Verkehrsrecht

Umfang der Darlegung bei fiktiver Abrechnung – Vorlage der Reparaturrechnung

Aktenzeichen  33 O 1010/19

Datum:
30.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 35380
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Kempten
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 7 Abs. 2, § 17 Abs. 1, Abs. 2, § 18 Abs. 3

 

Leitsatz

Rechnet der Kläger den Schaden fiktiv ab, obgleich er ihn tatsächlich hat beheben lassen, ist er, wenn die Schadenshöhe bestritten wird, darlegungsbelastet und muss die Reparaturrechnung vorlegen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 3.539,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5% – Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.10.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 413,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5% – Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.07.2019 zu zahlen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 31%, der Kläger 69%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.
5. Der Streitwert wird auf 11.433,78 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
I.
Das Schadensereignis wurde nicht durch höhere Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG verursacht.
II.
Die Haftungsabwägung gem. §§ 17 Abs. 1 und 2, 18 Abs. 3 StVG führt zu dem Ergebnis, dass die Beklagten als Gesamtschuldner mit einer Quote von 50% haften.
1. Gemäß § 17 Abs. 1 StVG hängt im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu greifenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgeblichen Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deshalb außer Betracht zu bleiben.
2. Die von den Parteien behaupteten Verkehrsverstöße der Gegenseite konnten zur Überzeugung des Gerichts trotz umfassender Beweisaufnahme nicht nachgewiesen werden.
Nach den unangegriffenen Feststellungen des unfallanalytischen Sachverständigengutachtens ist der Unfallhergang nicht aufklärbar. So führt der Sachverständige aus, dass nicht rekonstruiert werden kann, welcher der beiden Beteiligten das unfallauslösende Lenkmanöver vornahm oder ob beide Fahrzeugführer zum Kollisionszeitpunkt ihr Fahrzeug in Richtung des jeweils anderen Fahrzeugs lenkten. Auch ist nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht rekonstruierbar in welchem Bereich genau die Kollision stattfand.
An den Fachkenntnissen des Sachverständigen, der seit vielen Jahren als anerkannter Sachverständiger mit überaus großer unfallanalytischer Sachkunde für das örtliche Gericht tätig ist, bestehen keine Zweifel. Auch das in diesem Verfahren vorgelegte Gutachten ist überzeugend. Die Fahrbewegungen der beteiligten Fahrzeuge werden im Einzelnen geschildert. Wie der Sachverständige zu seinen Feststellungen gelangt ist, wurde im schriftlichen Gutachten nachvollziehbar und überzeugend dargelegt.
Auch die Informatorische Anhörung des Beklagten zu 3) sowie die Vernehmung der Zeugin führte nicht zur Überzeugung des Gerichtes bezüglich eines Verkehrsverstoßes einer der beiden Parteien. Beide schilderten weitgehend den bereits dargelegten Parteivortrag, welcher jeweils einen Verkehrsverstoß der anderen Partei begründen würde. Jedoch unterschieden sich die Aussagen in der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit nicht. Insbesondere ist die Zeugin Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs, also keine unbeteiligte Zeugin, sodass auch dieses Kriterium das Gewicht der Aussage nicht zugunsten der Klagepartei verschiebt.
3. Damit bleibt es allein bei der Haftung der Beteiligten für die Betriebsgefahr der Fahrzeuge, die vorliegend gleich hoch anzusetzen ist.
III.
Hinsichtlich der Schadenshöhe wurde von Beklagtenseite bestritten, dass Reparaturkosten angefallen sind, die über 5.000,00 € hinausgehen. Die Klagepartei hat lediglich bestritten, dass nur Reparaturkosten in Höhe von 5.000,00 € angefallen sind und rechnet weiterhin auf Gutachtenbasis Reparaturkosten in Höhe von 9.355,78 € ab, trägt jedoch gleichzeitig vor, dass das Fahrzeug bereits repariert wurde. Die Klagepartei ist für den eingetretenen Schaden darlegungs- und beweisbelastet. Einen solchen Beweis hat die Klagepartei nicht erbracht. Es wurde keine Reparaturrechnung vorgelegt, welche höhere Kosten ausweist, obwohl die Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 02.12.2019 darauf hingewiesen hat, dass das Bestreiten der Klageseite nicht genügt und die Klagepartei darlegungs – und beweisbelastet ist. Ein zusätzlicher gerichtlicher Hinweis war daher nicht erforderlich.
Damit gilt als zugestanden, dass lediglich Reparaturkosten in Höhe von 5.000,00 € angefallen sind und daher lediglich ein Gesamtschaden in Höhe von 7.078,00 € besteht.
Bei einer Haftungsquote von 50% besteht daher ein Schadensersatzanspruch der Klageseite in Höhe von 3.539,00 €.
Ein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten bei einer 1,3 Geschäftsgebühr, nebst Umsatzsteuer und Auslagenpauschale besteht aus dieser Summe lediglich in Höhe von 413,64 €.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte nach § 3 ZPO.


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