Verkehrsrecht

Verkehrsunfall – Verdienstausfall eines Selbständigen und Schmerzensgeld

Aktenzeichen  10 U 1905/17

Datum:
12.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 27826
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 252 S. 2, § 253 Abs. 2, § 398
StVG § 11 S. 2
ZPO § 265 Abs. 2 S. 1, § 287, § 829, § 835, § 836

 

Leitsatz

1 Bei selbständig Tätigen bedarf es zur Beantwortung der Frage, ob diese einen Verdienstausfallschaden erlitten haben, der Prüfung, wie sich das von ihnen betriebene Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte (Anschluss BGH BeckRS 2001, 2589). Ihr Verdienstausfall lässt sich dabei in der Regel nur nach § 252 S. 2 BGB, § 287 ZPO ermitteln (vgl. KG BeckRS 2002, 30291296). (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach § 252 S. 2 BGB muss der Geschädigte die Umstände darlegen und ggf. beweisen, aus denen er nach dem gewöhnlichen Lauf oder nach den besonderen Umständen des Falles seine Gewinnerwartung herleitet. Stehen diese Tatsachen fest, so genügt es, wenn der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte; Tatsachen, die selbst zum gewöhnlichen Lauf der Dinge gehören, brauchen dabei nicht bewiesen zu werden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei der Schmerzensgeldbemessung können die von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen gewährten Beträge unter anderem dann über- oder unterschritten werden, wenn dies durch veränderte allgemeine Wertvorstellungen oder die wirtschaftliche Entwicklung gerechtfertigt ist (vgl. BGH BeckRS 2009, 20627). Danach ist etwa zu beachten, dass die Rechtsprechung bei gravierenden Verletzungen deutlich großzügiger verfährt als früher (Fortführung OLG München BeckRS 2010, 20532). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4 Wird eine streitbefangene Forderung rechtsgeschäftlich oder im Wege der Zwangsvollstreckung an einen Dritten übertragen, so behält der Rechtsvorgänger nach § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO zwar seine Prozessführungsbefugnis, muss aber wegen der veränderten materiellen Rechtslage Leistung an den Rechtsnachfolger verlangen. Erfolgt keine entsprechende Umstellung des Klageantrags, so ist die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation unbegründet (Anschluss BGH BeckRS 9998, 100278). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
5 Wird aus einer Forderungsmehrheit ein Teilbetrag abgetreten oder im Rahmen der Zwangsvollstreckung gepfändet und überwiesen, ohne dass in der Abtretungserklärung bzw. im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss klargestellt wird, auf welche Teilforderungen sich der abgetretene bzw. gepfändete Betrag bezieht, so ist die Abtretung bzw. Pfändung mangels Bestimmbarkeit unwirksam. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

41 O 15377/05 2017-05-02 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers vom 06.06.2017 und die Anschlussberufung der Beklagten vom 17.09.2018 gegen das Endurteil des LG München I vom 02.05.2017 (Az. 41 O 15377/05) werden zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 78% und die Beklagte 22%.
3. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts sowie dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Gegner jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

B.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Auch die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Anschlussberufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
Das Landgericht hat zu Recht den geltend gemachten Anspruch auf Verdienstausfall verneint, weil der Sachverständige auf Grund der vorgelegten Unterlagen einen konkreten Schaden nicht berechnen konnte und auch ein Mindestschaden nicht geschätzt werden kann.
1. Da der Kläger keine Einwände gegen die Tatsachenfeststellungen erhebt, ist der Senat nach § 529 I Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden.
2. Zu Recht hat das Landgericht den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ersatz von entgangenem Gewinn (in Höhe von 180.000,00 € nebst Zinsen) abgewiesen.
Der Kläger konnte einen Verdienstausfallschaden nicht überzeugend darstellen, so dass eine Schätzung eines jährlich entgangenen Verdienstausfallschadens, wie vom Kläger behauptet, mangels ausreichender Schätzgrundlagen nicht möglich ist (§§ 252 BGB, 287 ZPO).
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH bedarf es bei selbständig Tätigen zur Beantwortung der Frage, ob diese einen Verdienstausfallschaden erlitten haben, der Prüfung, wie sich das von ihnen betriebene Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte (BGH, Urteile vom 31.03.1992 – VI ZR 143/91 = VersR 1992, 973; vom 06.07.1993 – VI ZR 228/92 = VersR 1993, 1284 [1285]; vom 10.12.1996 – VI ZR 268/95 = VersR 1997, 453 [454]; vom 03.03.1998 – VI ZR 385/96 = VersR 1998, 772 [773]; vom 06.02.2001 – VI ZR 339/99 = NJW 2001, 1640 [1641]).
Ein Verdienstausfall lässt sich bei Selbstständigen und Freiberuflichen i.d.R. nur nach §§ 252 S. 2 BGB, 287 ZPO ermitteln (vgl. KG KGR 2003, 84 f.). Sowohl § 252 S. 2 BGB als auch § 287 ZPO, der auf die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität angewandt wird (BGH NJW 1987, 705), gewähren eine Beweiserleichterung gegenüber dem allgemeinen Grundsatz, wonach für die Entstehung des Schadens der volle Beweis erforderlich ist. Nach § 252 S. 2 BGB muss der Geschädigte die Umstände darlegen und ggf. beweisen, aus denen er nach dem gewöhnlichen Verlauf oder nach den besonderen Umständen des Falles seine Gewinnerwartung herleitet. Stehen diese Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts fest, so genügt es, wenn der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (BGHZ 29, 393 [398]; BGH WM 1986, 622 [623]; NZV 2001, 210 [211]), wobei solche Tatsachen, die selbst zum gewöhnlichen Lauf der Dinge gehören, nicht bewiesen zu werden brauchen (BGH NJW 1968, 661 [663]). Welche Tatsachen zum gewöhnlichen Lauf der Dinge gehören und welche Tatsachen so wesentlich sind, dass sie vom Kläger dargelegt und ggf. bewiesen werden müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und lässt sich daher nicht ein für alle Mal festlegen (BGHZ 54, 45 [56]). Es dürfen jedoch keine allzu strengen Anforderungen an das gestellt werden, was der Kläger vorbringen muss, um das Gericht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zu veranlassen (BGHZ 54, 45 [56]; 100, 50; NJW 2005, 3348 [3349]; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 252 BGB Rz. 5).
Genaue Tatsachen, die zwingend auf das Bestehen und den Umfang eines Schadens schließen lassen, braucht er nicht anzugeben (BGH VersR 1968, 888), denn §§ 252 S. 2 BGB, 287 ZPO mindern auch die Substantiierungslast (BGH VersR 1968, 888 f.; BAG NJW 1972, 1437 [1438]; KG VersR 2006, 794). An sie dürfen nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie bei anderen Forderungen. Es genügt, wenn der Kläger hinreichend Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO liefert (BGH NJW 1988, 3017; 1993, 2673; 1998, 1633 [1635]; 2005, 3348]; KG VersR 2006, 794). Steht fest, dass ein der Höhe nach nicht bestimmbarer, aber erheblicher Schaden entstanden ist, ergibt sich i.d.R. aus den Umständen eine hinreichende Grundlage für die Schätzung eines Mindestschadens (BGH NJW-RR 1996, 1077). Wenn es für das freie Ermessen nicht an allen Unterlagen fehlt, muss das Gericht nötigenfalls nach freiem Ermessen entscheiden, ob ein Schaden entstanden ist und in welcher Höhe. Dabei kann und darf das Gericht auch solche Umstände berücksichtigen, die ihm sonst bekannt geworden sind, ohne dass es einer Verhandlung darüber oder einer etwaigen Befragung der Parteien nach § 139 ZPO bedarf (BGHZ 29, 393 [400]; BGH VersR 1960, 786 [788]). Die erleichterte Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 287 Abs. 1 ZPO lässt aber eine völlig abstrakte Berechnung eines Erwerbsschadens in Form der Schätzung eines „Mindestschadens“ nicht zu (vgl. BGH NJW 2004, 1945; BGHZ 54, 45, 53 ff.; BGH, Urteile vom 22.12.1987 – VI ZR 6/87 = VersR 1988, 466 [467]; vom 15.03.1988 – VI ZR 81/87 = VersR 1988, 837; vom 16.10.1990 – VI ZR 275/89 = VersR 1991, 179; vom 06.07.1993 – VI ZR 228/92 = a.a.O.; vom 17.01.1995 – VI ZR 62/94 = VersR 1995, 422 [424]; vom 24.01.1995 – VI ZR 354/93 = VersR 1995, 469 [470]). § 287 ZPO entbindet nicht vollständig von der grundsätzlichen Beweislastverteilung und erlaubt es nicht, zugunsten des Beweispflichtigen einen bestimmten Schadensverlauf zu bejahen, wenn nach den festgestellten Einzeltatsachen „alles offen“ bleibt oder sich gar eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Gegenteil ergibt (so BGH VersR 1970, 924 [927]; Senat, Urt. v. 27.01.2006 – 10 U 4904/05 = NZV 2006, 261 [262]; v. 07.07.2006 – 10 U 2270/06 [Juris]; v. 28.07.2006 – 10 U 1684/06 [Juris]; v. 15.09.2006 – 10 U 3622/99 = r+s 2006, 474 = NJW-Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Heß/Burmann).
b) Zu Recht ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall noch nicht einmal ein Mindestschaden geschätzt werden kann.
Allein die Tatsache, dass der Kläger vor dem Unfall jahrelang seine Familie ernährt hat (vgl. Berufungsbegründung S. 4 oben), lässt nicht den zwingenden Schluss zu, dass er diesen Unterhalt aus entgangenem Gewinn seiner selbständigen Tätigkeit als Finanzdienstleister erwirtschaftet hat. Der Kläger konnte diese Beträge aus einer Vielzahl anderer Einkunftsquellen beziehen, etwa den Zuwendungen Dritter, Einkünfte aus Immobilienvermögen, Darlehen, etc.
Wie oben dargestellt, musste der Kläger ausreichend Unterlagen vorlegen, die es dem Gericht, wie hier zu Recht unter Zuhilfenahme eines Sachverständigengutachtens ermöglichen, den klägerischen Schaden – wenn auch nur mindestens – zu schätzen.
Hier hat nun das vom Landgericht erholte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L., dessen Richtigkeit der Kläger auch in der Berufung nicht angreift, unzweifelhaft ergeben, dass auf der Basis der in der Verfahrensakte – vom Kläger vorgelegten – Unterlagen keine ausreichend fundierte Schätzung des klägerischen Verdienstausfallschadens möglich ist (vgl. S. 26 des Gutachtens vom 30.01.2017, Bl. 465 d.A.).
Der Kläger verkennt den Begriff des Mindestschadens, wenn er nun meint, dieser Mindestschaden müsse nicht fundiert ermittelt werden, bei dessen Berechnung könne zugunsten des Klägers alles das unterstellt werden, was zur Schätzung erforderlich ist (vgl. hierzu S. 28 GA a.a.O.).
Dementsprechend reicht es gerade nicht aus, bloß vorzutragen, aus der Zeugenaussage H. würde sich ergeben, ein durchschnittlicher Mitarbeiter (der L. Bausparkasse) erhalte „im Monat etwa 3.500,00 €“ an Provisionen (vgl. S. 6 der Berufungsbegründung). Denn zum einen errechnet sich der entgangene Gewinn aus der Differenz der Einnahmen und Ausgaben. Zum anderen hat der Kläger zwar dargelegt (Berufungsbegründung a.a.O.), dass er bei der W. AG (einer anderen Bausparkasse) in den Jahren 1999 bis 2001 über Provisionseinnahmen von monatlich durchschnittlich 5.112,28 € verfügt hat. Provisionen können aber nicht einem zu erwartenden Gewinn gleichgestellt werden und der Sachverständige hat in seinem Gutachten Provisionen in der vom Kläger vorgestellten Größenordnung berücksichtigt (GA S. 21 = Bl. 460 d.A.) und ausgeführt, dass im Hinblick auf die steuerlich veranlagten Einkünfte die vom Kläger in Ansatz gebrachten Kosten nicht nachvollzogen werden können und die Frage offen bleibt, inwieweit zur Generierung der Einnahmen im Bereich Finanzdienstleistungen Untervermittler herangezogen wurden, worauf auch der Zeuge H. hinwies (Protokoll v. 22.02.20111, S. 3 = Bl. 290 d.A.); auch wurden für die HMV GbR mbH im Kalenderjahr 2002 bis zum Eintritt des schädigenden Ereignisses keinerlei Einkünfte in den Steuerbescheiden ausgewiesen und über diese Firma übte der Kläger seinen Angaben nach auch den An- und Verkauf von Trikes sowie deren Reparatur aus.
Der Sachverständige Prof. Dr. L. hat in seinem Gutachten überzeugend detailliert dargelegt, weshalb sich aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen (und nur auf diese bezieht sich der Kläger erneut auch in der Berufungsbegründung, vgl. dort S. 4) gerade nicht ermitteln lässt, ob der Kläger aus den diversen Einkünften tatsächlich auch einen Gewinn erwirtschaftet hat. Angesichts von Stornoquoten, Fahrtkosten, Bürokosten, Fortbildungskosten, Kosten zur Büroausstattung etc. kann nicht wie bei einem unselbständig Beschäftigten der Zufluss von Beträgen mit einem Gewinn gleichgesetzt werden. Während beim abhängig Beschäftigten die zur Erzielung des Einkommens selbst aufgewendeten Beträge regelmäßig auf ca. 5 – 10% des Verdiensts beschränkt werden können (weil regelmäßig der Arbeitgeber die oben genannten Kosten übernimmt), muss der Selbständige dies selbst erwirtschaften.
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ergibt sich aus dem Gutachten Prof. Dr. L. daher gerade nicht, dass schon ein gewisser Mindestgewinn festgestellt werden kann, er nur nicht genau zu berechnen sei. Hier ist ein Gewinn aus den vorgelegten Unterlagen überhaupt nicht festzustellen. In so einem Fall kann und darf nicht unter Ausblendung der unbekannten, für eine Schätzung aber notwendigen Tatsachen zugunsten des Anspruchstellers ein Mindestschaden unterstellt werden, der von seinen Grundlagen her völlig „aus der Luft gegriffen wäre“ (vgl. BGH a.a.O.). Unklar blieb weiter, inwieweit in den steuerlich veranlagten Einkünften aus Gewerbebetrieb einmalige und außerordentliche Erträge enthalten sind, die bei einer Verdienstausfallschadensschätzung zu eliminieren sind und warum im Jahr 2002 bis zum Eintritt des schädigenden Ereignisses die veranlagten Erträge der Fa. RMH außerordentlich rückläufig waren (GA S. 19, 27 = Bl. 458, 466 d.A.), inwieweit Stornoreserven enthalten waren, weshalb insgesamt ein Mindestschaden nicht geschätzt werden konnte.
II.
Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 45.000 zuerkannt und dem Kläger über die vorprozessuale Zahlung hinaus weitere 25.000 € zugesprochen. Die Anschlussberufung bleibt ohne Erfolg.
1. Die Anschlussberufung hat schon keinen Fehler des Ersturteils in Form der nicht vollständigen oder nicht richtigen Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände oder der greifbar fehlerhaften Bewertung des Schmerzensgelds aufgezeigt. Der Senat ist im Übrigen aufgrund eigenständiger Überprüfung (vgl. dazu BGH NJW 2006, 1589 ff.; Senat, Urt. v. 30.7.2010 – 10 U 2930/10 [juris]) der Ansicht, dass das zugesprochene Schmerzensgeld angemessen ist.
a) Die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss (BGH VersR 1976, 440; 1980, 975; 1988, 299; OLG Hamm zfs 2005, 122 [123]; Senat in st. Rspr., u. a. Urt. v. 29.10.2010 – 10 U 3249/10 [juris]). Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt (grdl. BGH – GSZ – BGHZ 18, 149 ff.; ferner BGH NJW 2006, 1068 [1069]; OLG Hamm zfs 2005, 122 [123]; Senat in st. Rspr., u. a. Urt. v. 29.10.2010 – 10 U 3249/10 [juris]). Besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen zu (OLG Hamm zfs 2005, 122 [123]); OLG Brandenburg, Urt. v. 8.3.2007 – 12 U 154/06 [juris]; Senat in st. Rspr., u. a. Urt. v. 29.10.2010 – 10 U 3249/10 [juris]).
b) Soweit die Berufungsführerin ihr Herabsetzungsverlangen nur mit Hinweisen auf vergleichbare Fälle begründet, ist dies nicht zielführend. §§ 253 II BGB, 11 S. 2 StVG sprechen von „billiger Entschädigung in Geld“. Da es eine absolut angemessene Entschädigung für nichtvermögensrechtliche Nachteile nicht gibt, weil diese nicht in Geld messbar sind (BGH – GSZ – BGHZ 18, 149 [156, 164]; OLG Hamm zfs 2005, 122 [123]; Senat in st. Rspr., u. a. Urt. v. 29.10.2010 – 10 U 3249/10 [juris]), unterliegt der Tatrichter bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung von Gesetzes wegen keinen betragsmäßigen Beschränkungen (BGH VersR 1976, 967 [968 unter II 1]; Senat, a.a.O.). Die in den Schmerzensgeldtabellen erfassten „Vergleichsfälle“ bilden nur „in der Regel den Ausgangspunkt für die tatrichterlichen Erwägungen zur Schmerzensgeldbemessung“ (BGH VersR 1970, 134; 1970, 281 [dort betont der BGH weiter: „Inwieweit alsdann der Tatrichter die früheren Maßstäbe einhält oder – sei es unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung, sei es im Zuge einer behutsamen Fortentwicklung der Rechtsprechung – überschreitet, liegt wiederum in seinem pflichtgemäßen, in der Revisionsinstanz nicht nachprüfbaren Ermessen.“]). Sie sind nur im Rahmen des zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen (BGH VersR 1961, 460 [461]; 1964, 842 (843); 1967, 256 [257]; OLG Köln VersR 1978, 650 [„nur geringer Erkenntniswert“]; OLG Saarbrücken zfs 1999, 101; OLG Hamm NJW 2000, 3219 und zfs 2005, 122 [123]); OLG Karlsruhe VersR 2001, 1175; OLG Koblenz, Urt. v. 27.10.2003 – 12 U 714/02; OLG München [1. ZS], Beschluss vom 26.8.2005 – 1 W 2282/05 [juris]; OLGR 2006, 92; Senat in st. Rspr., u. a. Urt. v. 29.6.2007 – 10 U 4379/01 [juris]). Sie sind aber keine verbindliche Präjudizien (BGH VersR 1970, 134; Senat, a.a.O.). Deshalb können aus der Existenz bestimmter ausgeurteilter Schmerzensgeldbeträge keine unmittelbaren Folgerungen abgeleitet werden (Senat in st. Rspr., u. a. Urt. v. 13.8.2010 – 10 U 3928/09 [juris]; OLG Hamm zfs 2005, 122 [124]). Verweise auf solche Vergleichsfälle ohne umfassende Herausarbeitung der Fallähnlichkeit, die neben den Verletzungen weitere Variable, nämlich Geschlecht, Alter, Beruf, Vorschädigung, Empfindlichkeit, Einkommen und Vermögensverhältnisse des Geschädigten, sowie Verschulden, Einkommen, Vermögensverhältnisse und Versicherung des Schädigers zu berücksichtigen hat (Berger VersR 1977, 877 [878 unter II 3]), sind also nicht weiterführend. Weiter muss die Entstehungszeit der herangezogenen Vergleichsfälle beachtet werden. Der BGH hat bereits in VersR 1976, 967 (968) betont, dass das erkennende Gericht grundsätzlich nicht gehindert sei, die von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen bisher gewährten Beträge zu unterschreiten oder über sie hinauszugehen, wenn dies durch veränderte allgemeine Wertvorstellungen oder die wirtschaftliche Entwicklung gerechtfertigt ist. Dieser Entscheidung ist der Senat beigetreten (vgl. Urt. v. 13.8.2010 – 10 U 3928/09 [juris]). Konkret bedeutet dies, dass bei der Heranziehung von Vergleichsfällen die Tatsache zu beachten ist, dass die Rechtsprechung bei der Bemessung von Schmerzensgeld nach gravierenden Verletzungen deutlich großzügiger verfährt als früher (OLG Köln VersR 1992, 1013 und 1995, 549; Senat, a.a.O.; OLG Nürnberg VersR 2009, 71 [73 unter 2]) und zugunsten des Geschädigten die zwischenzeitliche Geldentwertung (KG NZV 2002, 230 [232] und 338 [340]; 2003, 416 [420]; 2004, 473; Senat, a.aO.) in Rechnung zu stellen ist.
c) Der Kläger erlitt nach dem Beweisergebnis, an das der Senat vorliegend gebunden ist und das von der Anschlussberufung auch nicht angegriffen wird, unfallbedingt insbesondere eine erhebliche Funktionseinschränkung des rechten Beines durch eine Nekrose, die eine vollständige Versteifung der Sprunggelenke erforderte; es besteht trotz orthopädischer Schuhversorgung ein hinkendes Gangbild sowie ausgeprägte, Dellen bildende Schwellungen am Unterschenkel und um die Sprunggelenke. Die mögliche Gehstrecke ist auf wenige hundert Meter begrenzt, wegen des Spitzfußes sind Vorfuß- und Fersengang nicht möglich, der Kläger leidet unter Dauerschmerzen, seine Lebensplanung änderte sich grundlegend, eine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Reparatur von Trikes sowie eine Berufstätigkeit im Stehen oder verbunden mit längerem Gehen ist nicht mehr möglich und durch den Bruch des Wadenbeins kam es zu einer Teillähmung des rechten Wadenbeinnervs mit Sensibilitätsstörungen und motorischen Ausfällen, die aber durch die Sprunggelenksversteifung überlagert sind. Die MdE beträgt dauerhaft 40%. Bei der von der Berufung zitierten Entscheidung des LG Hamburg, Urt. v. 28.02.2003, Az. 306 O 51/95 (Verletzung einer 17-jährigen, Schmerzensgeld 31.500 €) war demgegenüber eine Sprunggelenksversteifung zwar möglich aber nicht erfolgt, bei der Entscheidung des LG Heilbronn v. 22.01.2002, Az. 5 O 740/01 war kein Dauerschaden wie beim Kläger zu verzeichnen und der Geschädigte beim Urteil des LG Zweibrücken v. 05.06.2009, Az. 2 O 6/07 (Schmerzensgeld 30.000 €) erlangte nach 1 Jahr wieder volle Arbeitsfähigkeit. Bei der Entscheidung des OLG Celle v. 06.11.2003, Az. 14 U 21/03 (Schmerzensgeld 20.000 €) bestand wegen einer möglicherweise erforderlichen Sprunggelenksversteifung ein immaterieller Vorbehalt. Der Sachverhalt im Beschluss des OLG Köln v. 04.06.2012, Az. 5 U 1/12 ist dadurch gekennzeichnet, dass eine geringgradige Bewegungseinschränkung verblieb und der Geschädigte, den eine Mithaftung von 1/3 traf, durchweg ohne Schmerzmittel auskam und die verbliebenen funktionellen Beeinträchtigungen bei einer MdE von 20% nicht gravierend waren. Demgegenüber zeigen die vom Landgericht im Urteil aufgeführten Entscheidungen wie auch die von der Berufung zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt, DAR 2002, 448 (Schmerzensgeld indexiert 46.639), dass das Landgericht den Orientierungsrahmen beachtet hat. Auch der Kläger erlitt noch weitere, wenn auch ausgeheilte Verletzungen, insbesondere den Mittelfußbruch links und die Dauerbeschwerden der Geschädigten bei der Entscheidung des OLG Frankfurt, wo die Dauer-MdE nur 30% betrug, beruhten zum Teil auf unfallunabhängigen Ursachen.
2. Das Ersturteil erweist sich auch hinsichtlich des zugesprochenen Schmerzensgelds insoweit nicht als rechtsfehlerhaft (Zahlung des Schmerzensgelds an den Kläger), weil der Kläger insoweit (bezüglich der zugesprochenen 25.000,00 €) nicht aktivlegitimiert sei.
a) Ausweislich der Begründung der Anschlussberufung (vgl. Bl. 581/582 d.A.) wurden der Beklagten als Drittschuldnerin im laufenden Prozess ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PFÜB) des AG Dillingen vom 14.08.2007 (Anlage B II 2) am 23.08.2007 und ein weiterer vom 25.10.2007 am 05.11.2007 (Anlage B II 4) zugestellt. Hinsichtlich des ersten PFÜB sei von einer Forderung in Höhe von 12.780,00 € auszugehen (hierzu wird auf die Anlage B II 3 verwiesen), hinsichtlich des zweiten PFÜB von einer Forderung in Höhe von 3.243,93 €. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass insoweit noch Kosten (Anlage B II 2) und weitere Zinsen (Anlage B II 4) hinzukämen, ist dies für die Entscheidung irrelevant, da die Anschlussberufungsführerin ihren Einwand nicht substantiierte. Es ist deshalb insoweit lediglich von 16.023,93 € (Summe der beiden benannten Beträge) auszugehen. Weiter verweist die Beklagte auf einen Abtretungsvertrag vom 16.12.2011/21.01.2012 (Anlage B II 5), durch den weitere Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte in Höhe von 3.172,18 € abgetreten worden seien. Die Summe der von der Beklagten genannten überwiesenen bzw. abgetretenen Beträge ergibt deshalb 19.196,11 €, so dass der Einwand fehlender Aktivlegitimation jedenfalls in Höhe von 5.803,89 € (Restbetrag zu den im Ersturteil zuerkannten 25.000,00 €) ausscheidet.
b) Wird eine streitbefangene Forderung wie hier teilweise rechtsgeschäftlich (§ 398 BGB) oder im Wege der Zwangsvollstreckung (§§ 829, 835 f ZPO) auf einen Dritten übertragen, so hat dies gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf den Prozess keinen Einfluss. Der Rechtsvorgänger behält daher weiter seine Prozessführungsbefugnis und darf den Rechtsstreit als Partei im eigenen Namen, in sogenannter Prozessstandschaft, weiterführen, muss aber wegen der veränderten materiellen Rechtslage Leistung an den Rechtsnachfolger verlangen, da nach materiellem Recht ein Urteil im Rechtsstreit um die abgetretene oder gepfändete Forderung nur auf Leistung an den Rechtsnachfolger ergehen darf. Erfolgt wie hier (zuletzt) ausweislich des im Tatbestand aufgeführten klägerischen Antrags keine Umstellung des Klageantrags, so ist die Klage nicht wegen fehlender Prozessführungsbefugnis unzulässig, sondern sie wäre wegen fehlender Sachbefugnis bzw. Aktivlegitimation unbegründet (vgl. zum Fall der Abtretung BGH WM 1982, 1313 sowie BGH, Urteil vom 22. Mai 1985 – VIII ZR 220/84 – insoweit unveröffentlicht; zum Fall der Pfändung BGH, Urteil vom 26. Januar 1983 – VIII ZR 258/81 = BGHZ 86, 337, 339; insgesamt vgl. BGH MDR 1986, 750).
c) Dennoch war das Ersturteil hier bezüglich des Tenors Ziff. 1 (Zahlungsverpflichtung der Beklagten in Höhe von 25.000,00 € weiteren Schmerzensgelds an den Kläger) nicht unbegründet, da sowohl hinsichtlich der Pfändung und Überweisung von klägerischen Forderungen gegen die Beklagten als auch bezüglich der Abtretung Forderungsmehrheiten abgetreten wurden und weder im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss noch in der Abtretungserklärung klargestellt wurde, auf welche Teilforderung sich der jeweils gepfändete und überwiesene Betrag bezieht (vgl. zur Abtretung Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 398 Rd. 15; zur Pfändung Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 829 ZPO Rd. 8) und sowohl Pfändung als auch Abtretung mangels Bestimmbarkeit unwirksam sind.
Aber auch, wenn Pfändungsbeschluss und Abtretungsvertrag im Sinne einer Bestimmbarkeit ausgelegt werden, ändert dies hier nichts am Ergebnis.
Bezüglich des Abtretungsvertrags ergäbe die Auslegung, dass sich diese nur auf (materielle) Schadensersatzansprüche bezieht, immaterielle Ansprüche werden im Abtretungsvertrag nicht genannt (anders als in den Pfändungsbeschlüssen). Da zum Zeitpunkt des Abtretungsvertrags Teile der Schadensersatzansprüche des Klägers im weiteren Sinne (also materielle und immaterielle Ansprüche) bereits Gegenstand der Pfändungsbeschlüsse des AG Dillingen waren, kann die Frage schon im Hinblick auf das Prioritätsgebot nicht offen bleiben, welche Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte nun insgesamt und in welcher Höhe umfasst sein sollten. Da jedenfalls selbst durch das vorliegende Senatsurteil über die materiellen Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte auf Verdienstausfallentschädigung (in Höhe von 180.000,00 €) noch nicht rechtskräftig entschieden wurde (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO), erfasst die Abtretung entsprechend dem Wortlaut des Abtretungsvertrags vorrangig lediglich die materiellen Schadensersatzansprüche und lediglich nachrangig immaterielle Ansprüche, was derzeit aber eben noch nicht feststeht.
Dies gilt letztlich in gleicher Weise hinsichtlich der gepfändeten Ansprüche des Klägers. Insoweit ergäbe sich aus den Pfändungsbeschlüssen, dass dort ein Rangverhältnis genannt wurde: aufgeführt sind zunächst die materiellen Schadensersatzansprüche, wobei der Verdienstentgang explicit genannt wurde, und dann erst die Schmerzensgeldansprüche. Weiter betrifft das Senatsurteil lediglich die Ansprüche des Klägers auf Verdienstausfall wegen der entgangenen Provisionseinnahmen als Handelsvertreter von Finanzdienstleistungen im Zeitraum zwischen August 2002 bis einschließlich Juli 2005, über diesbezügliche Verdienstausfallansprüche ab August 2005 wurde ebenso wenig entschieden wie über die behaupteten Ersatzansprüche wegen unfallbedingt unterbliebener Vermittlung eines für den Kläger gewinnträchtigen Immobiliengeschäfts für einen Kunden (L., mind. 50.000 € Gewinn) und wegen unterbliebener Teilnahme am Triker-Festival (Schaden in Höhe von 29.658,03 €), da auf diese konkreten Berechnungen der eingeklagte Schadensersatzanspruch ausdrücklich nicht gestützt wurde.
Zusammengefasst kann daher festgestellt werden, dass selbst bei Auslegung der Pfändungsbeschlüsse und des Abtretungsvertrags in Richtung einer Bestimmbarkeit der erfassten Forderungen die Aktivlegitimation des Klägers bezüglich seiner Schmerzensgeldforderungen erst dann entfiele (da er auch in der Berufung seinen Schmerzensgeldantrag insoweit nicht umgestellt hat – Modifizierung, nicht Klageänderung), wenn rechtskräftig feststünde, dass der vorrangig von zunächst den Pfändungsbeschlüssen und dann der Abtretung umfasste materielle Schadensersatzanspruch (nunmehr nur noch den Verdienstentgang betreffend) nicht besteht, was derzeit aber noch nicht der Fall ist.
d) Da die Auslegung lediglich Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse sowie einen Abtretungsvertrag betraf, an denen die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag nicht beteiligt war, bedurfte es insoweit keiner gesonderten Erörterung in der mündlichen Verhandlung. Auch auf Hinweis gemäß § 139 I ZPO konnte die Beklagte eine vorrangige Erfassung der immateriellen Schadensersatzansprüche des Klägers nicht (nachträglich) bestimmen. Auf Grund der Tatsache, dass der Einwand fehlender Aktivlegitimation nach Auffassung des Senats jedenfalls derzeit nicht durchgreift, musste auch der Kläger nicht auf eine mögliche Modifizierung seines Antrags hingewiesen werden (vgl. hierzu auch Zöller/Greger, a.a.O., § 139 Rd. 15).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
V.
Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


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