Versicherungsrecht

Reparaturkosten, Berufung, Versicherungsfall, Erfolgsaussicht, Streitwertfestsetzung, Versicherungsnehmer, Kaufvertrag, Rechtsanwaltskosten, Rechtsmittel, Versicherer, Arbeitsleistung, Restwert, Ersatzpflicht, Versicherungsvertrag, pauschale Behauptung, im eigenen Namen, Eintritt des Versicherungsfalls

Aktenzeichen  8 U 3825/21

Datum:
21.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 5302
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280 Abs. 1, § 278
GKG § 63 Abs. 3
VVG § 1 S. 1
ZPO § 138 Abs. 1, § 256 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein Wohngebäude- und Hausratversicherer, der für die Sanierung eines Leitungswasserschadens ein Fachunternehmen auswählt, übernimmt damit grundsätzlich keine eigene Reparaturpflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer.
2. Der Versicherer schuldet in einer solchen Konstellation nur die ordnungsgemäße Auswahl eines geeigneten Unternehmens, er haftet hingegen nicht für behauptete weitere Schäden, die das ausgewählte Unternehmen bei Durchführung der Sanierungsarbeiten versuracht haben soll (Fortführung von OLG Nürnberg, NJW-RR 1994, 1512 = r+s 1995, 106).
3. Solange das Rechtsmittel in der Hauptsache bei ihm anhängig ist, ist das Berufungsgericht auch dann zur Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG befugt, wenn alle Beteiligten auf Rechtsmittel gegen den erstinstanzlichen Festsetzungsbeschluss verzichtet haben.

Verfahrensgang

8 U 3825/21 2022-02-14 Hinweisbeschluss OLGNUERNBERG OLG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16.09.2021, Aktenzeichen 11 O 8959/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der Kosten der Streithelferinnen, zu tragen.
3. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Streithelferinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 36.011,05 € festgesetzt.
5. Der Streitwert für das Verfahren der ersten Instanz wird unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.07.2021 auf 36.011,05 festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über Leistungs- und Schadenersatzansprüche im Rahmen einer Hausrat- und Gebäudeversicherung, die der Kläger für sein Einfamilienhaus in der M. Straße … in B. seit dem 14.07.2017 bei der Beklagten unterhielt. Der Risikoschutz ist Teil des Versicherungsprodukts „… PrivatPolice“ (Anlage K 1). Neben den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für dieses Produkt liegen dem Vertrag die Hausratversicherungsbedingungen (Anlagenkonvolut K 2 ab Seite 63; im Folgenden: HRB) und die Wohngebäudeversicherungsbedingungen (Anlagenkonvolut K 2 ab Seite 93; im Folgenden: WGB) zugrunde.
Hintergrund des Rechtsstreits ist ein Leitungswasserschaden, der sich am 17.07.2017 v.a. in der Küche des klägerischen Anwesens ereignete und den der Kläger am gleichen Tag bei der Beklagten meldete. Nach einer von der Beklagten veranlassten Schadensprüfung durch die D. erteilte die Beklagte am 30.08.2017 einen Auftrag an die Streithelferin zu 1) zur Feuchtigkeitsmessung und Trocknung (Anlage B 1). Diese erstellte unter dem 14.09.2017 ein entsprechendes Angebot an den Kläger (Anlage B 2) und beauftragte ihrerseits die Streithelferin zu 2) für einen Teil der Arbeiten als Subunternehmerin.
Für den Schaden am Gebäude leistete die Beklagte eine Entschädigung von insgesamt 5.433,85 € an den Kläger (Anlage K 11). Auf den Schaden am Hausrat des Klägers leistete die Beklagte eine Entschädigung von insgesamt 2.050 € (Anlagen K 12 und K 13).
Der Kläger macht geltend, die Schadensbeseitigungsmaßnahmen seien durch die Streithelferinnen nicht fachgerecht ausgeführt worden. Dadurch sei die Einrichtung des Anwesens in erheblichem Umfang weiter beschädigt worden. Über den eigentlichen Versicherungsfall hinaus sei dem Kläger ein weiterer Schaden von 32.737,32 € entstanden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 32.737,32 €, Feststellung der Ersatzpflicht für weitere mit der Sanierung des Leitungswasserschadens zusammenhängende Schäden sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.809,75 € gerichtete Klage mit Endurteil vom 16.09.2021 ohne Beweisaufnahme vollständig abgewiesen. Es hat dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Feststellungsklage unzulässig sei, da der Kläger nicht dargelegt habe, dass über den bezifferten Betrag hinaus weitere Schäden möglich oder gar wahrscheinlich seien. Im Übrigen bestehe dem Grunde nach weder ein Erfüllungs- noch ein Schadenersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte. Es gebe keine vertraglich vereinbarte Verpflichtung der Beklagten, die Reparaturen selbst zu übernehmen. Soweit der Kläger einen noch nicht erfüllten Entschädigungsanspruch aus dem primären Versicherungsfall behaupte, fehle es an hinreichend substantiiertem Vortrag. Der Beklagten sei weder eine eigene Pflichtverletzung vorzuwerfen noch müsse sie sich das Verhalten der Streithelferinnen zurechnen lassen. Die Beklagte habe lediglich die Auswahl eines geeigneten Sanierungsunternehmens übernommen, hierbei aber nicht schuldhaft gehandelt. Auch deliktische Ansprüche gegen die Beklagte bestünden nicht.
Dieses Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22.09.2021 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers ging am 20.10.2021 beim Oberlandesgericht Nürnberg ein (Bl. 168/169 d.A.). Das Rechtsmittel wurde innerhalb verlängerter Frist mit einem am 06.12.2021 eingegangenen Schriftsatz begründet (Bl. 188 d.A.).
Der Kläger beantragt im Berufungsrechtszug,
das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth – Az.: 11 O 8959/20 – vom 16.09.2021 abzuändern und wie folgt zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.737,32 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. darauf seit 09.11.2017 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger sämtliche Schäden aus dem Leitungswasserschaden und der mit diesem zusammenhängenden Instandsetzung im Anwesen M. Straße …, B., zu ersetzen hat.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren zu Händen der RAe … in Höhe von 1.809,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte und die Streithelferinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil mit ihren Erwiderungen vom 31.01.2022 (Bl. 225 ff. d.A.) und 03.02.2022 (Bl. 231 ff. und 239 ff. d.A.).
Mit Beschluss vom 14.02.2022 hat der Senat darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung mangels Erfolgsaussicht zurückzuweisen (Bl. 244 ff. d.A.).
Hierzu hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22.02.2022 Stellung genommen (Bl. 257 ff. d.A.).
II.
1. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16.09.2021, Aktenzeichen 11 O 8959/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Die Ausführungen in der Gegenerklärung des Klägers vom 22.02.2022 wurden zur Kenntnis genommen und geprüft. Sie geben zu einer Änderung in der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Berufung jedoch keinen Anlass.
Der Senat ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die in erster Instanz festgestellten Tatsachen gebunden. Durchgreifende und entscheidungserhebliche Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen ergeben sich nicht. Die maßgeblichen Tatsachen rechtfertigen keine von der des Landgerichts abweichende Entscheidung und dessen Entscheidung beruht auch nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Zu Recht und mit weitgehend überzeugender Begründung hat das Landgericht Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte verneint und aus diesem Grunde die Klage vollständig abgewiesen. Mit den hiergegen erhobenen Einwendungen kann die Berufung letztlich nicht durchdringen.
a) Zuzugeben ist der Berufung allerdings, dass der im Berufungsrechtszug weiterverfolgten Feststellungsklage nicht das rechtliche Interesse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO abgesprochen werden kann (entgegen LGU 6). Denn der Kläger hat den geltend gemachten „Handwerkerschaden“ teilweise auf der Grundlage von Kostenvoranschlägen beziffert (Anlagen K 15 bis K 17) und insofern lediglich Nettobeträge eingeklagt. Da die Mehrwertsteuer entsprechend § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB nur zu erstatten ist, wenn sie bei dem Geschädigten tatsächlich angefallen ist, ist ihm die Erhebung einer vorrangigen Leistungsklage weder möglich noch zumutbar. Es besteht diesbezüglich also ein rechtliches Interesse des Klägers an der Feststellung einer weitergehenden Ersatzpflicht, auch unter dem Gesichtspunkt der Hemmung der Verjährung.
b) In prozessualer Hinsicht ist sodann klarzustellen, dass die in erster Instanz nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 16.08.2021 erklärte subjektive Klageerweiterung wirkungslos geblieben ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 296a Rn. 2a). Die geänderten Klageanträge sind nicht in mündlicher Verhandlung gestellt worden (§§ 137 Abs. 1, 261 Abs. 2, 297 ZPO) und finden sich auch nicht in der Berufungsbegründung.
c) Zutreffend hat die Vorinstanz einen Primäranspruch des Klägers aus § 1 Satz 1 VVG, Ziffer 12.1.2 HRB, Ziffer 12.1.2 WGB verneint.
aa) Unstreitig ist am 17.07.2017 ein Versicherungsfall eingetreten. Der in der Küche des vertragsgegenständlichen Anwesens entstandene Leitungswasserschaden gehört sowohl in der Hausratversicherung (Ziffer. 1.1.4 und Ziffer 4. HRB) als auch in der Wohngebäudeversicherung (Ziffer 1.1.3 und Ziffer 3. WGB) zu den versicherten Gefahren. Demgemäß hatte die Beklagte hinsichtlich der durch den Wasseraustritt beschädigten Hausratsgegenstände die notwendigen Reparaturkosten und hinsichtlich der zerstörten Gegenstände den Neuwert abzgl. Restwert zu erstatten. Entsprechendes gilt für die beschädigten Gebäudebestandteile.
bb) Über die vorgerichtlich geleisteten Zahlungen hinaus besteht kein weiterer Anspruch des Klägers auf die Versicherungsleistung. Denn der Kläger hat – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – die einzelnen Erstattungspositionen nicht im erforderlichen Maße dargelegt (LGU 7, § 138 Abs. 1 ZPO).
(1) Soweit die Küchenmöbel beschädigt worden sind, hat die Beklagte Reparaturkosten in Höhe von 1.600 € entschädigt (Anlage K 12). Mit der Klage werden Neuwertkosten in Höhe von 10.900 € abzgl. des vorbenannten Betrages verlangt. Es ist aber schon nicht ersichtlich, dass die Küchenmöbel durch den Versicherungsfall zerstört worden sind. Der Kläger behauptet diesbezüglich, dass Mitarbeiter der Streithelferinnen die Küchenmöbel nicht eingelagert, sondern „einfach entsorgt“ hätten (Klageschrift, Seite 4). Dies stellt – als wahr unterstellt – aber als solches keinen Versicherungsfall dar. Ein Verschulden der Streithelfer und deren Mitarbeiter sind der Beklagten im Übrigen auch nicht zuzurechnen, wie noch zu zeigen sein wird.
Eine Neuwertentschädigung kommt darüber hinaus zwar auch bei abhanden gekommenen Hausratsgegenständen in Betracht (Ziffer 12.1.1 HRB). Nach dem für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren Sinnzusammenhang betrifft letzteres jedoch den Versicherungsfall „Diebstahl“. Um die Verwirklichung einer typischen Leitungswassergefahr handelt es sich bei der behaupteten „Entsorgung“ hingegen nicht.
Schließlich fehlte es an Sachvortrag des Klägers zu Art und Güte der bislang vorhandenen Kücheneinrichtung. Der unter Vorlage von Anlage K 5 behauptete Entschädigungsbetrag ist damit einer Plausibilitätskontrolle entzogen. Gleiches gilt für die pauschale Behauptung, dass die zuvor eingebaute Küche einen Wert von 9.000 € gehabt habe (Replik, Seite 4). Auffällig ist in diesem Kontext im Übrigen, dass der Kläger den Kaufvertrag zum Neuerwerb einer Kücheneinrichtung bereits am 19.08.2017 abschloss, noch ehe die Beklagte die Streithelferin zu 1) am 30.08.2017 beauftragte (Anlage B 1) und sich diese wiederum am 14.09.2017 mit einem Angebot an den Kläger wandte (Anlage B 2).
(2) Hinsichtlich der Eckbank macht der Kläger einen Restbetrag von 2.283 € geltend, ohne dass dies nach Grund und Höhe auch nur ansatzweise erläutert worden ist. Unstreitig ist lediglich, dass die Eckbank eingelagert worden ist. Bei dieser Sachlage liefen die Beweisangebote (Zeugin Linke, Sachverständigengutachten) auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus, dem folglich nicht nachzugehen war.
Vergleichbar liegen die Dinge, soweit der Kläger weitere 1.000 € für „Fliesen/Malerarbeiten“ verlangt. Hier fehlt es im Übrigen ebenso an Beweisantritt wie für die Position „Hotelkosten / Nutzungsentgang“ und für weitere 30 Stunden Arbeitsleistung des Klägers.
(3) Aus § 287 ZPO folgt im Streitfall nichts anderes. Diese Vorschrift erlaubt dem Tatrichter zwar eine Schätzung der Höhe des Schadens. Er entbindet den Geschädigten aber nicht von einem Mindestmaß an Darlegung. Fehlt es seinem Vortrag an jeglicher Konkretisierung, insbesondere an schlüssig dargelegten und greifbaren Ausgangstatsachen, würde eine Schadensschätzung völlig „in der Luft hängen“ (vgl. BGH, Urteil vom 06.12.2012 – VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 23 m.w.N.). So liegt der Fall auch hier. § 287 ZPO ist aber kein Instrument für freischwebende Prognosen ohne jede Tatsachengrundlage (vgl. Jäckel, Das Beweisrecht der ZPO, 3. Aufl., Rn. 803).
(4) Ob das Landgericht den anwaltlich vertretenen Kläger auf diese Mängel der Sachverhaltsdarlegung gemäß § 139 ZPO hinweisen musste, erscheint bereits mehr als zweifelhaft. Denn das Vorbringen war völlig substanzlos (vgl. OLG Brandenburg, NZBau 2011, 690; Jäckel, aaO. Rn. 39). Die Berufung legt aber auch nicht dar, was auf den vermissten Hinweis im Einzelnen ergänzend vorgetragen worden wäre (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 26.01.2021 – II ZR 391/18, NZG 2021, 831 Rn. 32; Senatsbeschluss vom 03.02.2021 – 8 U 3471/20, r+s 2021, 270 Rn. 16 jeweils m.w.N.). Die Entscheidungserheblichkeit eines etwaigen Verfahrensfehlers der Vorinstanz kann daher nicht festgestellt werden (§ 520 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
d) Ebenso wenig besteht ein Schadenersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB oder aus §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1 BGB. Die vom Landgericht herausgearbeiteten tragenden Gesichtspunkte stehen mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats ein Einklang (vgl. Senatsurteil vom 05.05.1994 – 8 U 597/94, r+s 1995, 106). Diese Rechtsprechung ist entgegen der Ansicht der Berufung nicht durch die VVG-Reform 2008 obsolet geworden. Denn die Frage, welche Leistungen ein Hausrat-/Wohngebäudeversicherer im Versicherungsfalle schuldet, ist von der Reform unberührt geblieben und richtet sich nach wie vor nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien.
aa) Es steht außer Zweifel, dass sich der Versicherer schadensersatzpflichtig macht, wenn er im Rahmen der Regulierung eines eingetretenen Versicherungsfalls schuldhaft eine Pflicht verletzt, die ihm gegenüber dem Versicherungsnehmer obliegt. Dies gilt v.a. für die Fälle einer verzögerten Regulierung (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 10.05.2021 – 8 U 3174/20, r+s 2021, 334 Rn. 23 m.w.N.), aber auch für andere Pflichtverletzungen.
Eine solche fällt der Beklagten im Streitfall aber nicht zur Last (LGU 8/9).
bb) Sowohl in der Hausratwie auch in der Wohngebäudeversicherung besteht die bei Eintritt des Versicherungsfalls gemäß § 1 Satz 1 VVG zu erbringende Leistung grundsätzlich in einer Entschädigung durch Geldzahlung. Der Versicherer schuldet demnach keine Naturalrestitution (vgl. LG Konstanz, BeckRS 2009, 86800; LG Düsseldorf, r+s 2008, 297). Nichts anderes haben die Parteien hier vereinbart (Ziffer 12.1 HRB, Ziffer 12.1 WGB).
Soweit der Kläger auf Ziffer 6.4.1 HRB und Ziffer 5.4.1 WGB verweist, ergibt sich hieraus im vorliegenden Fall keine andere Sichtweise. Denn die Sachleistungspflicht des Versicherers betrifft angesichts der klar erkennbaren Stellung der genannten Klauseln und der Systematik der Bedingungswerke nur den Versicherungsfall „Glasbruch“, der hier jedoch nicht eingetreten ist und ausweislich des Versicherungsscheins auch nicht zu den versicherten Gefahren gehört (Anlage K 1).
Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, gibt es auch keine Anhaltspunkte für eine von den Versicherungsbedingungen abweichende Individualabrede der Parteien (LGU 7; vgl. hierzu BeckOK-VVG/Schepers, § 1 Rn. 33 [Stand: 05.11.2021]).
cc) Beauftragt ein Hausrat- und/oder Gebäudeversicherer nach Eintritt des Versicherungsfalls einen Werkunternehmer mit der Instandsetzung beschädigter Gegenstände und Gebäudeteile, so handelt er regelmäßig im Namen des Versicherungsnehmers. Auch wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer bei der Beauftragung der Reparatur unterstützt bzw. sich darum kümmert, will er die Reparatur nicht als eigene vertragliche Verpflichtung und auf eigenes Risiko durchführen (vgl. Senatsurteil vom 05.05.1994 – 8 U 597/94, r+s 1995, 106). Er will lediglich die Sanierung beschleunigen, um dem Versicherungsnehmer eine zeitnahe Entschädigung zu ermöglichen. So liegt der Fall auch hier.
Dass die Beklagte die Streithelferin zu 1) – abweichend vom Regelfall – in eigenem Namen beauftragt hat, unterfiel der Beweislast des Klägers (vgl. Nugel, jurisPR-VersR 10/2008 Anm. 4). Hierzu hat der Kläger außer einer abweichenden Wertung schon nichts Konkretes vorgetragen und auch die tatsächlichen Umstände sprechen dagegen. Denn die Streithelferin zu 1) hat ihr Angebot zur Durchführung von Fliesen-, Trocknungs-, Installations- und Malerarbeiten etc. am 14.09.2017 ausdrücklich gegenüber dem Kläger abgegeben und den Kläger um Rücksendung eines unterzeichneten Auftragsformulars gebeten (§ 145 BGB; Anlage B 2). Hiervon hat die Streithelferin zu 1) dann am 02.10.2017 die Beklagte in Kenntnis gesetzt (Anlage K 21), wobei mit „Originalangebot: 317046695“ offensichtlich das als Anlage B 2 vorliegende Dokument gemeint war.
Soweit der Kläger in seiner Gegenerklärung vom 22.02.2022 geltend macht, er habe seinerseits keinen Auftrag erteilt, überzeugt dies nicht. Der Kläger hat die auf der Grundlage eines an ihn adressierten Angebots der Streithelferin zu 1) erbrachten Werkleistungen entgegengenommen. Dies kann aus Sicht eines objektiven Empfängers und nach den Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs nur als Vertragsannahme angesehen werden. Eine besondere Form war hierfür nicht notwendig, denn § 650i Abs. 2 BGB galt in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht.
Die im nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 10.08.2021 aufgestellte Behauptung, die Beklagte habe ihm keine Wahl gelassen, welche Firmen mit der Sanierung beauftragt werden, steht beweislos im Raum.
Demgemäß schuldet der Versicherer in einer solchen Konstellation keine eigene Sanierungsleitung gegenüber dem Versicherungsnehmer. Es war auch erkennbar, dass die Beklagte über die vertraglich zugesagte Entschädigung für nachgewiesene Wiederbeschaffungs- und Reparaturkosten hinaus keine Haftung für etwaige Werkmängel oder von den Werkunternehmern begangene Nebenpflichtverletzungen übernehmen wollte. Dergleichen durfte der Kläger auch nicht erwarten.
Die mit der Instandsetzung beauftragten Werkunternehmer werden daher – bezogen auf den Versicherungsvertrag – nicht im Pflichtenkreis des Versicherers tätig; sie sind nicht seine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB; vgl. OLG Bremen, BeckRS 2011, 24093; LG Düsseldorf, r+s 2008, 297, 298; MüKo-VVG/Spielmann, 2. Aufl., 200 Sachversicherung, Rn. 240). Das behauptete Fehlverhalten der Streithelferinnen („Handwerkerverschulden“) ist der Beklagten somit nicht zuzurechnen (vgl. Prölss/Martin/Klimke, VVG, 31. Aufl., VHB 2016, A § 12 Rn. 6).
Die im nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 10.08.2021 zitierte Entscheidung des OLG Koblenz (Urteil vom 16.11.2007 – 10 U 100/07, r+s 2009, 291) rechtfertigt keine andere Sichtweise. Denn der dortige Fall betraf eine Berufsunfähigkeitsversicherung, bei der dem Versicherer die Prüfung des Gesundheitszustandes der versicherten Person obliegt (vgl. § 7 BUV/ BUZ), so dass ein hiermit beauftragter Gutachter folglich im Pflichtenkreis des Versicherers tätig wird. Um eine derartige Begutachtung geht es hier jedoch nicht.
Nichts anderes folgt aus dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, auf den der Kläger in seiner Gegenerklärung vom 22.02.2022 verweist. Zwar muss das Berufungsgericht grundsätzlich von den Feststellungen im Tatbestand ausgehen (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.2009 – V ZR 75/08, NJW 2009, 3787 Rn. 35 m.w.N.). Aus diesen Feststellungen ergibt sich jedoch nur, dass die Beklagte die Streithelferin zu 1) beauftragt hat und dass diese wiederum dem Kläger gegenüber ein Angebot unterbreitete (LGU 2/3). Damit hat die Beklagte allerdings nicht die Reparaturleistung an sich gezogen, sondern der Streithelferin zu 1) lediglich die Weisung erteilt, einen auf die Reparatur gerichteten Werkvertrag mit dem Kläger abzuschließen. Dieses nach den äußeren Merkmalen eigene Geschäft der beauftragten Streithelferin zu 1) sollte zugleich dem oben beschriebenen Interesse der Beklagten an einer zügigen Regulierung des Versicherungsfalls dienen (vgl. hierzu im Zusammenhang mit dem Auftragsrecht: BeckOK-BGB/Fischer, § 662 Rn. 8 [Stand: 01.02.2022) ]. Eine Abweichung von dem „üblichen Versicherergebaren“ vermag der Senat darin nicht erkennen.
dd) Aus der von ihr übernommenen Beauftragung der Streithelferin zu 1) schuldete die Beklagte nur die sachgerechte Auswahl eines für die Sanierung geeigneten Unternehmens (vgl. vgl. Senatsurteil vom 05.05.1994 – 8 U 597/94, r+s 1995, 106, 107). Eine Verletzung dieser Pflicht ist jedoch nicht vorgetragen worden (LGU 9), schon gar nicht liegt sie – wie die Berufung meint – auf der Hand. Es stellt auch nicht ohne Weiteres ein Auswahlverschulden dar, dass die Beklagte es nicht unterbunden hat, dass die Streithelferin zu 1) ihrerseits einen Subunternehmer beauftragt (Berufungsbegründung, Seite 6). Ebenso wenig traf die Beklagte eine – etwa mit einem Architekten vergleichbare – Überwachungspflicht.
ee) Ein weitergehendes Geschäft des Klägers hat die Beklagte nicht geführt und sich ein solches auch nicht böswillig als eigenes angemaßt. Der Kläger hat weder den Beweis der Voraussetzungen des § 687 Abs. 2 BGB geführt (vgl. hierzu BeckOK-BGB/Gehrlein, § 687 Rn. 4 [Stand: 01.02.2022]) noch ist ein Übernahmeverschulden i.S.d. § 678 BGB ersichtlich. Eine angemaßte Eigengeschäftsführung beträfe nach den obigen Ausführungen ohnehin nur die Beauftragung der Streithelferin zu 1). Unabhängig davon liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vor, die Beklagte habe eine etwaige Beauftragung der Streithelferin zu 1) (im Umfang des Angebots gem. Anlage B 2) als eigenes Geschäft vorgenommen; allein der Umstand, dass die Beklagte diese Beauftragung im eigenen Namen vorgenommen haben könnte, genügt hierfür jedenfalls nicht (vgl. Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl., § 687 Rn. 2b).
Es ist im Übrigen auch nichts dafür ersichtlich, dass eine etwaige Beauftragung der Streithelferin zu 1) durch die Beklagte dem Willen des Klägers nicht entsprochen hätte (vgl. hierzu Grüneberg/ Sprau, aaO. Rn. 2c); dieser hat die Streithelferin zu 1) und deren Subunternehmerin, die Streithelferin zu 2), die gegenständlichen Arbeiten jedenfalls durchführen lassen.
ff) In der gebotenen Klarheit hat das Landgericht deliktische Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte verneint (LGU 10). Dies greift die Berufung nicht an und es begegnet auch keinen Bedenken.
e) Nicht zu beanstanden ist die angefochtene Entscheidung schließlich, soweit sie ein Anerkenntnis der Beklagten hinsichtlich einer Schadensersatzpflicht für nicht gegeben erachtet hat (LGU 10). Es fehlt hier schon an Sachvortrag des Klägers, durch welche konkrete Handlung ein rechtlich verbindliches Anerkenntnis erklärt worden sein soll. Dass die teilweise Regulierung des Versicherungsfalls kein Anerkenntnis einer eigenen Schadensersatzpflicht darstellt, leuchtet ein und bedarf keiner weiteren Begründung.
f) Mangels eines dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzanspruchs schuldet die Beklagte auch keine Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Ebenso war die Feststellungsklage als unbegründet abzuweisen. Diese Änderung in der rechtlichen Behandlung des Feststellungsantrags steht dem Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegen (vgl. OLG Rostock, MDR 2003, 828).
g) Die Zulassung der Revision kommt im Beschlussverfahren von vornherein nicht in Betracht (vgl. § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Der Senat hat auch keine Veranlassung, von dem Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO Abstand zu nehmen. Denn ein Zulassungsgrund liegt nicht vor. Die im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen sind geklärt und verlangen nicht nach einer höchstrichterlichen Orientierungshilfe.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
3. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47 Abs. 1 und 2, 48 Abs. 1, 43 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO bestimmt. Auf den Beschluss des Senats vom 11.01.2022 wird Bezug genommen.
Dementsprechend war auch der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren abzuändern (§ 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GKG). Dass alle Beteiligten auf Rechtsmittel gegen die im Termin vom 20.07.2021 erfolgte Wertfestsetzung des Landgerichts verzichtet haben (Bl. 119 d.A.), steht dem nicht entgegen. Danach wäre zwar eine Beschwerde gemäß § 68 Abs. 1 GKG nicht zulässig gewesen. Der Senat ist jedoch verpflichtet, den richtigen Wert festzusetzen, wenn – wie hier – das Hauptsacheverfahren bei ihm anhängig ist (vgl. BeckOK-KostR/Jäckel, GKG, § 63 Rn. 29 und 33 [Stand: 01.01.2022]).


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