Versicherungsrecht

Leistungen aus Betriebsschließungsversicherung nach behördlicher Maßnahme wegen der Corona-Pandemie

Aktenzeichen  2 O 5654/20

Datum:
29.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
r+s – 2021, 144
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 6, § 7
BGB § 307
AVB Betriebsschließungsversicherung

 

Leitsatz

Verspricht der Versicherer einer Betriebsschließungsversicherung in seinen AVB Leistungen für den Fall, dass “die zuständige Behörde aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern bei Menschen schließt” und definiert er in den AVB meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger als “die folgenden, im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger”, ist die nachfolgende Aufzählung abschließend, so dass kein Versicherungsschutz für eine Betriebsschließung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie besteht, wenn weder COVID-19 noch SARS-CoV-2 in der Aufzählung benannt sind. (Rn. 16 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klägerin hat keinen Zahlungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag. Die streitgegenständliche Einschränkung des klägerischen Gastronomiebetriebes im Zusammenhang mit der Corona-Virus-Krankheit-2019 (COVID-19) bzw. wegen des SARSCoV-2-Erregers ist nicht vom Versicherungsschutz gedeckt. Es handelt sich dabei nicht um „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger“ im Sinne des Versicherungsvertrages.
Die Aufzählung in § 2 ZBSV 08 – die unstreitig weder die COVID-19-Krankheit, noch den SARS-CoV-2-Erreger benennt – ist abschließend. Dies ergibt die Auslegung der für die Leistungspflicht der Beklagten maßgeblichen vertraglichen Vereinbarung.
Durch den Abschluss des Versicherungsvertrages ist eine Betriebsschließung wegen des Auftretens einer Corona-Virus-Krankheit-2019 (COVID-19) bzw. wegen des SARS-CoV-2- Erregers nicht versichert.
1. Bei den Zusatzbedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) – 2018 (ZBSV 08) handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB.
a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind. Abzustellen ist insoweit auf den typischen Adressaten- und Versichertenkreis der konkreten Bedingungen. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind dabei „aus sich heraus“, also ohne Heranziehung anderer Texte, auszulegen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (st. Rspr. vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2020, IV ZR 125/18, r+s 2020, 222; BGH, Urt. v. 06.03.2019, IV ZR 72/18, r+s 2020, 85 sowie zuletzt BGH, Urt. v. 18.11.2020 – IV ZR 217/19 -, juris).
b) Betriebsschließungsversicherungen werden von gewerblich tätigen Versicherungsnehmern abgeschlossen, insbesondere von Betrieben, die mit der Lebensmittelherstellung oder – verarbeitung zu tun haben (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 IfSG). Bei solchen Unternehmen besteht die Gefahr, dass eine Behörde den Betrieb aufgrund von Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) schließt. Dabei handelt es sich regelmäßig um Betriebe, die einen kaufmännisch eingerichteten Gewerbebetrieb erfordern, weshalb man von den Inhabern oder Geschäftsführern jeweils entsprechende kaufmännische Kenntnisse und Sorgfalt bei dem Durchlesen eines Vertragsformulars erwarten kann. Im Regelfall besitzen die Inhaber oder Geschäftsführer dieser Betriebe jedoch keine vertieften Kenntnisse medizinischer oder rechtlicher Art im Zusammenhang mit dem Inhalt des IfSG (LG München I, Urt. v. 01.12.2020 – 12 O 5895/20, r+s 2020, 618).
2. Gemessen am Vorstehenden ist für einen durchschnittlichen „GastronomiebetriebVersicherungsnehmer“ die Aufzählung der namentlich benannten Krankheiten und Krankheitserreger in § 2 ZBSV 08 abschließend. Ihm wird hinreichend deutlich, dass der Versicherer nur für die dort ausdrücklich genannten Risiken einstehen will.
Die Kammer schließt sich für die streitgegenständlich formulierten Versicherungsbedingungen („namentlich“-Klausel) aufgrund eigener Überzeugungsbildung der insoweit auch nahezu einheitlichen Rechtsprechung anderer Landgerichte an, wie z.B.:
– LG Ellwangen, Urt. v. 17.09.2020 – 3 O 187/20, r+s 2020, 626,
– LG Bayreuth Urt. v. 15.10.2020 – 22 O 207/20, BeckRS 2020, 29045,
– LG Bochum Urt. v. 4.11.2020 – 13 O 68/20, BeckRS 2020, 34878,
– LG Essen Urt. v. 11.11.2020 – 18 O 180/20, BeckRS 2020, 34553,
– LG Oldenburg Urt. v. 18.11.2020 – 13 O 1272/20, BeckRS 2020, 31483,
– LG Hanau Urt. v. 24.11.2020 – 9 O 662/20, BeckRS 2020, 34147,
– LG Hamburg Urt. v. 10.12.2020 – 332 O 238/20, BeckRS 2020, 34910,
– LG Lüneburg Urt. v. 30.11.2020 – 5 O 171/20, BeckRS 2020, 33998,
– LG Köln Urt. v. 2.12.2020 – 20 O 139/20, BeckRS 2020, 3406,
– LG Stuttgart Urt. v. 7.12.2020 – 18 O 270/20, BeckRS 2020, 34908,
– LG Hannover Urt. v. 7.12.2020 – 2 O 145/20, BeckRS 2020, 35183
– LG Kempten Urt. v. 08.12.2020 – 31 O 714/20, BeckRS 2020, 34906,
– LG Regensburg Urt. v. 11.12.2020 – 34 O 1277/20, BeckRS 2020, 34790.
Der zu einem anderen Ergebnis führenden Argumentation des LG München I (Urt. v. 01.12.2020 – 12 O 5895/20, r+s 2020, 618), des LG Hamburg (Urt. v. 4.11.2020 – 412 HKO 91/20, BeckRS 2020, 30449) und des LG Darmstadt (Urt. v. 9.12.2020 – 4 O 220/20, BeckRS 2020, 35645) vermag sich die Kammer nicht anzuschließen.
3. Ergänzend bzw. vertiefend zu den in den vorgenannten Entscheidungen bereits ausführlich erörterten Argumenten hebt die Kammer noch die folgenden Aspekte hervor:
a) Im Ausgangspunkt wird ein Gastronomiebetreiber, der seinen Betrieb gegen Schäden aufgrund einer behördlich angeordneten Schließung nach dem Infektionsschutzgesetz versichern will erkennen, dass die versicherten Gefahren „Krankheiten und Krankheitserreger“ dynamisch sind und Veränderungen unterliegen:
Anders als andere versicherte Gefahren wie „Feuer“ oder „Einbruchdiebstahl“, die abschließend beschrieben und definiert werden können, ist allgemein und insbesondere Inhabern lebensmittelverarbeitender Betriebe bekannt (vgl. Belehrungspflichten nach § 43 IfSG), dass es keinen abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern gibt. Daraus folgt, dass erkennbar der Frage entscheidende Bedeutung zukommt, ob die versicherten Gefahren „Krankheiten und Krankheitserreger“ zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entweder abschließend und unabänderlich be- und festgeschrieben sind oder auch zukünftig neu auftretende bzw. entdeckte Krankheiten und Krankheitserreger einbezogen sein sollen. Einem kaufmännisch denkenden Versicherungsnehmer ist klar, dass ein im letztgenannten Sinne dynamischer Versicherungsschutz, der quasi einer „BlankoDeckung“ gleichkommt, für den Versicherer mit kaum überschaubaren finanziellen Risiken verbunden wäre. Dies bedeutet zwar nicht, dass aus Sicht des „GastronomieVersicherungsnehmers“ die Übernahme eines solch hohen Risikos durch den Versicherer von vornherein ausgeschlossen ist. Der kaufmännische Versicherungsnehmer wird seine Augen aber nicht davor verschließen können, dass derartiger Versicherungsschutz „seinen Preis“ hätte. Der Versicherer hätte zwar durch die limitierte Haftzeit von 30 Tagen (§ 3 Nr. 1 a) ZBSV 08) eine verlässliche Kalkulationsbasis. Unkalkulierbar wäre für ihn aber die Zahl der Betroffenen Betriebe/Versicherungsnehmer, wenn es – wie streitgegenständlich – infolge einer Pandemie zu flächendeckenden Betriebsschließungen/Versicherungsfällen kommt.
Eine Jahresprämie von 317,81 € für die abgeschlossene Sach-Inhaltsversicherung, in der zusätzlich noch bewegliche Sachen, Daten und Programme gegen Feuer, Einbruchdiebstahl, Leitungswasser, Sturm und Hagel versichert sind, kann einer solchen kaufmännischen Betrachtung nicht standhalten – ohne dass es hierzu vertiefter versicherungsmathematischer Kenntnisse bedürfte.
Ungeachtet dessen würde auch im Falle einer dynamischen Verweisung auf das IfSG in seiner jeweils geltenden Fassung nicht dazu führen, dass die Klägerin Versicherungsleistungen beanspruchen könnte. Die „Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“ wurde als § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. t erst durch Gesetz vom 19.05.2020 mit Wirkung vom 23.05.2020 (BGBl. I S. 1018) in das IfSG aufgenommen. Zum Zeitpunkt des Eintritts des streitgegenständlichen Versicherungsfalls, also mit behördlicher Anordnung der Schließung zum 16. bzw. 17.03.2020 (A. § 1 II. 1. AVB) lag also auch nach § 6 IfSG noch keine meldepflichtige Krankheit vor. Der von der Klägerin für den Zeitraum vom 16.03. bis 10.04.2020 geltend gemachte Anspruch liegt also noch vor der entsprechenden Gesetzesänderung.
b) Dass einmal vereinbarter Versicherungsschutz durch Zeitablauf nicht mehr den ursprünglichen Erwartungen entspricht, weil die vereinbarten Regelungen durch die tatsächliche (hier: medizinische) Entwicklung zum Teil überholt bzw. entwertet werden, kann nicht dazu führen, ein eindeutiges Verständnis der vereinbarten Klauseln zugunsten des Versicherungsnehmers zu „biegen“. Es ist keine Besonderheit des Versicherungsrechts, sondern entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung in vielen Bereichen, dass durch Zeitablauf etwa die technische Entwicklung einmal geschlossene Verträge weit weniger attraktiv bzw. sogar überflüssig werden lässt. Man denke nur an das Preis-Leistungsverhältnis eines Festnetz- oder Mobilfunk-Vertrages, der vor 5 Jahren geschlossen wurde im Vergleich zu aktuell marktgerechten Konditionen.
c) Die Formulierung in § 2 Nr. 2 ZBSV 08, wonach „die folgenden … genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ meldepflichtig und damit versichert sind, spricht nach ihrem klaren Wortlaut und der gebotenen unbefangenen Betrachtung dafür, dass eben nur die im Anschluss genannten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz erfasst sein sollen (anders in den Bedingungen im Fall des LG Mannheim, Urt. v. 29.04.2020, 11 O 66/20 = r + s 2020, 338, wo das Wort „folgende“ nicht verwendet wurde). Wäre insoweit eine dynamische Verweisung oder eine Verweisung auf den vollständigen Katalog der vorgenannten Regelungen gewollt gewesen, hätte es einer Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger gar nicht (mehr) bedurft. Schon dies spricht dafür, dass die Klausel nicht dahingehend zu verstehen ist, dass alle in §§ 6 und 7 IfSG aufgelisteten Krankheiten versichert sein sollen (abweichend insoweit wiederum im Fall des LG Mannheim Urt. v. 29.04.2020, 11 O 66/20, r+s 2020, 338, wo in den AVB keine enumerative Aufzählung erfolgte, sondern nur auf §§ 6, 7 IfSG verwiesen wurde).
d) Der Umstand, dass sich in der Klausel kein eine Öffnung indizierender Zusatz wie „insbesondere“ oder „beispielsweise“ findet, ist hingegen ohne Aussagekraft: Die ausdrückliche Formulierung einer solchen „Öffnung“ spräche zweifelsohne für einen nicht abschließenden Charakter. Umgekehrt kann bei einer – wie hier nicht – im übrigen bezüglich einer Öffnung neutralen Wortwahl nicht daraus geschlossen werden, dass eine Öffnung nicht beabsichtigt sei (so aber wohl LG Magdeburg, Urt. v. 06.10.2020 – 31 O 45/20 -, juris; zutreffend LG Hannover Urt. v. 7.12.2020 – 2 O 145/20, BeckRS 2020, 35183 Rn. 24 mit hingegen nicht durchgehend angemessener Diktion). Entsprechendes gilt für das Fehlen einer Formulierung, die eindeutig auf den Ausschluss einer Öffnung hinweist (so aber wohl LG Essen Urt. v. 11.11.2020 – 18 O 180/20, BeckRS 2020, 34553), wie z.B. „ausschließlich“ (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15.07.2020 – I-20 W 21/20, r+s 2020, 506, vorgehend LG Essen, Beschluss vom 16.06.2020 – 18 O 150/20, r+s 2020, 506; LG Köln Urt. v. 26.11.2020 – 24 O 262/20, BeckRS 2020, 35063: „nur die im Folgenden aufgeführten …“)
e) Auch das in der Klausel verwendete Wort „namentlich“ kann vorliegend nicht als Synonym für „insbesondere“ angesehen werden. Denn es steht an einer Stelle, an der auf die §§ 6 und 7 des IfSG verwiesen wird und bezieht sich eindeutig nicht auf den Teil des Satzes, der die „folgende“ Auflistung betrifft (LG Oldenburg Urt. v. 18.11.2020 – 13 O 1272/20, BeckRS 2020, 31483). Hiergegen spricht bereits eindeutig die Stellung des Wortes „namentlich“ in der Satzkonstruktion. Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob „namentlich“ hier bedeuten soll, dass „die maßgeblichen Krankheiten und Krankheitserreger mit ihrem Namen benannt werden“ (so LG Essen, Urt. v. 21.10.2020 – 18 O 167/20 -, juris) oder aber, dass „namentlich“ hier synonym zur Verwendung in § 6 Abs. 3 i.V.m. § 9, § 10 IfSG steht. Dort ist „namentlich“ in dem Sinne zu verstehen, dass die aufgezählten Krankheiten mit Nennung des Namens der erkrankten Personen zu melden sind.
f) Anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Klausel vorgenommenen Bezugnahme auf § 6 und § 7 IfSG.
Insbesondere der ausdrückliche Ausschluss für Prionenerkrankungen in § 4 Nr. 3 ZBSV 08 ist nicht dazu angetan, bei einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer den Umkehrschluss zu provozieren, dass dieser Risikoausschluss ohne offene Formulierung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger gegenstandslos sei (so aber z.B. Armbrüster in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz 31. Aufl. 2021 AVB BS 2002 Rn. 11). Zum einen hätte die Ausschlussklausel auch als klarstellende und deklaratorische Aussage eine Rechtfertigung, um etwaige Fehlvorstellungen auszuschließen. Zum anderen würden derartige Erwägungen einen mehr als überdurchschnittlichen Versicherungsnehmer erfordern, der der über vertiefte Kenntnisse medizinischer oder rechtlicher Art im Zusammenhang mit dem Inhalt des IfSG verfügt (LG Köln Urt. v. 2.12.2020 – 20 O 139/20, BeckRS 2020, 3406; vgl. auch LG München I, Urt. v. 01.12.2020 – 12 O 5895/20, r+s 2020, 618). Dieser überdurchschnittliche Versicherungsnehmer, der „obligatorisch“ dass IfSG zu Rate zieht (so ausdrücklich LG Hamburg Urt. v. 4.11.2020 – 412 HKO 91/20, BeckRS 2020, 30449 Rn. 37) – ist allerdings nicht Auslegungsmaßstab für den Inhalt der Vertragsklausel.
Schließlich ist zu sehen, dass zwar die in § 6 und § 7 IfSG im Zeitpunkt des Vertragsschlusses namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger im Wesentlichen in die katalogmäßige Aufzählung im Klauselwerk übernommen wurden, die generalklauselartigen Formulierungen in § 6 Abs. 1 Nr. 5 und § 7 Abs. 2 IfSG hingegen nicht (LG Ellwangen, Urt. v. 17.09.2020 – 3 O 187/20, r+s 2020, 626). Gerade der große Umfang der Aufzählung macht nur dann Sinn, wenn er sich vom identischen Inhalt der genannten § 6 und § 7 IfSG unterscheidet (vgl. LG Hamburg Urt. v. 10.12.2020 – 332 O 238/20, BeckRS 2020, 34910 Rn. 23).
4. Die Klausel ist auch nicht etwa deshalb intransparent gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie einerseits auf die folgenden Krankheiten und Erreger verweist, andererseits aber auf das Infektionsschutzgesetz Bezug nimmt.
Hiernach ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht (st. Rspr., z.B. BGH, Urt. v. 20.11.2019 – IV ZR 159/18, r+s 2020, 45). Auch hinsichtlich des Transparenzgebotes sind maßgebend die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist (BGH, Urt. v. 20.11.2019 – IV ZR 159/18, r+s 2020, 45).
Nach dem Vorstehenden ist der Regelungsgehalt, wonach eben nur die folgenden aufgezählten Krankheiten und Erreger versichert sind, ausreichend klar erkennbar. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt damit nicht vor.
5. Schließlich stellt die Klausel auch im übrigen keine den Versicherungsnehmer i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligende Regelung dar. Insbesondere liegt es fern anzunehmen, der Zweck der Betriebsschließungsversicherung liefe beim fehlenden Einschluss einer bestimmten Krankheit/bestimmten Krankheitsträgers leer, sodass der Vertragszweck insgesamt gefährdet sei (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB; z.B. LG Köln Urt. v. 2.12.2020 – 20 O 139/20, BeckRS 2020, 3406).
6. Lediglich klarstellend weist die Kammer darauf hin, dass die hier streitgegenständliche Erkrankung bzw. Krankheitserreger nicht als „Influenzavirus“ im Sinne der Aufzählung verstanden werden kann (so z.B. auch LG Stuttgart Urt. v. 30.11.2020 – 18 O 271/20, BeckRS 2020, 34072). Die der medizinischen Fachsprache entnommenen Begriffe der Aufzählungen sind erkennbar bewusst präzise zugunsten einer Individualisierbarkeit der jeweiligen Krankheit/Krankheitserreger formuliert. Deshalb verbietet sich eine „analoge“ Auslegung der verwendeten Fachtermini.
7. Nach alledem gehören die durch das Corona-Virus erforderlich gewordenen Einschränkungen in der betrieblichen Tätigkeit der Klägerin nicht zu den durch den Versicherungsvertrag umfassten Risiken. Eines Eingehens auf die übrigen Einwendungen der Beklagten bedarf es daher mangels Entscheidungserheblichkeit nicht mehr.
II.
Da die Klägerin bereits in der Hauptsache unterliegt, weil sie keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung hat, steht ihr auch kein Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.


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