Verkehrsrecht

Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht bei Weiterveräußerung eines nicht abgenommenen PKWs

Aktenzeichen  22 S 52/19

Datum:
6.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15320
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 286
BGB § 133, § 157, § 433

 

Leitsatz

1. In der Betätigung der „Sofort-Kaufen“-Schaltfläche auf der Internetplattform „Ebay“ liegt, unabhängig davon, ob diese auf eine Fehlfunktion des Handys zurückzuführen ist, eine Angebotsannahme. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da für eine verbindliche Erklärung die Schaltfläche “Sofort Kaufen” bei eBay zweimal betätigt werden muss, ist bei entsprechender Betätigung in der Regel nicht von einer Fehlfunktion eines Smartphones auszugehen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Käufer eines PKW, der diesen über die Plattform eBay erworben, aber nicht abgenommen hat, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Verkäufer den PKW unter Wert weiterveräußert hat. (Rn. 9 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

130 C 60/17 2019-04-17 Endurteil AGASCHAFFENBURG AG Aschaffenburg

Tenor

I.
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg, Zweigstelle Alzenau i. Ufr. vom 13.03.2019, Az. 130 C 60/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Gründe

Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Das angefochtene Urteil erweist sich nach Überprüfung durch das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens als zutreffend. Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht statt gegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer auf die zutreffende und sorgfältig begründete Entscheidung des Amtsgerichts Bezug.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind lediglich ergänzend und erläuternd folgende Ausführungen veranlasst:
1. Die Berufungsinstanz ist nicht mehr Wiederholung der Tatsacheninstanz, sondern dient der Fehlerkontrolle und -beseitigung (vgl. BGH vom 14.07.2004 – VIII ZR 164/03; Zöller – ZPO, 32. Auflage, § 529 ZPO Rn. 1); nach § 513 ZPO ist das Vorliegen bestimmter Berufungsgründe erforderlich. Gemäß §§ 513 Abs. 1 1. Alt., 546 ZPO kann die Berufung (bei gleicher Tatsachengrundlage) darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht. Die Beweiswürdigung des Tatrichters ist aber nur darauf nachprüfbar, ob sie in sich widersprüchlich ist, den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen zuwiderläuft oder einzelne Teile des Beweisergebnisses ungewürdigt lässt (Zöller, a.a.O., § 546 ZPO Rn. 13).
Eine solche Rechtsverletzung hat der Beklagte jedoch nicht aufgezeigt Vielmehr hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung nachvollziehbar, in sich schlüssig, umfassend und widerspruchsfrei – und somit ohne Rechtsfehler – einen Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe von 2.499,00 € bejaht, da ein wirksamer Kaufvertragsschluss vorliegt, der Beklagte nicht wirksam angefochten hat und kein Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit gegeben ist.
Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt ein wirksamer Kaufvertragsschluss nach § 433 BGB zwischen den Parteien vor. In der Betätigung der „Sofort-Kaufen“-Schaltfläche auf der Internetplattform „Ebay“, unabhängig davon, ob diese auf eine Fehlfunktion des Handys des Beklagten zurückzuführen sein mag, liegt nach dem objektiven Empfängerhorizont i.S.d. §§ 133, 157 BGB eine Willenserklärung, nämlich Angebotsannahme des Beklagten. Diesbezüglich wird auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts Bezug genommen.
Wie das Erstgericht jedoch zutreffend festgestellt hat, wurde die Anfechtung nicht wirksam erklärt, da der für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes darlegungs- und beweisbelastete Beklagte diesen nicht hinreichend substantiiert dargelegt hat. Die Behauptung des Beklagten, es habe eine Fehlfunktion seines Handys vorgelegen, so dass sich dieses trotz Betätigens der Sperrtaste nicht gesperrt habe und somit die „Sofort-Kaufen“-Schaltfläche ausgelöst worden sei, ist entsprechend der Feststellungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung als nicht glaubhaft anzusehen. Es ist vielmehr – wie der Kammer bekannt und vom Kläger auch glaubhaft dargelegt worden – eine zweimalige Bestätigung einer Schaltfläche auf der Internetplattform „Ebay“ erforderlich, um eine rechtsverbindliche Annahmeerklärung abzugeben. Es erscheint somit bei lebensnaher Betrachtungsweise als fernliegend, dass eine solche zweimalige Betätigung lediglich aufgrund einer Fehlfunktion eines Smartphones erfolgt. Zwar ist es durchaus denkbar, dass sich das Smartphone des Beklagten, ein I-Phone, aufgrund einer Fehlfunktion bei Betätigen der Sperrtaste nicht verriegelt. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, wie sich eine Schaltfläche auf dem nicht gesperrten Display des Smartphones, das sich unstreitig in der Jeanshosentasche des Beklagten befand, zweifach betätigen lässt, da das Display – auch das ist gerichtsbekannt – nur reagiert, wenn es auf ein Objekt trifft, das zumindest eine der menschlichen Körpertemperatur entsprechende Wärme ausstrahlt. Selbst wenn eine einmalige Betätigung in der Jeanshosentasche des Beklagten erfolgt wäre, hat der Beklagte nicht dargelegt, wie die notwendige erneute Bestätigung des Kaufs erfolgen konnte.
Das Erstgericht mußte auch keinen Hinweis erteilen, dass es das Bestreiten des Beklagten im Hinblick auf die Umstände des Kaufs als nicht ausreichend ansieht. Die Erteilung eines gerichtlichen Hinweises gemäß § 139 Abs. 2 ZPO in Bezug auf entscheidungserhebliche Gesichtspunkte dient der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisiert damit den Anspruch auf rechtliches Gehör. Ein Hinweis ist insbesondere dann zu erteilen, wenn ein Gesichtspunkt von den Parteien erkennbar übersehen oder für unbeachtlich gehalten wird. Wird eine Partei durch den Vortrag der anderen auf einen konkreten Gesichtspunkt hingewiesen, entfällt damit zwar grundsätzlich noch nicht die Hinweispflicht des Gerichts. Wurde die Partei jedoch zutreffend durch Vortrag der Gegenseite über die Sach- und Rechtslage unterrichtet, so bedarf es keines weiteren richterlichen Hinweises (vgl. Zöller, a.a.O., § 139 Rn. 5 ff. m.w.N.). Der Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, dass sein I-Phone aufgrund einer Fehlfunktion im nicht gesperrten Zustand die „Sofort-Kaufen“-Schaltfläche betätigt habe. Hierzu hat der Kläger vorgetragen, dass es einer zweimaligen Bestätigung des Kaufs bedürfe, wenn der Kunde bei „Ebay“ eingeloggt und der Artikel bereits aufgerufen worden sei. Diesem Vortrag ist der Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegen getreten. Er hat vielmehr im Schriftsatz vom 28.07.2017 (Bl. 110 ff. d.A.) lediglich erklärt, dass bestritten werde, dass beim Sofort-Kauf auf „Ebay“ der Käufer zweimal zur Bestätigung des Kaufes aufgefordert werde.
Weiterhin hat das Amtsgericht zutreffend angenommen, dass sich der zu ersetzende Schaden des Klägers auf einen Betrag in Höhe von 2.499,00 € beläuft.
Entgegen der Auffassung des Beklagten hat das Amtsgericht die Frage eines Verstoßes des Klägers gegen die Schadensminderungspflicht hinreichend gewürdigt und dabei zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für einen solchen Verstoß trägt, diesen Verstoß jedoch nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen hat.
In der angefochtenen Entscheidung hat das Erstgericht zutreffend festgestellt, dass der Beklagte als Schädiger die Beweislast für ein Mitverschulden bzw. einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht trägt und weiter ausgeführt, dass dem Kläger der Vorwurf eines Verstoßes gegen diese Pflicht nicht gemacht werden könne, da der Kläger dargelegt habe, dass er das streitgegenständliche Fahrzeug bei „Ebay-Kleinanzeigen“, bei „mobile.de“ und bei „auto-scout“ zu einem Preis von 19.999,00 € inseriert habe.
Die Beweislast für den Einwand des Mitverschuldens bzw. einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht trägt der Schädiger, also der Beklagte, nach der allgemeinen Beweislastregel. Danach hat jede Partei die Tatsachen zu beweisen, aus denen sie Rechte ableitet. Dies bezieht sich auf Mitverursachung und -verschulden des Geschädigten sowie auf deren Auswirkungen auf den Schadensumfang. Unter besonderen Umständen kann der Geschädigte verpflichtet sein, an der Beweisführung mitzuwirken (vgl. Erman/Ebert, BGB, 15. Aufl. 2017, § 254 BGB, Rn. 115 m.w.N.).
Mithin war es entgegen der Auffassung des Beklagten in der Berufungsbegründung, gerade nicht die Pflicht des Klägers, dazulegen, wie vielen Verkäufern und auf welchen Plattformen für welchen Preis das Fahrzeug angeboten wurde. Es wäre vielmehr am Beklagten gewesen, darzulegen, welcher potentielle Käufer das Fahrzeug zu dem Preis von 19.999,00 € erworben hätte. Der Vortrag des Klägers ist somit nicht als ungenügend und unsubstantiiert zu beanstanden.
Zudem hat der Kläger, ebenfalls entgegen der Darstellungen des Beklagten in der Berufungsbegründung, seine Verkaufsbemühungen dargelegt. Er erklärte in der mündlichen Verhandlung vom 16.08.2017, dass er das Fahrzeug, nachdem er vom Kaufvertrag wegen der Nichtabnahme zurückgetreten sei, erneut bei „Ebay-Kleinanzeigen“, „mobile.de“ und „auto-scout“ zum gleichen Preis inseriert habe (vgl. Bl. 150 ff. d.A.). Es gebe für das Fahrzeug jedoch nicht viele Kaufinteressenten. Der jetzige Käufer habe gewusst, dass das Fahrzeug zuvor bereits verkauft worden war und dies genutzt, um den Preis zu drücken.
Zwar mag dem Kläger zuzugeben sein, dass der Beklagte den Vortrag des Klägers, er habe das Fahrzeug bei „Ebay-Kleinanzeigen“, „mobile.de“ und „auto-scout“ zu einem Preis von 19.999,00 € inseriert, schriftsätzlich entgegen getreten ist. Allerdings genügt ein blößes Bestreiten nicht, da der Beklagte für den Verstoß des Klägers gegen die Schadensminderungsobliegenheit darlegungs- und beweisbelastet ist. Dass es dem Kläger egal gewesen sei, zu welchem Kaufpreis das Fahrzeug verkauft werde und er das Fahrzeug somit bewusst unter Wert verkauft habe, ist eine reine, mit nichts belegte Behauptung.
Überdies hat der Kläger das Fahrzeug auch nicht „unter Wert“ verkauft. Der Sachverständige Dipl.-Ing. C. hat in seinem Gutachten festgestellt, dass auf Grundlage der vorhandenen Anknüpfungstatsachen ein Wert des Fahrzeugs von mindestens 19.999,00 € bestätigt werden könne. Den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs konnte der Sachverständige nicht bestimmen, da das Fahrzeug nicht mehr besichtigt werden konnte, so dass der Mindestwert zugrundezulegen ist. Der Kläger erzielte unstreitig einen Kaufpreis von 17.500,00 €, so dass es sich lediglich um einen Abschlag in Höhe von 12 % zum vom Sachverständigen ermittelten Mindestwert handelt. Bei dieser Abweichung kann noch nicht von einem Verkauf „unter Wert“ gesprochen werden. Zum einen bewegt sich der erzielte Kaufpreis innerhalb einer üblichen Preisspanne für einen Gebrauchtwagenkauf im Internet. Zudem hat der Kläger auch plausibel dargelegt, weshalb er einen Kaufpreis von 19.999,00 € nicht habe erzielen können, da der Käufer von dem vorherigen Verkauf an den Beklagten Kenntnis erhalten und somit den Preis gedrückt habe. Es liegen somit keine Anhaltspunkte vor, dass der Kläger das Fahrzeug bewusst „unter Wert“ veräußert und somit „verschleudert“ hat.
2. Nach alledem wird die Berufung des Beklagten voraussichtlich erfolglos bleiben.
II.
Die Kammer beabsichtigt außerdem, die Kosten des Berufungsverfahrens dem Berufungsführer aufzuerlegen und den Streitwert auf 2.499,00 € festzusetzen. Auf die bei einer Berufungsrücknahme in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (vgl. KV Nr. 1220, 1222: Reduzierung von 4,0 Gebühr auf 2,0 Gebühr) wird vorsorglich hingewiesen.
III.
Dem Berufungsführer wird Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 10.08.2020 gegeben, § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO.


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