Versicherungsrecht

Transparenzkontrolle bei versicherungsvertragsrechtlicher Regelung

Aktenzeichen  0103 C 1015/17

Datum:
22.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 10675
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 305c Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1 Ergibt sich aus einem Rentenversicherungsvertrag iVm den verwendeten AVB, der Musterrechnung und einer der Standmitteilungen, dass der Sparanteil der Beiträge mit einem garantierten Rechnungszins von 2,25% zu verzinsen ist, so gilt das bei Beitragserhöhungen auch für den Betrag, um den sich der Beitrag erhöht. (Rn. 21 und 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Daran ändert auch eine Klausel nichts, die besagt, dass die Erhöhung der Versicherungsleistungen nach dem zum jeweiligen Erhöhungstermin gültigen Tarif errechnet wird. Legte man die Klausel so aus, dass der Versicherer den garantierten Rechnungszins jederzeit eigenmächtig reduzieren könnte, verstieße sie gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB); sie wäre zudem als überraschend iSv § 305c Abs. 1 BGB anzusehen und deshalb unwirksam. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte den Sparanteil aller Beitragszahlungen des Klägers auf die …-Rentenversicherung Nr. … bis zum Ende der Beitragszahlungsverpflichtung am 30.11.2049 mit dem garantierten Rechnungszins von 2,25 % jährlich zu verzinsen hat.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 413,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.08.2017 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
I.
1. Der Anspruch des Klägers auf Feststellung, dass der Beklagte den Sparanteil aller Beitragszahlungen des Klägers bis zum Ende der Beitragszahlungsverpflichtung mit dem garantierten Rechnungszins von 2,25 % jährlich zu verzinsen hat, ergibt sich aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag in Verbindung mit § 1 (3) Satz 2 ABAVV 2007 (K15), der Musterrechnung (K1, Seite 3) sowie der Standmitteilung vom 24.02.2016 (Seite 6).
Bereits bei wörtlicher Auslegung des Begriffs „Garantiezins“ ergibt sich, dass es sich bei dem zugesagten jährlichen Zins von 2,25 % um eine uneingeschränkte und uneinschränkbare Zusage handelt, dass dieser Zins über die gesamte Laufzeit des Vertrages gewährt werden soll. Insbesondere auch aus der dem Vertrag beigefügten Musterrechnung (K1) ergibt sich, dass sich die Gesamtverzinsung aus dem garantierten Rechnungszins von 2,25 % sowie dem lediglich beispielhaft zugrunde gelegten Zinsüberschuss zusammensetzt (K1, Seite 6 unten).
Unstreitig war sowohl die Musterrechnung als auch die ABAVV 2007 mit Anhang dem Schreiben des Beklagten vom 30.11.2007 (K3) bei Übersendung des Versicherungsscheines beigefügt. Zudem war die Musterrechnung Grundlage des Versicherungsangebotes der Beklagten vor Vertragsabschluss. Unstreitig ergibt sich bereits wörtlich aus der Standmitteilung der Beklagten vom 24.02.2016 (K5, Seite 6 unten), dass der garantierte Rechnungszins beim streitgegenständlichen Versicherungsvertrag 2,25 % beträgt.
§ 7 (2) ABAVV 2007 ermöglicht es dem Beklagten nicht, den garantierten Rechnungszins von 2,25 % p.a. zu reduzieren. Zum einen wird unter der Rubrik „Beitragserhöhung“ weder der Begriff Rechnungs- noch Garantiezins erwähnt. Zwar spricht die Regelung davon, dass die Erhöhung der Versicherungsleistungen sich nach dem Geburtsdatum des Versicherungsnehmers, der restlichen Laufzeit bis zum vereinbarten Rentenbeginn und den zum jeweiligen Erhöhungstermin gültigen Tarif errechnet. Aus dieser Formulierung ist jedenfalls nicht abzuleiten, dass der Beklagte jederzeit eigenmächtig den garantierten Rechnungszins von 2,25 % p.a. reduzieren kann, da diese Auslegung jedenfalls gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen würde.
Zu den Anforderungen an das Transparenzgebot sind insbesondere bei versicherungsvertraglichen Regelungen, die den Versicherungsnehmer wirtschaftlich belasten, sehr hohe Anforderungen zu stellen. Eine Regelung hält deshalb einer Transparenzkontrolle auch dann nicht Stand, wenn sie an verschiedenen Stellen in den Bedingungen niedergelegt ist, die nur schwer miteinander in Zusammenhang zu bringen sind oder wenn der Regelungsgehalt auf andere Weise durch die Verteilung auf mehrere Seiten verdunkelt wird (BGH, Urteil vom 13.01.2016, Az. IV ZR 38/14, Rz. 24).
Da hier der Rechnungszins in verschiedenen, dem Kläger zur Verfügung gestellten Unterlagen benannt wurde und in den Versicherungsbedingungen für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich hätte geregelt werden müssen, unter welchen Voraussetzungen und für welche Beitragsanteile der Beklagte diesen Rechnungszins entgegen seiner sonstigen Mitteilungen nicht gewähren will, hält § 7 der ABAVV 2007 bei einer wie von Beklagtenseite vorgenommenen Auslegung mit der Möglichkeit zur Reduzierung des garantierten Rechnungszinses einer Transparenzkontrolle nicht Stand.
Im Übrigen hatte der Kläger keine Veranlassung, sämtliche Schriftstücke des Beklagten daraufhin zu untersuchen, ob der mitgeteilte Garantiezins von 2,25 % p.a. etwa im anderen Bedingungswerk relativiert werden würde. Insoweit wäre die Klausel in § 7 Abs. 2 ABAVV 2007 jedenfalls als überraschend im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB anzusehen und deshalb unwirksam.
Im Übrigen kann sich der Kläger auch auf Vertrauensschutz berufen, da über einen Zeitraum von über neun Jahren hinweg ohne Einschränkung für sämtliche Beitragserhöhungen der garantierte Rechnungszins von 2,25 % p.a. ohne Einschränkung gewährt wurde. Deshalb durfte er bei der Planung seiner Vermögensanlagen auf die dauerhafte Leistung des Garantiezinses vertrauen. Da es der Beklagten unbenommen bleibt, beim Abschluss neuer Verträge einen reduzierten Garantiezins anzubieten, stellt die durchgehende Zahlung des vereinbarten Garantiezinses bei Altverträgen für sie auch keine unzumutbare Härte dar.
Da sich der Anspruch des Klägers bereits aus den dargelegten Gründen ergibt, kann dahingestellt bleiben, ob § 2 Abs. 2 DeckRV als weitere Anspruchsgrundlage in Betracht kommt oder nur Fragen des Versicherungsaufsichtsrechts regelt.
2. Der Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 u. 2, 286, 249 ff. BGB.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.


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