Versicherungsrecht

Leistungen aus Betriebsschließungsversicherung nach behördlicher Maßnahme wegen der Corona-Pandemie

Aktenzeichen  21 O 1247/20 Ver

Datum:
16.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24267
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 6, § 7
BGB § 305c Abs. 1, § 307
AVB Betriebsschließungsversicherung

 

Leitsatz

1. Verspricht der Versicherer einer Betriebsschließungsversicherung in seinen AVB Entschädigung für den Fall, dass die zuständige Behörde aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb schließt und definieren die AVB – nach Verweisung mittels Klammerzusatz – alsdann meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger “im Sinne dieser Zusatzbedingungen” als “die folgenden im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger”, handelt es sich um eine abschließende Aufzählung, so dass kein Versicherungsschutz für eine Betriebsschließung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie besteht, wenn weder COVID-19 noch SARS-CoV-2 in der nachfolgenden Aufzählung benannt sind. Eine solche Regelung ist nicht überraschend und hält einer Inhaltskontrolle stand. (Rn. 24 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. S. auch OLG Dresden BeckRS 2021, 15585; OLG Stuttgart BeckRS 2021, 2002; BeckRS 2021, 2001; OLG Oldenburg BeckRS 2021, 3248; BeckRS 2021, 11123; OLG Celle BeckRS 2021, 16959; BeckRS 2021, 19928; OLG München BeckRS 2021, 13077; OLG Hamm BeckRS 2021, 18257; BeckRS 2021, 18259. Entgegen OLG Karlsruhe BeckRS 2021, 16052. Mit teilweiser anderer Begründung wie hier: OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2021, 14597; OLG Schleswig BeckRS 2021, 10892; BeckRS 2021, 10599; OLG Hamburg BeckRS 2021, 21090. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abegewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Der Streitwert wird auf 24.590,40 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist als unbegründet abzuweisen, da der Klägerin kein Anspruch auf Versicherungsleistungen gegen die Beklagte zusteht.
I. Die Klagepartei stützt ihren Anspruch auf den zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag.
1. Mangels Nennung des Corona-Virus und der entsprechenden Erkrankung in § 2 der ZBSV 08 liegt kein Versicherungsfall, der zu einer Leistungsverpflichtung der Beklagten dem Grunde nach führen würde, vor.
§ 2 der ZBSV 08 enthält eine abschließende Aufzählung der Krankheitserreger und Krankheiten, die bei einer Betriebsschließung zu Leistungsansprüchen führen können.
COVID 19 oder der Krankheitserreger SARS CoV-2 war in diesen Bedingungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht aufgeführt.
Die genannte Regelung ist so zu verstehen, dass Versicherungsschutz nur besteht, wenn der Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung von Krankheiten und Krankheitserregern, die § 2 Ziff. 2 aufgezählt sind, geschlossen wird. Krankheiten und Erreger, die in diesen Listen nicht enthalten sind, sind nicht in den Versicherungsschutz einbezogen.
A.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Werden Versicherungsverträge typischerweise mit und für einen bestimmten Personenkreis geschlossen, so sind die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Mitglieder dieses Personenkreises maßgebend (BGH, Urteil vom 25. Mai 2011 – IV ZR 117/09, r+s 2011, 295 Rn. 22). In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 10. April 2019 – IV ZR 59/18, NJW 2019, 2172 Rn. 17 mwN).
B.
Nach diesen Grundsätzen ist § 2 der ZBSV 08 der streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen im Sinne einer abschließenden Aufzählung auszulegen.
a) Bereits aus dem Wortlaut der dargestellten Regelung erkennt ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, dass nur die in der Regelung eigens genannten, nicht aber noch weitere oder alle Infektionskrankheiten versichert sind.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass ein durchschnittlicher, aufmerksam lesender Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung schon angesichts des Wortlauts der o.g. Versicherungsbedingungen davon ausgeht, dass allein die in den Bedingungen im Einzelnen aufgezählten Krankheiten und Erreger vom Versicherungsschutz erfasst sein sollen (OLG Stuttgart 7 U 351/20, Rz. 25; LG Freiburg, Urteil vom 26.02.2021, Az: 14 O 994/20 Rz. 28; Prof. Dr. M. V1., Versicherungsrecht 2020, 1093 Zif. IV 2 LG Bochum, Urteil v. 15.07.2020, Az: 4 O 215/20 Rz. 449). Eine Auslegung kommt im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut nicht in Betracht.
Ein durchschnittlicher, aufmerksam lesender Versicherungsnehmer wird bei verständiger Würdigung schon aufgrund der Verwendung der Worte „folgende“ und „namentlich“ mit der Folge einer Aufzählung von Krankheiten und Erregern davon ausgehen können, dass diese Aufzählung abschließend ist (LG Freiburg a.a.O., Rz. 28). Die Formulierung „namentlich“ kann schon angesichts ihrer Stellung im Satz nicht als „beispielhaft“, „insbesondere“ oder „hauptsächlich“ verstanden werden, sondern muss zwanglos als „mit Namen benannte“ Krankheiten und Krankheitserreger eingeordnet werden (OLG Stuttgart a.a.O. Rz. 28). Dies wird zusätzlich durch das Adjektiv „folgende“ verstärkt (OLG Stuttgart a.a.O. Rz. 29). Der einzige Sinn der umfangreichen Aufzählung liegt somit darin, die Einstandspflicht der Beklagten auf die aufgezählten Fälle zu begrenzen (LG Freiburg a.a.O. Rz. 29 mit Hinweis auf LG Hamburg, Urteil vom 26.11.2020, 332 O 190/20 Rz. 28).
Für eine abschließende Auflistung spricht weiterhin, dass in § 2 der ZBSV 08 keine relativierende Formulierung in Form der Verwendung etwa der Worte „insbesondere“, „unter anderem“ oder „beispielsweise“ enthalten ist.
Nach alldem kann der verständige Versicherungsnehmer klar erkennen, dass eine Aufzählung vorliegt, welche die Einstandspflicht der Versicherungsgeberin auf die aufgezählten Fälle begrenzt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer konnte in Anbetracht des Wortlauts der Bestimmung nicht annehmen, dass auch die Krankheiten Covid-19 bzw. SARS CoV 2 dem von der Beklagten versprochenen Versicherungsschutz im Falle einer Betriebsschließung unterfallen. Auch hatte der Versicherungsnehmer anhand der von der Versicherung gewählten Formulierung keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Versicherungsgeberin für noch unbekannte Krankheiten und Krankheitserreger die Haftung übernehmen will. Das Risiko muss auch für die Versicherungsgeberin kalkulierbar sein. Die Risikoeinschätzung ist auch maßgeblich für die Prämienhöhe. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer hatte keinerlei Anlass anzunehmen, dass die Versicherungsnehmerin auch für im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch völlig unbekannte Krankheiten oder Krankheitserreger, welche sich weltweit ausbreiten, haften würde.
Ein klarstellender Hinweis, dass nicht aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger nicht dem Versicherungsschutz unterfallen, war nicht erforderlich. Die oben genannte Klausel ist aus sich heraus verständlich und nicht irreführend.
Dementsprechend hat nunmehr auch das OLG München im Beschluss vom 12.05.2021 gem. § 522 Abs. 2 ZPO (25 U 5794/20) für eine gleich lautende Versicherungsklausel ausgeführt:
„Versicherungsschutz besteht nach § 1 Nr. 1 AVB-BS 2013 „beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger“. Welche Krankheiten und Erreger dies sein können, kann nicht unmittelbar § 6 IfSG („Meldepflichtige Krankheiten“) oder § 7 IfSG („Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern“) entnommen werden, weil § 1 Nr. 2 AVB-BS 2013 eine eigene Definition meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger „im Sinne dieser Bedingungen“ vornimmt, worauf § 1 Nr. 1 AVB-BS 2013 zudem ausdrücklich verweist. Schon wegen dieser eigenständigen Definition kann ein Versicherungsnehmer nicht erwarten, die Bedeutung des Begriffs der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger decke sich vollständig mit dem infektionsschutzrechtlichen Begriff.
Die Definition in § 1 Nr. 2 AVB-BS 2013 erwähnt zwar die §§ 6 und 7 IfSG. Dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen ist aber bei natürlicher, unbefangener Betrachtung zu entnehmen, dass maßgeblich „die folgenden“ Krankheiten sein sollen, nämlich diejenigen, die nach einem Doppelpunkt unmittelbar folgend im Anschluss an den fraglichen Satz in den Versicherungsbedingungen abgedruckt sind. Ein durchschnittlicher Leser kann als „die folgenden … Krankheiten und Krankheitserreger“ ohne Anstrengung diejenigen ausmachen, die dem Einleitungssatz im Abdruck unmittelbar nachfolgen.
Dagegen gibt der Wortlaut der Versicherungsbedingungen keinen Hinweis darauf, dass statt der – bei natürlicher Betrachtung – naheliegenden abgedruckten Listen die Aufzählungen in den §§ 6 und 7 IfSG maßgeblich sein sollten.In diesem Zusammenhang bedeutet die Formulierung „die folgenden“ in der Beschreibung des versicherten Risikos zugleich, dass auch nur die folgenden Krankheiten und Erreger dem Versicherungsschutz unterfallen. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird eine möglichst eindeutige, abschließende und nicht nur beispielhafte Beschreibung des versicherten Risikos erwarten. Zudem würde der durchschnittliche Leser zur Einleitung einer bloß beispielhaften, nicht abschließenden Aufzählung mit einem Wort wie „insbesondere“ oder „beispielhaft“ rechnen, das hier aber fehlt.
Aus der Verwendung des Wortes „namentlich“ ergibt sich nichts anderes. Dieses wird hier nicht in der Bedeutung von „insbesondere“ verwendet. Zwar kann dem Wort diese Bedeutung zukommen, beispielsweise in Formulierungen wie „der Weg ist kaum passierbar, namentlich nach Regen“ oder „überall, namentlich aber im Gebirge“. Doch ergibt sich hier aus dem Kontext der Verwendung („folgenden … namentlich genannten Krankheiten“), dass „namentlich“ im Sinne von „beim Namen genannt“ zu verstehen ist. Auch die Wortstellung entspricht nicht der Einleitung einer beispielhaften Aufzählung, sondern müsste bei einer solchen lauten: „… sind namentlich die folgenden …“
Der Einschub in der Formulierung „die folgenden im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten …“ nimmt der Wendung „die folgenden“ nicht die Bedeutung, sich auf die nach dem Doppelpunkt folgenden Listen zu beziehen. Aus der Erwähnung des Infektionsschutzgesetzes in der Klausel kann nicht der Schluss gezogen werden, dass damit alle in diesem Gesetz aufgenommenen oder auch später hinzukommenden Krankheiten und Krankheitserreger versichert seien. Wenn der Versicherer hier eine Liste der versicherten Krankheiten und Erreger in eine Klausel seiner Versicherungsbedingungen aufnimmt, macht dies deutlich, dass damit nicht nur über den Inhalt des Infektionsschutzgesetzes informiert werden oder Versicherungsschutz angepriesen werden soll. Vielmehr werden im Sinne einer rechtlich verbindlichen Regelung die Krankheiten aufgezählt, für die Versicherungsschutz versprochen wird.
Gegen ein Verständnis, wonach die im Bedingungswerk abgedruckten Listen lediglich der schnelleren Information des Versicherungsnehmers dienen würden, während maßgeblich die Aufzählungen in den §§ 6 und 7 IfSG seien, spricht schließlich die Überlegung, dass die Versicherungsbedingungen auf dem Stand, den sie bei Abschluss des Versicherungsvertrags hatten, naturgemäß nicht alle nachfolgenden Gesetzesänderungen einbeziehen und wiedergeben können. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kann schon aus diesem Grund nicht erwarten, dass es statt der abgedruckten Listen auf den Gesetzestext ankäme.“
b) Auch der für den Versicherungsnehmer erkennbare Zweck der Bedingungen verlangt eine Auslegung der genannten Klausel als abschließende Aufzählung. Hierzu führt das OLG München (aaO) aus:
„Erkennbarer Zweck der Leistungsbeschreibung ist es, den Leistungsumfang zu bestimmen. Insbesondere soll dem Versicherer eine Kalkulation ermöglicht werden. Der Versicherungsnehmer soll informiert entscheiden können, ob die Versicherung die ihm drohenden Risiken abdeckt und abgeschlossen werden soll.
Ausgehend von diesem Zweck ist eine Erwartung des Versicherungsnehmers nicht begründbar, der Versicherer werde Versicherungsschutz für alle Infektionskrankheiten ohne Unterschied gewähren und ohne die Möglichkeit, die Gefahrträchtigkeit einer Krankheit abschätzen zu können (vgl. OLG Hamm, r+s 2020, 506; OLG Stuttgart, r+s 2021, 139 Rn. 18 ff mwN, 31). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennt anhand der Klausel die Krankheiten und Erreger, für die Schutz besteht. Er muss davon ausgehen, dass er nur insoweit geschützt – und dass die Prämie entsprechend kalkuliert – ist, weil andernfalls keine Aufzählung erforderlich wäre und weil kein Zusatz wie „insbesondere“ angebracht ist.“
Auch diesen Ausführungen schließt sich die Kammer in vollem Umfang an und macht sie sich zu eigen.
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus dem Umstand, dass bestimmte Krankheiten oder Erreger vom Versicherungsschutz ausdrücklich ausgeschlossen sind (§ 4 Ziff. 3 der ZBSV 08), nicht geschlossen werden, dass die vorherige Aufzählung der versicherten Krankheiten und Erreger nicht abschließend gewesen sei. Der Ausschluss hat erkennbar nur den Erklärungswert, dass der Versicherer in bestimmten Fällen keinesfalls Versicherungsschutz gewähren will, unabhängig davon, was nach der primären Risikobeschreibung versichert wäre (vgl. OLG München, a.a.O Rdnr. 21, OLG Stuttgart, a.a.O Rdnr. 34).
d) Nach alldem kann der verständige Versicherungsnehmer klar erkennen, dass eine Aufzählung vorliegt, welche die Einstandspflicht der Beklagten auf die aufgezählten Fälle begrenzt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer konnte in Anbetracht des Wortlauts der Bestimmung nicht annehmen, dass auch die Krankheiten COVID-19 bzw. SARS-CoV-2 dem von der Beklagten versprochenen Versicherungsschutz im Falle einer Betriebsschließung unterfallen.
2. Die Regelung des § 2 der ZBSV 08 ist auch wirksam.
a).
Es handelt sich nicht um eine überraschende Klausel im Sinne vom § 305 c Abs. 1 BGB. Danach wird eine Bestimmung in allgemeinen Versicherungsbedingungen, die nach den jeweiligen Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, überraschend ist, nicht Vertragsbestandteil. Entscheidend für die Einordnung ist hierbei, ob zwischen der Erwartungen des Versicherungsnehmers und dem Klauselinhalt eine Diskrepanz besteht, mit der der Versicherungsnehmer vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte (BGH, Beschluss vom 06.07.2011, Az: IV ZR 2017/09 – Rd. 19).
Im vorliegenden Fall ist die Regelung in § 1 Nr.1 und 2 der AVB nicht überraschend. Eine Eingrenzung des Versicherungsschutzes ist bei Versicherungsverträgen aller Art zulässig und üblich. Es kann für den Versicherungsnehmer nicht überraschend sein, wenn der Versicherungsschutz auf bestimmte Krankheiten und Krankheitserreger begrenzt wird.
b).
Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 S.2 BGB liegt nicht vor. Danach muss der Verwender allgemeiner Versicherungsbedingungen die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darstellen und die wirtschaftlichen Nachteile erkennen lassen (vgl. LG Freiburg a.a.O. Rd. 40).
aa). Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich nach Satz 2 der Vorschrift auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
Nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden (BGH, Urteil vom 4. April 2018 – IV ZR 104/17, NJW 2018, 1544 Rn. 8 mwN). Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht (BGH, Urteil vom 20. November 2019 – IV ZR 159/18, r+s 2020, 45 Rn. 7).
Der Verwender muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entsteht (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 – III ZR 157/10, VersR 2012, 323 Rn. 27). Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ist nicht schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (BGH, Urteil vom 13. September 2017 – IV ZR 302/16, r+s 2017, 586 Rn. 15; vom 4. April 2018, aaO).
bb). Gemessen daran ist der Leistungsumfang in § 2 der ZBSV 08 ausreichend transparent geregelt. Das OLG München führt in seinem Beschluss vom 12.05.2021 (Rdnr. 29 ff) hierzu zutreffend aus:
„Der Wortlaut der Klausel ist nicht unklar oder mehrdeutig. Versichert sind nicht sämtliche Betriebsschließungen nach dem Infektionsschutzgesetz, sondern nur die in der erkennbar abschließenden Aufzählung genannten. Einen umfassenden Versicherungsschutz kann der Versicherungsnehmer dem Wortlaut nicht entnehmen, was sich aus der Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger sowie der Formulierung ergibt, die nicht den Eindruck erweckt, alle im Infektionsschutzgesetz genannten Krankheiten und Erreger seien versichert. Das Wort „namentlich“ wird in § 1 Nr. 2 AVB-BS 2013 nicht im Sinne von „insbesondere“ verwendet. Es meint an dieser Stelle auch keine Meldepflicht unter namentlicher Nennung der betroffenen Person (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Satz 1 gegenüber § 7 Abs. 3 Satz 1 IfSG), sondern beim Namen genannte Krankheiten und Krankheitserreger, die versichert sein sollen und die der Versicherungsnehmer in der ausführlichen Aufzählung in den Versicherungsbedingungen vorfindet. Dass diese Aufzählung umfangreich ist, liegt in der Natur der Sache.
Mit der Regelungstechnik der abschließenden Aufzählung wird dem Versicherungsnehmer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Der Versicherungsgeber ist nach Treu und Glauben nicht gehalten, dem Versicherungsnehmer wirtschaftliche Nachteile und Belastungen noch besser erkennbar zu machen. Wird der Versicherungsumfang in dieser Weise durch eine Aufzählung der versicherten Krankheiten und Erreger bestimmt, muss dem Versicherungsnehmer einleuchten, dass der Versicherer, der sein Risiko begrenzen muss, auf die Weise kalkuliert, dass er ganz bestimmte Krankheiten und Erreger versichert, weil er keinen Einfluss darauf hat, welche weiteren Krankheiten und Erreger der Gesetzgeber in das Infektionsschutzgesetz aufnehmen wird. Dies widerspricht nicht der Forderung, der Versicherungsnehmer müsse die Möglichkeit haben, Lücken im Versicherungsschutz zu erkennen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann bei aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung der Regelungen nach deren Formulierung von vornherein nicht davon ausgehen, alle Erkrankungen und Erreger, die künftig in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen werden, seien versichert.
Eine etwaige Unwirksamkeit der Klausel über die Ausschlüsse würde nicht zur Intransparenz der Risikobeschreibung führen, weil es sich hier um getrennt zu betrachtende Klauseln handelt, die unabhängig voneinander Bestand haben können. Die beiden Regelungen weisen zwar einen Zusammenhang auf, sind aber trennbar und jeweils für sich betrachtet gesondert zu bewerten; eine mögliche Unwirksamkeit der Ausschlussregelungen führt nicht dazu, dass die Regelung zum grundsätzlichen Umfang des Versicherungsschutzes intransparent würde. Wie bereits ausgeführt handelt es sich bei dem in Ziff. 1 dargestellten Leistungsumfang nicht um eine verkappte Ausschlussregelung, sondern um die ausreichend bestimmbare Festlegung der grundsätzlichen Leistungspflicht des Versicherers. (OLG München, a.a.O)“.
c).
Die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf die aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger führt auch nicht zu einer Vertragsgefährdung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr.2 BGB.
Eine Gefährdung des Vertragszwecks in diesem Sinne liegt erst dann vor, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und damit in Bezug auf das zu versicherte Risiko zwecklos macht (LG Freiburg a.a.O., Rd. 48 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Der Versicherungsschutz bezieht sich auf eine Vielzahl der aufgelisteten Krankheiten und Krankheitserreger. Eine weltweite Pandemie mit einem bisher unbekannten Erreger ist ein extremer Ausnahmefall, der nicht zu einer Aushöhlung des Versicherungsschutzes führt, wenn er in den Versicherungsbedingungen nicht erwähnt ist (ebenso OLG Stuttgart aaO, Rdnr. 39 ff).
d).
Auch eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 S.1 BGB i.V.m. § 307 Abs. 2 Nr.1 BGB liegt nicht vor. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ein die Krankheit Covid19 nicht umfassender Versicherungsschutz mit wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung nicht vereinbar wäre. Hierbei könnte allenfalls der Rechtsgedanke des § 1 a VVG herangezogen werden. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass eine Versicherungsvertrag derart ausgestaltet sein muss, dass er sich dynamisch an etwaige Änderungen von tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten anpassen müsste (OLG Stuttgart a.a.O. Rd. 36 f). Eine gesetzliche Regelung dahingehend, dass Schäden durch eine Unterbrechung des Betriebs aufgrund von Maßnahmen des Infektionsschutzes all umfassend abgesichert werden müssen, gibt es nicht.
3. Dementsprechend besteht kein Leistungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte.
Auf die Fragen, ob ein Leistungsanspruch auch im Falle einer Teilschließung besteht und ob der Versicherungsschutz sich nur auf betriebsinterne Gefahren bezieht, kommt es deshalb nicht mehr an.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Der Streitwert wurde in Höhe der geltend gemachten Klageforderung festgesetzt.
Verkündet am 16.06.2021


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