspruchskürzend zu berücksichtigen, da der Unterhalt insoweit für die Werkstatt günstiger ist. Insoweit ist gemäß § 287 ZPO eine Herabsetzung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten um 20 % vorzunehmen. (Rn. 7 – 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 304,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.04.2018 zu bezahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert für das Verfahren wird auf 304,48 € festgesetzt.

Gründe

Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die Beklagte ist unstreitig gemäß §§ 7, 18 StVG i.V.m. StVO, §§ 823, 249 ff BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zum Ersatz des durch den Unfall verursachten Schadens verpflichtet.
1. Restliche Reparaturkosten in Höhe von 66.48 € Brutto.
Der erforderliche Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erfasst nach Ansicht des Gerichts auch die berechneten Entsorgungskosten in Höhe von brutto 66,48 €. Maßgeblich ist der Aufwand, der vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheint; dabei ist auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeit des Geschädigten abzustellen (vgl. BGH vom 15.09.2015, Aktenzeichen VI ZR 475/14). Solange dem Geschädigten nicht ausnahmsweise bezüglich der beauftragten Werkstatt ein Auswahlverschulden zur Last fällt, sind ihm die Kosten zu erstatten, die er nach erfolgter Reparatur auf Grund der gestellten Werkstattrechnung annehmen darf, dass es diese als Auftraggeber schuldet.
Der Unfallgeschädigte darf insoweit darauf vertrauen, dass die Werkstatt nicht betrügerisch Werkleistungen in Rechnung stellt, die gar nicht erbracht wurden. Die Möglichkeit, die Durchführung der Reparaturen selbst zu kontrollieren, hat der Geschädigten nur in besonderen Fällen (vgl. OLG Karlsruhe vom 22.12.2015, Az 14 U 63/15).
Das Gericht sieht es insoweit als unerheblich an, ob der Geschädigte die Werkstattrechnung bereits bezahlt hat oder nicht. Gerade dieser Fall wurde in der beklagtenseits zitierten Entscheidung des OLG Karlsruhe nicht entschieden, vielmehr offengelassen.
Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden der Werkstätte bzw. betrügerische Werkleistungen bei dem Rechnungsposten „Entsorgungskosten“ sind nicht ersichtlich. Da insoweit die Beklagte das Werkstattrisiko als Schädigende trägt, sind die berechneten Reparaturkosten voll umfänglich zu ersetzen.
2. Restliche Mietwagenkosten in Höhe von 238.- €.
Der Kläger hat von der reparierenden Autowerkstätte ein Fahrzeug angemietet, wobei davon auszugehen ist, dass es sich insoweit um einen Werkstattersatzwagen, kein Selbstfahrervermietfahrzeug handelt.
Ist das von einer Reparaturwerkstatt überlassene Ersatzfahrzeug nicht als Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassen, ist dies grundsätzlich anspruchskürzend zu berücksichtigen (vgl. Jahnke in Burmann/Hess/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, § 249 RdZiffer 221 a). Der Unterhalt ist insoweit für die Werkstatt günstiger, da ein Mietfahrzeug bei der Zulassung als Selbstfahrervermietfahrzeug einmal jährlich zur Hauptuntersuchung muss und wegen der Vielzahl an unbestimmten Benutzern die Versicherungsprämien höher sind. Auch wirkt sich beim Selbstfahrervermietfahrzeug die Tatsache der Benutzung durch viele unterschiedliche Fahrer negativ auf den Verkaufspreis aus (vgl. insoweit AG Augsburg vom 11.12.2017, Az: 73 C 4023/17).
Insoweit ist gemäß § 287 ZPO eine Herabsetzung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten um 20 % vorzunehmen (vgl. AG München vom 24.07.2017, Az 343 C 5987/17, Jahnke, a.a.O. RdZiffer 221 a).
Als Schätzgrundlage für die erstattungsfähigen Mietwagenkosten zieht das Gericht sowohl die Schwacke-Mietpreisliste als auch die Markterhebung des Frauenhofer-Instituts heran und bildet hieraus einen Mittelwert. Auch wenn beide Erhebungen unterschiedlichen Kritikproblematiken ausgesetzt sind, steht keine objektivere Schätzgrundlage zur Verfügung und könnte selbst durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, das zwangsläufig auf beide Erhebung zurückgreifen müsste, nicht entscheidend verobjektiviert werden. Zum Ausgleich der Differenzen wird daher zweckmäßigerweise der Mittelwert aus beiden Erhebungen gebildet.
In der maßgeblichen Gruppe 8 ergibt sich für 5 Tage ein Mittelwert aus beiden Erhebungen für die maßgebliche PLZ-Region von 630,46 € (Schwackeliste: 745,- €, Frauenhofer Instituterhebung: 516,27 €).
Von diesen Mietwagenkosten ist ein Abschlag von 3 % für ersparte Eigenkosten vorzunehmen. Nach den überzeugenden Ausführungen des OLG Nürnberg in DAR 2000, 527 beschränkt sich der Eigenersparnisanteil, zu deren Berechnung alleine die variablen Kostenbestandteile heranzuziehen sind, nämlich den fahrleistungsabhängigen Wertverlust, die Kosten für Reparatur, Wartung und Reifen, die Kosten für Reinigung und Pflege sowie die Ölnachfüllkosten auf 3 % der Mietwagenkosten.
Es ergibt sich hieraus ein Betrag von 611,72 €.
Bei Herabsetzung dieser Mietwagenkosten um 20 % ergibt sich somit ein erstattungsfähiger Betrag für das streitgegenständliche Werkstattfahrzeug von 489,37 €. Da die Reparaturwerkstätte ohnehin lediglich 357,- € Mietwagenkosten berechnet hat, sind unter Berücksichtigung der erfolgten Teilregulierung die noch streitgegenständlichen 238,- € zu bezahlen.
Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen besteht gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.


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