Versicherungsrecht

Wirksamkeit der sog. Rennklausel in den “Besonderen Vereinbarungen” einer Kaskoversicherung

Aktenzeichen  25 U 2615/17

Datum:
24.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2017, 137588
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 305c Abs. 1, § 307
AKB 2.17.2

 

Leitsatz

Eine im Versicherungsschein einer Kaskoversicherung in “Besonderen Vereinbarungen” enthaltene Klausel, nach der bei Privatfahrten auf Rennstrecken kein Versicherungsschutz besteht, hält auch dann einer Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle stand, wenn sie abweichend von dem korrespondierenden Ausschluss in A.2.17.2 AKB ausgestaltet ist (im Anschluss an OLG Karlsruhe BeckRS 2014, 09286; s.a. OLG Düsseldorf BeckRS 2017, 101589; Abgrenzung zu OLG Frankfurt BeckRS 2015, 01180). (Rn. 2 – 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 18.07.2017, Az. 1 O 4450/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender und sorgfältiger Begründung abgewiesen, da die streitgegenständliche Beschädigung des Fahrzeuges des Klägers bei einer Fahrt auf dem … nicht versichert ist. Die von der Berufung aufgezeigten Gesichtspunkte rechtfertigen eine hiervon abweichende Beurteilung nicht.
Die ausdrücklich im Versicherungsschein getroffene „Besondere Vereinbarung“, dass bei Privatfahrten auf Rennstrecken, insbesondere auch auf dem… kein Versicherungsschutz besteht (Anlage B 1), ist Vertragsbestandteil und wirksam.
1. Sie ist nicht überraschend. Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nach § 305 c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil. Überraschend ist eine Klausel grundsätzlich, wenn sie objektiv ungewöhnlich und im Rahmen der Erkenntnismöglichkeiten des durchschnittlichen Kunden nicht zu erwarten ist (Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 305 c Rn .3,4; OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. 11. 2007 – Az. 19 U 57/07, r + s 2009, 516).
Die Klausel ist weder objektiv ungewöhnlich – ähnliche Klauseln in verschiedenen Variationen werden, wie das Landgericht zutreffend feststellt, häufig verwendet – noch nach den Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht zu erwarten. Ihr Sinn leuchtet ohne Weiteres ein und ist für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch erkennbar. Einem solchen ist klar, dass die Benutzung des Fahrzeugs auf abgesperrten Rennstrecken nicht mit der Benutzung des Fahrzeugs im allgemeinen Verkehr vergleichbar ist und mit besonderen Gefahren verbunden ist, so dass das Risiko eines Versicherers sich erhöht, wenn er auch Fahrten auf Rennstrecken versichert. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts hierzu im Urteil unter I 2. der Entscheidungsgründe (Bl. 69/70 d.A.) wird Bezug genommen. Das Erscheinungsbild des Vertrages, die systematische Stellung der Klausel im Versicherungsschein und die unmissverständliche Formulierung unter der seitlich hervorgehobenen Überschrift „Besondere Vereinbarungen“ schließen vorliegend eine Überraschung des Versicherungsnehmers aus. Die Einschränkung der Leistungspflicht des Versicherers ist ohne Weiteres zu erkennen. Unerheblich ist, dass der Ausschluss vom Versicherungsschutz in den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz – Versicherung (A.2.17.2) anders ausgestaltet ist als in den Besonderen Vereinbarungen im Versicherungsschein. Das führt nicht dazu, dass ein durchschnittlich sorgfältiger Versicherungsnehmer durch diese vertragliche Gestaltung überrascht wird und nicht damit rechnet, dass Fahrten auf Rennstrecken vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Den Versicherungsschein nimmt ein durchschnittlich sorgfältiger Versicherungsnehmer zunächst und vor allem zur Kenntnis und orientiert sich am Inhalt. Dort befindet sich die maßgebende Vereinbarung unter den besonderen Vereinbarungen.
2. Durch die Vereinbarung wird der Kläger auch nicht unangemessen benachteiligt.
2.1. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist gemäß § 307 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (Abs. 2 Nr. 1) oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so eingeschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (Abs. 2 Nr. 2). § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB erfasst nicht jede Leistungsbegrenzung. Unzulässig ist die Begrenzung erst dann, wenn sie den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht (BGH, Urteil vom 12.07.2017 – IV ZR 151/15, NJW 2017, 2831; BGH, Beschluss vom 15.02.2017 – Az. IV ZR 202/16).
Vorliegend ist der Ausschluss weder mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren noch werden wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Nach § 1 VVG verpflichtet sich der Versicherer mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Besondere Regelungen zum Leistungsumfang bzw. zum Ausschluss von Leistungen der KFZ – Vollkaskoversicherung enthält das Gesetz nicht; damit weicht die vorliegende Vereinbarung bereits nicht von der gesetzlichen Regelung ab. Sie höhlt auch nicht den Vertrag nach seinem Gegenstand aus, da Versicherungsschutz für die (übliche) Benutzung des Fahrzeugs im allgemeinen Verkehr besteht. Eine gesetzliche Vorgabe, uneingeschränkt für jede Fahrt Vollkaskoversicherungsschutz zu gewähren, gibt es nicht. Schon deshalb konnte die Beklagte Versicherungsschutz für Fahrten auf Rennstrecken umfassend ausschließen und musste nicht danach differenzieren, ob es sich um Privatfahrten handelt oder um Rennen. Darüberhinaus sind Gründe, eine solche Differenzierung nicht vorzunehmen, ohne Weiteres ersichtlich: Rennstrecken stellen in der Regel höhere Ansprüche an das fahrerische Können als die meisten öffentlichen Straßen und sind generell gefährlicher zu befahren, so dass sich das Risiko des Versicherers erhöht, wenn er (auch) Fahrten auf solchen Strecken versichert. Zudem verleiten abgesperrte Rennstrecken in vielen Fällen Fahrer auch, diese Strecken bestimmungsgemäß zu gebrauchen und mit sehr hoher Geschwindigkeit zu fahren, was ebenso – generell betrachtet – zu einer Erhöhung des Risikos für den Versicherer führt. Die vorliegende Regelung ist einfach anzuwenden; sie schafft Klarheit und Rechtssicherheit und vermeidet Streit darüber, ob die jeweilige Fahrt als Rennen anzusehen ist oder nicht.
Auch das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in seiner vom Landgericht und vom Kläger in der Berufungsschrift zitierten Entscheidung vom 15.04.2014 – Az. 12 U 149/13, r + s 2014, 275 eine Klausel für wirksam angesehen, die Fahrten auf Rennstrecken (mit Ausnahme von Fahrsicherheitstraining) vom Versicherungsschutz ausnimmt und nicht danach differenziert, ob es sich um Privatfahrten handelt oder um Rennen.
Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. vom 15. 10. 2014 (Az. 7 U 202/-13, r+s 2016, 30) befasst sich nicht mit der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Klausel, sondern nur mit der Auslegung einer anderen – hier nicht maßgeblichen – Klausel,nach der kein Versicherungsschutz für Schäden bestehen soll, die bei Beteiligung an Fahrtveranstaltungen entstehen, bei denen es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt. Auf diesen – vorliegend ebenfalls vereinbarten – Ausschluss hat die Beklagte ihre Leistungsverweigerung nicht gestützt.
Im Ergebnis ist der Ausschluss für Fahrten auf Rennstrecken weder mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren noch werden wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so eingeschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
2.2. Die vorliegende Regelung ist nicht intransparent. Wie oben dargelegt sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verlangt vom Verwender Allgemei ner Versicherungsbedingungen, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Eine Klausel muss nicht nur in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner verständlich sein, sondern darüber hinaus die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Das Transparenzgebot verlangt ferner, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen führen, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht (BGH Urteil vom 13.09.2017-Az. IV ZR 302/16, BeckRS 2017,126331 BGH, Urteile vom 15.02.2017-Az. IV ZR 91/16 und Az. IV ZR 202/16; BGH, Urteil vom 06.07.2016-Az. IV ZR 44/15 Rn. 30; BGH, Urteil vom 14.03.2012-Az. VIII ZR 202/11, NJW-RR2012, 1333; BGH, Urteil vom 09.05.2001 – Az. IV ZR 121/00).
Ohne Weiteres erkennt ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs, dass diese besondere im Versicherungsschein niedergelegte Vereinbarung den Allgemeinen Bedingungen für die KFZ – Versicherung (Anlage K 2), die diese Vereinbarung nur ergänzen, vorgeht. Das erschließt sich schon daraus, dass die (seitlich) in Großbuchstaben angebrachte Überschrift „Besondere Vereinbarungen“ deutlich zum Ausdruck bringt, dass diese (besonderen) Vereinbarungen gerade und vor allem in diesem speziellen Versicherungsverhältnis gelten sollen. Bestätigt wird das durch die systematische Stellung der Klausel im Versicherungsschein; dort sind speziell für das vorliegende Vertragsverhältnis maßgebende Regelungen übersichtlich dargestellt. Ohne Weiteres erkennbar ist auch der Sinn dieses Ausschlusses, die Versichertengemeinschaft nicht mit erhöhten Risiken, die durch Fahrten auf Rennstrecken entstehen (hierzu vgl. oben unter 2.1.), zu belasten und die Beiträge dadurch gering zu halten.
2.3. Andere Gründe, aus denen sich eine unangemessene Benachteiligung des Klägers ergeben könnte, sind nicht ersichtlich.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).


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