Verkehrsrecht

Umfang der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten im Zusammenhang mit der Beratung über ein Restwertangebot

Aktenzeichen  1 C 3361/16

Datum:
21.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 118626
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Erding
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249 Abs. 1

 

Leitsatz

Der bei einem Verkehrsunfall Geschädigte kann vom Schädiger Ersatz der ihm hierfür entstandenen Anwaltskosten, berechnet aus dem vollen Wiederbeschaffungswert ohne Abzug eines Restwertes, verlangen, wenn er von seinem Anwalt auch darüber beraten worden ist, ob er das von der Haftpflichtversicherung überreichte Restwertangebot annehmen muss oder nicht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 386,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.11.2016 zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 386,75 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als vollumfänglich begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nach Regulierung des Verkehrsunfalls vom 03.08.2016 aus einem Geschäftswert von 10.617,08 €. Hierbei war zugrunde zu legen der Wiederbeschaffungswert netto, da das zerstörte Fahrzeug unstreitig differenzbesteuert ist, in Höhe von 9.682,92 €, zuzüglich Sachverständigenkosten i.H.v. 904,16 € und Unkostenpauschale 30,– €. Es ist somit von berechtigten Rechtsanwaltsgebühren (1,3) in Höhe von 958,19 € abzüglich bereits bezahlter 571,44 € auszugehen.
Nach der Regelung des § 249 Abs. 1 BGB ist der Geschädigte so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte. Dabei sind auch die Kosten erstattungsfähig, die durch die Geltendmachung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs verursacht wurden (Palandt, Grüneberg, BGB, 76. Aufl. § 249 Rn. 56). Bei der Bemessung des Erstattungsanspruchs ist hinsichtlich der entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Gegenstandswert anzusetzen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (Palandt a.a.O., Rn. 57).
Hinsichtlich des Gegenstandswerts für die außergerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist der Wiederbeschaffungswert ohne Abzug des Restwertes festzusetzen (so auch AG Ahlen, Urt. v. 07.05.2013 – 30 c 103/12, BeckRS 2013, 12024; Janeczek, Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Aufl. Kap. IX. Rn. 29; AG Wesel, Urt. v. 25.03.2011 – 27 c 230/10, juris; a.A. AG Koblenz, a.a.O., AG Dinslaken, Urt. v. 16.06.2014 – 32 c 117/14, juris; AG Norderstedt Urt. v. 15.9.2015 – 47 C 118/15, BeckRS 2015, 15938, beck-online). Der Wiederbeschaffungswert spiegelt die Schadenshöhe für den Geschädigten im Unfallzeitpunkt wieder, sofern er wie hier geringer ist als Reparaturkosten plus Wertminderung. Es ist auch Aufgabe des beratenden Rechtsanwalts diese Werte im Rahmen der 130 %-Rechtsprechung zu vergleichen.
Bei der korrekten Entscheidung zur Abrechnung auf Totalschadenbasis ist Ziel des Geschädigten die Erlagung des vollständigen Wiederbeschaffungswertes, um so in der Lage zu einer Ersatzbeschaffung im Sinne einer vollständigen Naturalrestitution zu sein. Die Verwertung des verunfallten Fahrzeugs ist in diesem Falle Aufgabe des Schädigers oder dessen Versicherung, bzw. erfolgt durch den Geschädigten in dessen Interesse.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dieser Auffassung auch nicht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7.11.2007 (VIII ZR 341/06) entgegen. Die dortige Entscheidung bezieht sich gerade nicht auf die Regulierung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Folge eines Verkehrsunfalls, sondern in einer Mietsache.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Vorläufige Vollstreckbarkeit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Nach übereinstimmenden Antrag der Parteien war gem. § 511 Abs. 4 Ziff. 1 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung die Berufung zuzulassen.


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