Versicherungsrecht

Berufung, Rechtsanwaltskosten, Auskunft, Versicherungsvertrag, Zahlung, Versicherungsschein, Erstattung, Herausgabe, Unwirksamkeit, Anspruch, Zustimmung, Klage, Kenntnis, Beitragspflicht, Treu und Glauben, Sinn und Zweck, Erteilung der Auskunft

Aktenzeichen  8 U 2907/21

Datum:
14.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 7415
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

3 O 1429/20 Ver 2021-07-13 Urt LGANSBACH LG Ansbach

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 13.07.2021, Az. 3 O 1429/20 Ver, abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 13.07.2021, Az. 3 O 1429/20 Ver, wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten beider Rechtszüge hat der Kläger zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ansbach ist – soweit es Bestand hat – ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.392,84 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Unwirksamkeit mehrerer Beitragserhöhungen im Rahmen einer zwischen ihnen seit 2002 bestehenden privaten Krankenversicherung sowie über hieraus folgende bereicherungsrechtliche Erstattungsansprüche. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung zugrunde, die in Teil I die Musterbedingungen MB/KK 2009 umfassen (Anlage BLD 3).
In erster Instanz waren zuletzt die jeweils zum 1. April 2017 und 2020 erfolgten Prämienanpassungen Gegenstand des Rechtsstreits, aus deren behaupteter Unwirksamkeit der Kläger die Erstattung von 1.533,16 € sowie Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 461,68 € forderte. Außerdem verlangte er Auskunft über die in den Jahren 2013 bis 2016 erfolgten Beitragsanpassungen durch Vorlage entsprechender Unterlagen.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat dieser Klage insoweit stattgegeben, als es die Unwirksamkeit der Erhöhung im Tarif um monatlich 38,69 € für den Zeitraum 01.04.2017 bis 31.03.2020 festgestellt sowie die Beklagte zu Zahlung von 1.044,63 € (betreffend den Zeitraum 01.01.2018 bis 31.03.2020) und vogerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 € verurteilt hat. Außerdem hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Nutzungen herauszugeben, die sie vom 01.01.2018 bis 31.03.2020 aus den zu Unrecht erlangten Prämienanteilen gezogen habe.
Dieses Urteil vom 13.07.2021 wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers 13.07.2021 und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 14.07.2021 zugestellt. Die Berufung des Klägers ging am 13.08.2021 beim Oberlandesgericht Nürnberg ein (BI. 188/189 d.A.) und wurde innerhalb verlängerter Frist mit einem am 13.10.2021 eingegangenen Schriftsatz begründet (BI. 222 ff. d.A.). Die Berufung der Beklagten ging am 12.08.2021 beim Oberlandesgericht Nürnberg ein (BI. 192/193 d.A.) und wurde innerhalb verlängerter Frist mit einem am 07.10.2021 eingegangenen Schriftsatz begründet (BI. 207 ff. d.A.).
Der Kläger beantragt im Berufungsrechtszug:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite über den erstinstanzlich im Antrag zu 2) ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 348,21 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in den Jahren 2013, 2014, 2015, 2016 zur Versicherungsnummer vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:
– die Höhe der Beitragsanpassungen für die Jahre 2013, 2014, 2015, 2016 unter Benennung der jeweiligen Tarife im Versicherungsverhältnis der Klägerseite,
– die der Klägerseite zu diesem Zwecke übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein der Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 sowie
– die der Klägerseite zum Zwecke der Beitragsanpassung übermittelten Begründungen der Jahre 2013, 2014, 2015, 2016.
3. Es wird festgestellt, dass alle einseitigen Erhöhungen in den Krankenversicherungstarifen der Klägerseite, die die Beklagte gegenüber der Klägerseite im Rahmen des zwischen ihnen bestehenden Krankenversicherungsverhältnisses zur Versicherungsnummer der Jahre 2013, 2014, 2015, 2016 vorgenommen hat und die nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu Ziffer 2) noch genauer zu bezeichnen sind, unwirksam sind und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet ist sowie, dass der monatlich fällige Gesamtbetrag für die Zukunft auf einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Klageantrag zu 2) noch genau zu beziffernden Betrag zusätzlich zum Klageantrag zu 1) zu reduzieren ist.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte
a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Klageantrag zu 2) noch genauer zu bezeichnenden Beitragserhöhungen gezahlt hat,
c) die nach 4 a) und 4 b) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
Die Beklagte beantragt,
1. Die Berufung des Klägers wird verworfen, hilfsweise zurückgewiesen.
2. Das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 13.07.2021, Az. 3 O 1429/20 Ver, wird abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Nach Zustimmung der Parteien hat der Senat mit Beschluss vom 01.02.2022 angeordnet, dass ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren zu entscheiden ist (BI. 308/309 d.A.).
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg (1.). Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur vollständigen Abweisung der Klage (2.).
1. Berufung des Klägers
Soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat, beruht das angefochtene Urteil nicht auf einer Rechtsverletzung und die im Berufungsrechtszug zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen auch keine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
a) Verjährung
Zutreffend hat die Vorinstanz entschieden, dass etwaige Ansprüche des Klägers wegen der bis einschließlich Dezember 2017 erfolgten Beitragszahlungen verjährt sind (§ 214 Abs. 1 BGB; LGU 12-14). Diese Entscheidung steht mit der den Parteivertretern bekannten Ansicht des erkennenden Senats und mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021 – IV ZR 113/20, NJW 2022, 389 Rn. 39 ff.) in Einklang. Die weitschweifigen abstrakten Ausführungen in der Berufungsbegründung (Seiten 12 bis 33) wurden zur Kenntnis genommen und geprüft, jedoch für nicht durchgreifend erachtet. Sie rechtfertigen keine andere Sichtweise und bedürfen keiner vertieften Würdigung.
Hinsichtlich der im Jahre 2017 geleisteten Zahlungen ist am 31.12.2020 Verjährung eingetreten. Die Klageschrift ist zwar am 14.12.2020 beim Landgericht eingegangen. Sie wurde der Beklagten jedoch erst am 15.01.2021 zugestellt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 253 Abs. 1 ZPO). Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass die Voraussetzungen des § 167 ZPO nicht vorliegen (LGU 14), liegt kein den Erfordernissen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 2 und 3 ZPO genügender Berufungsangriff vor.
Der Verjährung unterliegt damit die mit dem Berufungsantrag zu 1) geltende gemachte Zahlung von 348,21 €, die den Zeitraum April bis Dezember 2017 betrifft. Demzufolge schuldet die Beklagte auch keine Herausgabe von Nutzungen und Zinsen aus diesem Prämienanteil (Berufungsanträge zu 4 a) und 4 c).
b) Auskunft
aa) Zutreffend hat die Vorinstanz ferner entschieden, dass die Geltendmachung der Klageanträge zu 3) bis 5) im Wege der Stufenklage unzulässig ist (LGU 9). Dieses Begehren verfolgt der Kläger mit der Berufung als Anträge zu 2) und 3) weiter.
§ 254 ZPO regelt einen privilegierten Sonderfall der objektiven Klagehäufung. Die Stufenklage ermöglicht die Verbindung eines auf Auskunft gerichteten Klageantrags mit einem noch unbezifferten bzw. noch unbestimmten Leistungs- und/oder Feststellungsantrag. Bei dem zunächst unbezifferten Feststellungsantrag kann es sich – wie hier-auch um eine Zwischenfeststellungsklage handeln (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.1998 -VZR 180/97, WM 1999, 746).
Die einstweilige Befreiung von der Bezifferungspflicht des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO setzt jedoch voraus, dass die auf erster Stufe begehrte Auskunft als bloßes Hilfsmittel (nur) der konkreten Bestimmung des Leistungsanspruchs dient. Sie kommt daher nicht in Betracht, wenn die Auskunft der Beschaffung von sonstigen Informationen über die Rechtsverfolgung des Klägers dienen soll (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18.04.2002 – VII ZR 260/01, NJW 2002, 2952, 2953 und vom 29.03.2011 – VI ZR 117/10, NJW 2011, 1815 Rn. 8 jeweils m.w.N.; OLG Köln, VersR 2020, 81, 86).
So liegt der Fall auch hier. Die vom Kläger begehrte Auskunft dient ersichtlich der erstmaligen Prüfung, ob und wann in den Jahren 2013 bis 2016 überhaupt Beitragsanpassungen erfolgt sind und infolgedessen ein möglicher Anspruch gegen die Beklagte bestehen könnte. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass als Einzelelement des Auskunftsantrags die Höhe der Anpassungen unter Benennung der Tarife gefordert wird. Insoweit handelt es sich um einen unselbstständigen Teil des Antrages, was daran deutlich wird, dass auch bei Kenntnis der Höhe weiterhin der Anspruchsgrund unklar bliebe. Denn auch bei Kenntnis des Erhöhungsbetrages wäre eine Prüfung der formalen Rechtmäßigkeit nicht möglich (vgl. LG Wuppertal, r+s 2021, 696 Rn. 24; LG Detmold, BeckRS 2021, 34230 Rn. 24).
bb) Die danach unzulässige Stufenklage ist in eine allgemeine Klagehäufung gemäß § 260 ZPO umzudeuten (vgl. BGH, Urteil vom 29.03.2011 -VI ZR 117/10, NJW 2011,1815 Rn. 13). Denn ein für die Rechtsschutzgewährung ausreichendes berechtigtes Interesse an der begehrten Auskunft ist dem Kläger nicht von vornherein abzusprechen. Zudem ist anzunehmen, dass das Auskunftsbegehren auch unabhängig von der Stufung verfolgt werden soll.
Allerdings erweist sich der im Berufungsrechtszug zu 3) gestellte Klageantrag gleichwohl als unzulässig. Dem Feststellungsantrag fehlt es an der hinreichend konkreten Bezeichnung eines Rechtsverhältnisses i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO und in seiner negativen Komponente (fehlende Verpflichtung zur Zahlung des Erhöhungsbetrages) an der erforderlichen Bezifferung. Letzteres gilt auch für den unter Ziffer 3) am Ende sinngemäß gestellten Zahlungsantrag (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
cc) Der als selbständiges Auskunftsbegehren anzusehende Berufungsantrag zu 2) ist unbegründet und vom Landgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden (LGU 10).
(1) Ein solcher Anspruch folgt nicht aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag. Zwar kann sich aus einem Schuldverhältnis nach Treu und Glauben auch die Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung ergeben. Dies kann auch zu der Verpflichtung eines Vertragspartners führen, dem anderen Teil Unterlagen zur Verfügung zu stellen (vgl. Senatsbeschluss vom 29.07.2020 – 8 U 1096/20, BeckRS 2020, 37534 Rn. 10 m.w.N.).
Es genügt jedoch nicht, dass der Anspruchsteller behauptet, die begehrte Information sei für ihn von Bedeutung bzw. er sei auf sie angewiesen. Voraussetzung ist vielmehr, dass der Anspruchsteller über den Inhalt der geforderten Information in entschuldbarer Weise im Unklaren ist, der Anspruchsgegner die Auskunft unschwer erteilen kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 08.02.2018 – III ZR 65/17, NJW 2018, 2629 Rn. 23 m.w.N.) und ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein bestimmter durchsetzbarer Anspruch existiert (vgl. BGH, Urteil vom 16.11. 2011 -VIII ZR 106/11, NJW 2012, 303 Rn. 11).
Hieran fehlt es im Streitfall. Der Kläger hat schon nicht konkret vorgetragen, aus welchen Gründen er nicht (mehr) über Informationen betreffend etwaige Beitragserhöhungen und damit verbundene Unterlagen verfügt. Nachvollziehbare Gründe dafür, warum dem Kläger die im Laufe des Vertrages übersandten Dokumente abhandengekommen sind, vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Kläger hat auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass ein bestimmter – über den in erster Instanz zugesprochenen Betrag hinausgehender – Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 1 und 2 BGB besteht.
(2) Ein Auskunftsanspruch aus § 3 Abs. 3 und 4 WG scheidet ebenfalls aus. Dieser bezieht sich nur auf abhandengekommene oder vernichtete Versicherungsscheine sowie auf die eigenen Erklärungen des Klägers, die er als Versicherungsnehmer in Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Darum geht es hier jedoch nicht und dies wird mit dem Klageantrag auch nicht verlangt. Die mit dem Auskunftsbegehren maßgeblich herausverlangten Anschreiben und Beiblätter werden von § 3 WG von vornherein nicht erfasst (vgl. OLG München, r+s 2022, 94 Rn. 36). Darüber hinaus werden mit etwaigen Beitragserhöhungen zwar entsprechende Nachträge zum Versicherungsschein erteilt. Solche würden unter § 3 WG fallen (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2004 – IV ZR 75/03, r+s 2004, 404, 405; OLG Hamm, r+s 1992, 390 jeweils zu § 5 WG a.F.). Zu deren Abhandenkommen hat der Kläger jedoch nichts Konkretes vorgetragen. Er hat lediglich ganz pauschal behauptet, die Versicherungsscheine seien „nicht mehr auffindbar“. Dies erscheint unzureichend.
(3) Auch § 810 BGB verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Zum einen gewährt diese Vorschrift nur einen Anspruch auf Einsicht in bestimmte Urkunden. Der hier geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Auskunft oder auf Übersendung von Unterlagen ist davon nicht erfasst (vgl. OLG Hamm, BeckRS 2021, 40312 Rn. 17). Darüber hinaus verlangt § 810 BGB nach einem schutzwürdigen rechtlichen Interesse des Anspruchstellers. Dieses wird zwar nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass der Vertragspartner seine eigene Abschrift schuldhaft verloren hat (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.1992 – XI ZR 193/91, NJW-RR 1992, 1072, 1073 f.). Allerdings darf die Einsicht nicht der „Ausforschung“ dienen, um erst dadurch Anhaltspunkte für eine spätere Rechtsverfolgung gegen den Besitzer der Urkunde zu gewinnen (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2014 -XI ZR 264/13, NJW 2014, 3312 Rn. 24 m.w.N.). Letzteres ist hier jedoch ersichtlich das Ziel des Klägers.
(4) Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich schließlich auch nicht aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. Denn der Beklagten steht ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 Satz 2 lit. b) DS-GVO zu. Die Vorschrift führt zwar lediglich die häufige Wiederholung als Beispiel für einen „exzessiven“ Antrag auf. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ macht aber deutlich, dass die Vorschrift auch andere rechtsmissbräuchliche Anträge erfassen will (vgl. Heckmann/Paschke in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl., Art. 12 Rn. 43; Paal/Hennemann in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl., Art. 12 DS-GVO Rn. 66 m.w.N.).
Bei der Auslegung, was in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, ist auch der Schutzzweck der DS-GVO zu berücksichtigen. Wie sich aus dem Erwägungsgrund 63 der Verordnung ergibt, ist Sinn und Zweck des in Art. 15 DS-GVO normierten Auskunftsrechts, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können (vgl. auch BGH, Urteil vom 15.06.2021 – VI ZR 576/19, VersR 2021, 1019 Rn. 23). Um ein solches Bewusstwerden zum Zweck einer Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten geht es dem Kläger aber ersichtlich nicht. Sinn und Zweck der von ihm begehrten Auskunftserteilung ist vielmehr – wie sich aus der Koppelung mit den unzulässigen Klageanträgen auf Feststellung und Zahlung zweifelsfrei ergibt – ausschließlich die Überprüfung etwaiger von der Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel nach § 203 Abs. 5 WG. Eine solche Vorgehensweise ist vom Schutzzweck der DS-GVO aber nicht umfasst (vgl. OLG Hamm, BeckRS 2021,40312 Rn. 11; LG Wuppertal, r+s 2021, 696 Rn. 33).
(5) Auch soweit die Beklagte als Versicherer gesetzlich zur Aufbewahrung von Unterlagen verpflichtet ist, folgt daraus kein Auskunftsanspruch des Klägers. Denn der Gesetzgeber verfolgt mit der Aufbewahrungspflicht kein Anliegen des Versicherungsnehmers, insbesondere soll sie dem jeweiligen Geschäftsgegner nicht die spätere Durchsetzung eigener Rechte ermöglichen (vgl. OLG München, r+s 2022, 94 Rn. 52).
2. Berufung der Beklagten
Soweit die Klage in erster Instanz Erfolg hatte, beruht das angefochtene Urteil auf einem Rechtsfehler und die maßgeblichen Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Die zum 01.04.2017 vorgenommene Beitragserhöhung war entgegen der Ansicht des Landgerichts (LGU 10/11) wirksam. Der Kläger hat demzufolge keinen hierauf gestützten Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 1 und 2 BGB und die Beklagte schuldet weder Herausgabe von Nutzungen noch Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Klage ist, soweit ihr das Landgericht stattgegeben hat, ebenfalls unbegründet und damit vollständig abzuweisen.
a) Mit undatiertem Schreiben aus Februar 2017 und beigefügtem Nachtrag zum Versicherungsschein hatte die Beklagte mit Wirkung zum 01.04.2017 eine Erhöhung der Prämie im Tarif “H” um monatlich 38,69 € erklärt (Anlagenkonvolut BLD 6).
b) Die inhaltlichen Anforderungen an die gemäß § 203 Abs. 5 WG erforderliche Begründung der Beitragserhöhung sind inzwischen weitgehend höchstrichterlich geklärt (vgl. insbesondere BGH, Urteile vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19, NJW 2021, 378 und vom 21.07.2021 – IV ZR 191/20, NJW-RR 2021, 1260). Danach ist die Angabe der Rechnungsgrundlage erforderlich, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 WG veranlasst hat. Anzugeben ist auch, dass die Veränderung den maßgeblichen Schwellenwert überschritten hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben. Insgesamt ist es nicht Zweck der Begründung, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen.
Das vorbenannte Schreiben selbst erwähnt gestiegene Gesundheitskosten als „wichtigsten Grund“ und verweist im Übrigen auf die Beilage „Ein Praxisbeispiel der DKV“. In diesem beigefügten Informationsblatt wird der regelmäßig notwendige Vergleich der kalkulierten mit den tatsächlichen Leistungsausgaben anschaulich erläutert. Gleiches gilt für die Notwendigkeit der Beitragsanpassung bei Überschreitung der genannten Schwellenwerte. Die für die gestiegenen Leistungsausgaben maßgeblichen Gründe werden sodann ausführlich beschrieben. Dies ist in formeller Hinsicht als ausreichend anzusehen. Die Begründung der Beitragserhöhung zum 01.04.2017 war für einen Empfänger ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse klar und verständlich.
c) Ob eine frühere Prämienerhöhung womöglich fehlerhaft war, ist für die Wirksamkeit der Neufestsetzung und der daraus folgenden erhöhten Beitragspflicht des Versicherungsnehmers ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19, NJW 2021, 378 Rn. 55). Denn die spätere Prämienanpassung stellt eine vollständige Neufestsetzung für den neu kalkulierten Zeitraum dar und bildet fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
5. Gründe, für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).
6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde gemäß §§ 47 Abs. 1 und 2, 48 Abs. 1,45 Abs. 2 GKG bestimmt. Dabei hat der Senat den Wert des auf Auskunft gerichteten Klageantrags mangels anderer Anhaltspunkte auf 4.000 € geschätzt (§ 3 ZPO).


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