Versicherungsrecht

Berufsunfähigkeitsversicherung zur Absicherung der Berufsunfähigkeit eines Kindes – Abgrenzung von Eigen- und Fremdversicherung

Aktenzeichen  25 U 1410/18

Datum:
11.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 53135
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG aF § 80, § 150 Abs. 2 S. 1
VVG § 43 Abs. 3
BGB § 305c Abs. 1

 

Leitsatz

Ergibt sich aus den Umständen nicht, dass eine Versicherung für einen anderen genommen werden soll, so gilt sie nach § 80 VVG aF (§ 43 Abs. 3 VVG nF) als für eigene Rechnung genommen. Hieran gemessen liegt eine Versicherung für fremde Rechnung nicht vor, wenn der Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeitsversicherung diese für sein minderjähriges Kind als versicherte Person abschließt. Denn in einem solchen Fall geht das offensichtliche Interesse des Versicherungsnehmers dahin, im Falle der Berufsunfähigkeit des Kindes und eines Bedarfs über finanzielle Mittel zu verfügen, um dem Kind Zuwendungen machen zu können. (Rn. 15 und 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

25 U 1410/18 2018-10-09 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 22.03.2018, Aktenzeichen 7 O 4370/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die beklagte Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 56.340,80 € festgesetzt.

Gründe

Der Kläger, ein überörtlicher Sozialhilfeträger, der der Tochter des Beklagten, Silvia K.(im folgenden: Tochter), Sozialhilfe gewährt (hat), macht gegen den Beklagten, der eine Berufsunfähigkeitsversicherung zur Absicherung der Berufsunfähigkeit seiner Tochter abgeschlossen hatte und die Versicherung in Anspruch genommen hatte, übergeleitete Herausgabeansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung sowie Auskehransprüche aus einem versicherungsrechtlichen Treueverhältnis geltend. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 99/101 d.A.).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Landgerichts hat die Tochter keinen Anspruch gegen den Beklagten, der übergeleitet hätte werden können. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts wird Bezug genommen (Bl. 102/106 d.A.).
Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein Begehren weiter. Auf die Berufungsbegründung vom 28.06.2018 (Bl. 121/144 d.A.) und die Gegenerklärung vom 19.11.2018 (Bl. 167/176 d.A.) wird Bezug genommen.
Der Kläger stellt im Berufungsverfahren die Anträge:
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 22.03.2018 aufgehoben.
II.
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 56.340,80 € (sechsundfünfzigtausend dreihundertvierzig Euro und achtzig Cent) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 45.317,60 € seit 25.04.2016 und aus 11.023,20 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. a Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über die Höhe der ab 01.03.2013 von der G. L. Versicherung AG aus dem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag, Versicherungsnummer: …96 bezogenen monatlichen Versicherungsleistungen in Form eines geordneten Bestandsverzeichnisses und die erteilte Auskunft zu belegen durch Vorlage von Kontoauszügen oder einer schriftlichen Bestätigung der G. L. Versicherung AG.
b Der Beklagte wird nach erfolgter Auskunftserteilung und Belegvorlage verurteilt, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Auskunft so vollständig abgegeben habe, als er dazu im Stande sei.
3. Der Beklagte wird verurteilt, nach erfolgter Auskunftserteilung und Belegvorlage sowie ggf. eidesstattlicher Versicherung einen dann noch zu beziffernden weiteren Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz an den Kläger zu zahlen.
höchst vorsorglich und hilfsweise wird die Zulassung der Revision beantragt.
Der Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:
die Berufung zurückzuweisen und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Auf die Berufungserwiderung vom 30.08.2018 (Bl. 152/156 d.A.) wird verwiesen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 09.10.2018 (Bl. 157/163 d.A.) auf seine Absicht, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, hingewiesen.
II.
Die Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten. Auf die Gründe des Hinweisbeschlusses wird Bezug genommen. Die Gegenerklärung vom 19.11.2018 enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Insgesamt hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung an seiner Auffassung fest.
1. Zunächst teilt der Senat nicht die Auffassung des Berufungsführers, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Vorliegend handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Basis des Parteivortrages, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Klagepartei darlegungs- und beweispflichtig für die Anspruchsvoraussetzungen ist. Die Klagepartei hat keine Tatsachen darlegen können, die eine Inanspruchnahme des Beklagten rechtfertigen, insbesondere keine ausreichenden Umstände, die eine rechtliche Bewertung dergestalt ergeben, dass vorliegend von einem Versicherungsvertrag auf fremde Rechnung ausgegangen werden kann. Hierauf wurde die Klagepartei unter Ziffer 3 des Hinweisbeschlusses bereits hingewiesen. Die Klagepartei konnte, worauf im Hinweisbeschluss unter Ziffer 2 hingewiesen wurde, vorliegend auch keine Tatsachen darlegen, die eine Inanspruchnahme des Beklagten aus einem anderen Rechtsgrund rechtfertigen.
2. Der Senat bleibt auch einstimmig dabei, dass die Berufung offensichtlich unbegründet ist.
Die Gegenerklärung wendet sich vor allem gegen die Bewertung des Senats, aus den von der Klagepartei vorgetragenen Umständen ergebe sich nicht, dass eine Versicherung auf fremde Rechnung vorliegen würde (die zu einem Treuhandverhältnis führen würde).
2.1. Für den Senat ist die Auffassung der Gegenerklärung, er habe die auf der Rechtslage beruhende Motivation im Hinweisbeschluss übergangen, nicht nachvollziehbar. Im Hinweisbeschluss ist dazu unter 3. ausdrücklich ausgeführt: „Die Vertragsfreiheit gewährte den vertragsschließenden Parteien auch das Recht, eine Vereinbarung so abzuschließen, dass nach Eintritt des Versicherungsfalles dem Beklagten als Versicherungsnehmer der Anspruch auf die Versicherungsleistungen zustand. Ein gesetzliches Verbot bei der Berufsunfähigkeitsversicherung als Bezugsberechtigten den – nicht versicherten – Versicherungsnehmer einzusetzen, gibt es nicht.“ Daraus ergibt sich, dass der Senat sich im Hinweisbeschluss mit der Rechtslage auseinandergesetzt hat mit dem Ergebnis, dass die Rechtslage, anders als die Klagepartei das meint, den Beklagten und seinen Versicherer nicht gezwungen bzw. veranlasst hat, einen Versicherungsvertrag auf fremde Rechnung abzuschließen. Es gibt damit vorliegend keine rechtlichen Rahmenbedingungen, die das Auslegungsergebnis beeinflussen (zur Auslegung vgl. Hinweisbeschluss und Ausführungen unten 2.3.).
2.2. Es erschließt sich dem Senat auch nicht, wie die Auslegung „eklatant“ das rechtliche Gehör verletzt haben könnte. Art. 103 I GG vermittelt allen an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten einen Anspruch darauf, sich zu dem in Rede stehenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern sowie Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, tatsächliche und rechtliche Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BGH, Beschluss vom 17.04.2018 – Az. VI ZR 140/17, NJW 2018, 3315).
Verfahrensbeteiligte haben lediglich Anspruch darauf, dass ihre Rechtsauffassung zur Kenntnis genommen und erwogen wird, nicht dass das Gericht dieser Auffassung folgt (BVerfG, Beschluss vom 9. 10. 1973 – 2 BvR 482/72, Beschluss vom 28.11.2008 – 2 BvR 298/08). Wie dargestellt wurde die Argumentation des Klägers zur Kenntnis genommen und erwogen, allerdings für nicht zutreffend erachtet.
2.3. Die vom Kläger vorgetragenen – unstreitigen – tatsächlichen Umstände sind nicht geeignet, den Vertrag so auszulegen, dass es sich um eine Versicherung auf fremde Rechnung handelt. Ergibt sich aus den Umständen nicht, dass die Versicherung für einen anderen genommen werden soll, so gilt sie nach § 80 VVG a.F. als für eigene Rechnung genommen. Hierauf wurde bereits im Hinweisbeschluss unter Ziffer 3 hingewiesen, ebenso darauf, dass der Kläger keine ausreichenden Umstände für die Annahme einer Fremdversicherung vorgetragen hatte. Auch die Gegenerklärung enthält solche Umstände nicht.
2.3.1. Ein Versicherungsvertrag ist – wie jeder Vertrag – nach der Verständnismöglichkeit dessen, für den eine Willenserklärung bestimmt ist – regelmäßig also nach dem Horizont des Erklärungsempfängers (vgl. Busche in Münchener Kommentar zum BGB 7. Auflage 2015 § 133 Rn. 12 m.w.N. für empfangsbedürftige Willenserklärungen) – auszulegen. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind grundsätzlich so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und auf seine Interessen an. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist dabei vom Wortlaut auszugehen. Der verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 18.10.2017 – Az. IV ZR 188/16, VersR 2017, 1386; BGH, Urteil vom 14.06.2017 – Az. IV ZR 161/16, VersR 2017, 1012, 1013; BGH, Urteil vom 01.04.2015 – Az. IV ZR 104/13, NJW-RR 2015, 1442; BGH, Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 88/13; BGH, Urteil vom 23.06.1993 – IV ZR 135/92; Römer in Römer/ Langheid 4. Auflage 2014 VVG vor § 1 Rn. 20). Entscheidend ist damit auf den Beklagten und sein (bei Vertragsschluss erkennbares) Interesse – und bzgl. der Versicherungsbedingungen auf einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer – abzustellen. Nur, wenn eine Versicherung für fremde Rechnung vorliegt, kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an (BGH, Urteil vom 11.09.2013 – Az. IV ZR 303/12, NJW 2014, 377). Das ist vorliegend allerdings nicht der Fall. Ob eine solche Versicherung abgeschlossen wurde, ist nach allgemeinen Grundsätzen, also nach dem Verständnis des (durchschnittlichen) Versicherungsnehmers zu beurteilen. Die Frage einer Gegenleistung und der Finanzierung spielt für die Auslegung durchaus eine Rolle, auch wenn das Gesetz eine Schenkung oder auch eine Ausstattung rechtlich ermöglicht. Die Frage, ob von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wurde, ist durch die gebotene Auslegung zu ermitteln. Darlegungs – und beweispflichtig für entsprechende Umstände ist – wie dargestellt – der Kläger. Vorliegend sind keine Umstände unter Beweis gestellt oder unstreitig, aus denen sich (ausreichend sicher) ergibt, dass vorliegend eine Schenkung oder Ausstattung vereinbart wurde (vgl. unten 2.3.3.).
2.3.2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Auslegung ist derjenige zu dem die Vertragserklärungen abgegeben wurden. Zu diesem Zeitpunkt war die Tochter des Beklagten – worauf die Berufung zutreffend hinweist – noch minderjährig und in Ausbildung; der Beklagte war ihr zum Unterhalt verpflichtet. Offensichtliches Interesse des Beklagten war es zu diesem Zeitpunkt – für den Fall einer Berufsunfähigkeit der Tochter und eines finanziellen Bedarfs – sich selbst abzusichern, um im Fall der Berufsunfähigkeit der Tochter und eines Bedarfs über finanzielle Mittel zu verfügen, um der Tochter Zuwendungen machen zu können. Ein Verfügungsrecht für die minderjährige Tochter selbst zu schaffen lag – vom Interesse des Beklagten aus betrachtet – nicht nahe; entsprechend hat er nur ein widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt; auch später – als die Tochter volljährig wurde – hat er das Bezugsrecht nicht unwiderruflich ausgestaltet, was er, hätte er die Versicherung seiner Tochter endgültig – sei es als Schenkung oder als Ausstattung – zuwenden wollen, ohne weiteres hätte tun können.
2.3.3. So ist die Minderjährigkeit der Tochter (und auch ihre Ausbildung) zur Zeit des Vertragsschlusses – wie dargestellt – kein ausreichendes Indiz für eine endgültige Zuwendung und damit für den Abschluss einer Versicherung auf fremde Rechnung, zumal es – wie dargestellt – ohne weiteres rechtlich möglich war, die Versicherung auf eigene Rechnung abzuschließen (s.o. 2.1.).
Auch der vom Kläger geltend gemachte Einwand, dass es sich beim Abschluss des Versicherungsvertrages nicht um ein „privatschriftliches Schreiben eines nicht informierten Bürgers“ handeln würde und der Beklagte vom Versicherer beraten worden sei, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Ausgestaltung des Vertrages auf eigene Rechnung lag ersichtlich im Interesse des Versicherungsnehmers. Wie dargestellt lag es im Interesse des Beklagten, keine endgültige Zuwendung zu machen, so dass eher anzunehmen ist, dass gerade ein informierter Versicherungsnehmer in der Situation des Beklagten keinen Vertrag auf fremde Rechnung abschließen will. Im Vertrag ist dem – auch wenn als versicherte Person im Versicherungsschein die Tochter bezeichnet ist (Anlage K 3) und wenn im Versicherungsschein die versprochenen Leistungen auch als „Leistungen für Silvia K.“ bezeichnet werden – dadurch Rechnung getragen, dass das Bezugsrecht widerruflich war. Dem Beklagten stand nach der vertraglichen Vereinbarung ausdrücklich das Recht zu, das Bezugsrecht zu widerrufen.
Soweit der Kläger dem Senat vorwirft, es handle sich um eine aus der Luft gegriffene Unterstellung, der Senat habe unterstellt, der Abschluss des Versicherungsvertrages diene dazu, eine Unterhaltspflicht zu erfüllen, der Senat würde den Vortrag des Klägers übergehen, eine Berufsunfähigkeitsversicherung würde die Unterhaltspflicht reduzieren, eine solche Pflicht sei mit zunehmendem Alter des Beklagten ohnehin fraglich, überzeugt das den Senat nicht. Wie bereits ausgeführt muss der darlegungs- und beweispflichtige Kläger Umstände darlegen und beweisen, die die von ihm gewünschte Auslegung des Vertrages ergeben. Wie oben dargestellt, ist bei der Auslegung auf das (objektivierte und erkennbare) Interesse des Beklagten abzustellen. Da der Kläger bei seiner Auslegung ein solches Interesse des Beklagten fälschlich nicht berücksichtigt, war auf dieses erkennbar und offensichtlich bestehende Interesse hinzuweisen; dass dieses bei der Auslegung zu berücksichtigen ist, ist allgemein anerkannt (vgl. z.B. Ellenbarger in Palandt, 77. Auflage 2018, BGB, § 133 Rn.18). Dass der Beklagte die Versicherungsleistungen verwenden kann, um seiner Tochter Sach – oder Geldleistungen zuwenden zu können und um eventuelle Unterhaltsansprüche erfüllen zu können, ist ebenso offensichtlich, wie die Tatsache, dass der Beklagte ein wesentlich höheres Interesse daran hat, selbst über die Versicherungsleistung zu verfügen, als lediglich unter Umständen eine eventuelle Unterhaltspflicht durch eine Versicherung auf fremde Rechnung zu reduzieren. Der Senat stellt – entgegen der Auffassung der Gegenerklärung – keine unterhaltsrechtlichen Erwägungen an, sondern nur diejenige, dass der den Versicherungsvertrag abschließende Beklagte ein erkennbares Interesse daran hatte, den Vertrag so abzuschließen, dass er im Versicherungsfall Leistungen erhält, die er (nach eigenem Ermessen) seiner Tochter zuwenden kann. Bei der Auslegung ist – wie dargelegt – auf das Interesse der Vertragsschließenden abzustellen.
Auch soweit der Kläger darauf abstellt, dass der Versicherungsvertrag bis zum 60. Lebensjahr der Tochter des Beklagten abgeschlossen wurde, ist das kein ausreichendes Indiz, um von einem – nur ausnahmsweise vorliegenden – Versicherungsvertrag auf fremde Rechnung ausgehen zu können. Insbesondere spricht die lange Laufzeit entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen die Möglichkeit einer familiengerichtlichen Genehmigung, da ein solcher Vertrag, auch wenn er in Vertretung der Tochter abgeschlossen worden wäre, mit Eintritt der Volljährigkeit von dieser jederzeit gekündigt hätte werden können. Somit hätte, wenn der Beklagte seiner Tochter eine endgültige Zuwendung hätte machen wollen, er einen Versicherungsvertrag namens der Tochter abschließen können oder auch – wenn er nicht auf eine familiengerichtliche Genehmigung angewiesen hätte sein wollen – einen eigenen Versicherungsvertrag mit einem unwiderruflichen Bezugsrecht vereinbaren können. Beides hat er vorliegend nicht getan.
2.4. Soweit der Kläger bestreitet, dass der Beklagte (wirksam) von seinem Recht auf Widerruf des Bezugsrechts Gebrauch gemacht habe, kommt es darauf – wie den Ausführungen im Hinweisbeschluss zu entnehmen ist – für die Entscheidung nicht an. Abgesehen davon bleibt der Senat auch dabei, dass der Beklagte sich nicht sittenwidrig verhält, wenn er, die Versicherungsleistung vereinnahmt hat und behalten will. Weder bei Vertragsschluss (Vereinbarung eines widerruflichen Bezugsrechts) noch bei Widerruf des Bezugsrechts hat der 25 U 1410/18 – Seite 8 – Beklagte sich sittenwidrig verhalten, da er nur ein vertragliches Recht geltend gemacht hat;
dafür, dass er vertraglich verpflichtet war, die Leistung seiner Tochter zuzuwenden gibt es – wie dargestellt – keine ausreichenden Anhaltspunkte. Schließlich ist auch § 150 Abs. 2 S. 1 VVG bei der vorliegenden Berufsunfähigkeitsversicherung nicht – auch nicht analog – anwendbar.
2.5. Auch die weiteren Ausführungen unter Ziffer 2 der Gegenerklärung überzeugen nicht:
Wie dargelegt hat der Kläger keine ausreichenden tatsächlichen Umstände dargetan, die die Annahme rechtfertigen, der Beklagte habe seiner Tochter die Versicherung als Ausstattung zugewandt. Alleine aus dem Verwandtschaftsverhältnis folgt solches nicht. Nochmals ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass gerade kein unwiderrufliches Bezugsrecht vereinbart wurde. Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss zum Bereicherungsanspruch (Ziffer 2.) Bezug genommen, die entsprechend gelten, wenn man (statt von einer Schenkung) von einer Ausstattung ausgehen würde.
Mit seinen Ausführungen zur Überraschungsklausel nach § 305 c BGB verkennt der Kläger, dass eine Klausel nicht unwirksam ist, wenn sie zum Vorteil des Vertragspartners des Verwenders (hier: Versicherungsnehmer) überrascht. In einem solchen Fall ist § 305 c BGB schon seinem Wortlaut nach nicht anzuwenden, da er darauf abstellt, dass der Vertragspartner mit der Regelung nicht zu rechnen braucht. Das impliziert eine Anwendbarkeit des § 305 c BGB lediglich bei nachteiligen Überraschungen. Ungewöhnlichkeit der Bestimmung ist notwendiges, aber nicht hinreichendes Begründungselement im Rahmen des § 305c Abs. 1. Der Klausel muss, soll sie durch die negative Einbeziehungskontrolle ausgeschieden werden, ein „Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt“ innewohnen (Schmidt in BeckOK, Stand: 01.11.2018, BGB § 305c Rn. 18, beckonline). Abgesehen davon ist die Klausel auch nicht überraschend.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 (Kosten), § 708 Nr. 10, 711 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit) und §§ 47, 48 GKG (Streitwert).


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