Verkehrsrecht

Zur Ersatzfähigkeit von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall bei unzureichendem Preisvergleich durch vom Vermieter entsandten Vermietassistenten

Aktenzeichen  2 C 192/17

Datum:
25.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 141219
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Weißenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 7 Abs. 1
VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BGB § 166, § 249 Abs. 2 S. 1
ZPO § 287

 

Leitsatz

1. Der Fraunhofer Mietpreisspiegel stellt eine taugliche Schätzungsgrundlage zur Bestimmung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten dar.  (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Geschädigte kann den Nachweis, dass ihm kein günstigerer Tarif für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges als der von ihm eingegangene Vertrag in der konkreten Anmietsituation möglich gewesen ist, nicht durch die Angaben eines von dem Vermietungsunternehmen ein-geschalteten „Vermietungsassistenten“ führen, der bei anderen Unternehmen wegen mögli-cher günstiger Tarife anrufen und Erkundigungen einholen soll.  (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Anmietung eines Fahrzeugs nach einem Verkehrsunfall liegt kein ordnungsgemäßer Preisvergleich des Geschädigten zugrunde, wenn ein gewerblicher Fahrzeugvermieter vor Abschluss des Mietvertrages mit dem Geschädigten zu diesem einen Vermietassistenten mit einem Mietwagen entsendet, um dort im eigenen Namen Anrufe bei Mitbewerbern mit dem Ergebnis führen zu lassen, dass eine Anmietung bei diesem nicht günstiger erfolgen kann. Das Wissen des Vermietassistenten über den unzureichenden Preisvergleich ist dem Geschädigten analog § 166 BGB zuzurechnen, da er für den Preisvergleich selbst zuständig gewesen wäre, so dass der Vermietassistent als “Wissensvertreter” eine Angelegenheit des Geschädigten besorgt. (Rn. 13 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
4 Bei der Anmietung des Mietwagens ist die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten für einen zusätzlichen Fahrer nicht von der Darlegung des Geschädigten abhängig, dass das Unfallfahrzeug regelmäßig von einem anderen Fahrer benutzt wird (Anschluss an AG Köln BeckRS 2015, 18401). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
5 Holt der Geschädigte nach substantiiertem Bestreiten einzelner Schadenspositionen durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer eine ergänzende Stellungnahme ein, stellen die hierfür angefallenen Kosten regelmäßig einen ersatzfähigen Schaden dar (Anschluss an AG Heinsberg BeckRS 2012, 17570). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 777,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Bassszinssatz seit 24.02.2017, sowie weitere 228,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.02.2017 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 67 Prozent und die Beklagte 33 Prozent zu tragen. Die Beklagte hat 27 Prozent der Kosten der Streithelferin zu tragen, im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.338,99 € festgesetzt. Der Streitwert der Nebenintervention beträgt 2.135,85 Euro.

Gründe

Die Klaqe ist zulässiq, aber nur teilweise begründet.
A. Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Weißenburg ist sachlich gemäß § 23 Nr. 1 GVG und örtlich gemäß § 20 StVG zuständig.
B. Jedoch ist die Klage nur in teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 777,87 Euro gemäß §§ 249 BGB, 7, 17 StVG, 115 VVG. Dabei hatte das Gericht nur noch über die Schadenshöhe zu entscheiden.
I. Dass die Kosten für die Probefahrt in Höhe von 35,45 Euro, die Kosten der Fahrzeugreinigung in Höhe von 68,43 Euro, sowie die restlichen Kosten der Verbringung in Höhe von 39,76 Euro zu ersetzen sind, wurde beklagtenseits im Laufe des Rechtsstreits unstreitig gestellt. In dieser Höhe entstand der Klägerin daher unstreitig ein unfallkausaler Schaden, sodass die Beklagte insofern zur Zahlung zu verurteilen war.
II. Die zu ersetzenden Mietwagenkosten belaufen sich nach Auffassung des Gerichts auf insgesamt 1.330,34 Euro. Dabei waren die Kosten gemäß § 287 ZPO durch das Gericht zu schätzen.
1. Bereits nach dem Vortrag der Klägerin und des Streithelfers selbst, lag der Anmietung kein ordnungsgemäßer Preisvergleich zu Grunde.
Zunächst ist das Gericht der Überzeugung, dass die vom Streithelfer gepflegte Vorgehensweise, eine Vermietassistenz bereits vor Mäetvertragsschluss mit einem Mietwagen zum Geschädigten zu bitten, um dort im eigenen Namen zwei Anrufe – gerichtsbekannt – immer bei den Firmen Sixt und Europcar tätigen zu lassen, was letztlich nie zum Erfolg führt, per se ungeeignet ist, um einen ordnungsgemäßen und ernst gemeint Preisvergleich zu führen {Vergleiche hierzu insbesondere: LG Ansbach, 2 O 1212/15). Dies liegt letztlich insbesondere daran, dass der Streithelfer kein erkennbares Interesse daran hat, dem Geschädigten nach bereits erfolgter Anlieferung des Mietwagens (Vorliegend 23 km) zu eröffnen, dass eine Anmietung bei einem Konkurrenten günstiger erfolgen kann (Vgl. LG Würzburg 42 S 2224/15).
Jedenfalls aber ist das Ergebnis des Preisvergleichs vorliegend unzureichend. Nach eigenem Vortrag war eine Preäsauskunft über die Firma Europcar mangels Verfügbarkeit eines Wagens nicht erfolgreich. Wenn jedoch Preise nicht genannt werden, ist ein Preisvergleich bereits ausgeschlossen. Eine Preisauskunft wurde nur bei der Firma Sixt erzielt. Letztlich konnte die Vermietassistentin daher nach eigenem Vortrag nur erreichen, dass die Preise des Streithelfers mit den Preisen der Firma Sixt verglichen werden konnten. Ein ordnungsgemäßer Preisvergleich hätte jedoch vorausgesetzt, dass weitere – erfolgreiche – Angebote eingeholt worden wären.
Dieses Wissen ist der Klägerin gemäß § 166 analog zuzurechnen. Für den Preisvergleich wäre die Klägerin in eigener Sache selbst zuständig gewesen. Sie hatte dies jedoch auf die Vermietassistentin des Streithelfers übertragen, sodass diese eine Angelegenheit der Klägerin besorgte. Dadurch wurde die Vermietassistenz zur „Wissensvertreterin“, deren Wissen bezüglich des untauglichen Preisvergleichs der Klägerin zuzurechnen ist (Vgl. LG Würzburg 42 S 2224/15).
Einer Einvernahme der angebotenen Zeugin bedurfte es daher nicht.
2. Die Kosten ergeben sich daher, aus einer Schätzung nach der Fraunhofer Liste gemäß § 287 ZPO. Grundlage sind dabei für 17 Tage zwei Wochen-Pauschalen und eine Drei-Tage-Pauschale nach Mietwagenklasse 07 im Postleitzahlgebiet 91, insgesamt 727,02 Euro. Hinzu kommt ein zwanzigprozentiger Aufschlag, um die Schwächen der Fraunhofer Liste auszugleichen. Ein weiterer Aufschlag von zehn Prozent ist nicht angezeigt, da eine Eil-Situation nicht vorgetragen wurde. Allein die Tatsache, dass die Klägerin berufstätig ist, vermag eine Eilsituation nicht zu begründen.
Auf den somit ermittelten Betrag von 872,42 Euro ist ein Abschlag von drei Prozent für ersparte Eigenaufwendungen in Höhe von 26,17 Euro vorzunehmen. Der Grundbetrag beläuft sich daher auf 846,25 Euro. Hinzu kommen angemessene 11,90 Euro brutto auf 17 Tage für die Haftungsbeschränkung, wobei die Klägerin nach Auffassung des Gerichts auch dann einen Anspruch auf Haftungsbeschränkung hat, wenn ihr eigenes Fahrzeug nicht kaskoversichert war. Denn derjenige, der im Rahmen eines Verkehrsunfalls geschädigt wurde, hat ein billiges Interesse daran, im Rahmen einer erforderlichen Anmietung eines Mietwagens nicht einem weiteren Schadensrisiko ausgesetzt zu sein.
Zur Überzeugung des Gerichts hat die Klägerin einen Anspruch auf Aufnahme eines zusätzlichen Fahrers, ohne darlegen zu müssen, dass ihr eigenes Fahrzeug regelmäßig von einem anderen Fahrer benutzt wird. Dies deshalb, weil nach Auffassung des Gerichts bereits die abstrakte Möglichkeit der Klägerin genügt, ihr Fahrzeug grundsätzlich einem weiteren Fahrer zu überlassen. Entscheidend ist nur, ob das angemietete Fahrzeug auch für einen Zusatzfahrer angemietet wurde. Dies ergibt sich vorliegend bereits aus dem Mietvertrag. Unerheblich ist hingegen, ob dieser das Fahrzeug tatsächlich nutzte, oder zuvor regelmäßig das Fahrzeug der Klägerin nutzte (Vgl. dazu AG Köln, NJOZ, 2016, 207 (209)). Es kommt allein darauf an, dass die Klägerin jederzeit die Möglichkeit hatte, ihr eigenes Fahrzeug einem anderen Fahrer zu überlassen, somit hat sie auch einen Anspruch darauf, den Mietwagen einem anderen Fahrer zu überlassen. Hinzu kommen daher weitere 119,00 Euro brutto für den Zusatzfahrer.
Auch die Kosten für die Winterbereifung in Höhe von 119,00 Euro brutto sind zu ersetzen. Zwar ist das Fahrzeug grundsätzlich vom Autoverleih mit wintertauglicher Bereifung zu überlassen, dies bedeutet jedoch nicht, dass die Kosten hierfür nicht gesondert zu ersetzen wären (OLG Celle. 14 U 49/11; OLG Stuttgart, 7 U 109/11).
Im Übrigen sind auch die Kosten für die Zustellung und Abholung über 36,80 Euro netto, beziehungsweise 43,79 Euro brutto, wie tatsächlich angefallen, zu ersetzen.
Insgesamt ist der erstattungsfähige Aufwand gemäß § 249 Abs. 2 BGB in Bezug auf die Mielwagenkosten daher gemäß § 287 ZPO auf 1,330,34 Euro zu schätzen. Abzüglich bereits geleisteter 755,61 Euro verbleibt ein Restanspruch über 574,73 Euro.
III. Auch die Kosten der ergänzenden Stellungnahme über 59,50 Euro sind zu ersetzen. Holt ein (Beschädigter eine Stellungnahme ein, nachdem die Haftpflichtversicherung die Übernahme einzelner Positionen substantiiert bestritten hat, liegt hierin regelmäßig ein ersatzfähiger Schaden (Vgl. AG Heinsberg IBRRS 2013,1312).)
IV. Der Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten erfolgt als unmittelbarer Schadensbestandteil aus § 249 BGB in Verbindung mit §§ 7, 17 StVG, 115 WG. Die Verzinsung ‘ erfolgt aus Verzugsgesichtspunkten gemäß §§ 280 Abs. 1,2, 286, 288 BGB.
C. Die Entscheidung über die vorläufige Voüstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 ZPO. Die Entscheidung über die Kostentragung beruht auf § 92 ZPO. Soweit die Streithelferin am Rechtsstreit beteiligt war, war hierfür ein gesonderter Streitwert auszuweisen. Demnach war auch die Kostenquote gesondert festzusetzen.


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