Verwaltungsrecht

1 WB 21/20

Aktenzeichen  1 WB 21/20

Datum:
29.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:290421B1WB21.20.0
Spruchkörper:
1. Wehrdienstsenat

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1
Dem Antragsteller geht es darum, die zivilberufliche Ausbildung im Rahmen der Anwärterausbildung für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes nicht an der Fachschule der Bundeswehr, sondern an einer heimatnahen zivilen Schule zu absolvieren.
2
Der 1985 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 2040. Er hat aus einer im Mai 2019 geschiedenen ersten Ehe eine Tochter (geb. 2014), die bei ihrer Mutter lebt. Aus der im November 2019 geschlossenen zweiten Ehe hat er einen Sohn (geb. 2019), ein weiteres Kind (geb. 2014) hat seine Ehefrau in die Ehe mitgebracht; die Familie wohnt ca. 30 km entfernt von A.
3
Der Antragsteller wurde zum 1. Oktober 2019 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes im Werdegang … zugelassen und mit Wirkung vom 1. Oktober 2019 zum Oberfähnrich zur See ernannt. Die ihm mit der Laufbahnzulassung übermittelte Ausbildungsplanung sah eine Fortbildung zum staatlich geprüften Elektrotechniker an der Fachschule der Bundeswehr für Informationstechnik in Kleinaitingen (Bayern) vom 11. September 2019 bis 23. Juli 2021 vor. Mit Verfügung des Bundesamts für das Personalmanagement vom 6. August 2019 wurde der Antragsteller an diese Fachschule versetzt; er trat den Dienst dort am 8. September 2019 an.
4
Im Oktober 2019 beantragte der Antragsteller aus persönlichen Gründen seine Zurückstellung von der Ausbildung bis zum Jahr 2020 und bat um eine heimatnahe Kommandierung zum Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in A. oder in den Raum B. Mit Bescheid vom 23. Oktober 2019 gab das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr diesem Antrag statt. Der Antragsteller wurde zum 5. November 2019 zum Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in A. kommandiert und seine Wiedereinplanung in die Ausbildung für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zum 8. September 2020 vorgesehen.
5
Mit Schreiben vom 21. November 2019 bat der Antragsteller um Prüfung, ob in den Jahren 2020/2021 eine zivile Ausbildung zum staatlich geprüften Elektrotechniker an der X-Schule in A. erfolgen könne. Zur Begründung verwies er auf laufende gerichtliche Scheidungsfolgeverfahren, gegen ihn gestellte Strafanzeigen seiner geschiedenen Frau, seine schlechte finanzielle Situation sowie die Frühgeburt seines Sohnes Anfang November 2019 und die Tatsache, dass seine Frau ab April 2020 Elterngeld beziehe.
6
Am 11. Dezember 2019 fand beim Bundesamt für das Personalmanagement ein Personalgespräch statt. Dem Antragsteller wurde dabei mitgeteilt, dass sein Antrag auf Ausbildung an einer zivilen Einrichtung negativ eingeschätzt, aber die Möglichkeit einer nochmaligen Verschiebung des Lehrgangs um ein weiteres Jahr in Aussicht gestellt werde.
7
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2019, eröffnet am 13. Januar 2020, lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antrag auf Ausbildung an der X-Schule ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Bundeswehr zur Ausbildung von staatlich geprüften Elektrotechnikern im Werdegang des Antragstellers eigene Ausbildungsstrukturen (u.a. Ausbilder, Unterkunft und Lehrgangsplätze) an der Fachschule der Bundeswehr für Informationstechnik zur Verfügung stelle. Durch den Bedarfsträger Marine sei diese Fachschule für die Ausbildung der Luftfahrzeugelektrotechniker der Marine im geltenden Werdegangsmodell vorgeschrieben. Alternative Ausbildungseinrichtungen seien nicht vorgesehen. Obwohl nach dem Personalgespräch die momentan angespannte persönliche Situation des Antragstellers nachvollziehbar sei, müsse aus Gründen der Gleichbehandlung in der Marine auf einer Ausbildung an der Fachschule der Bundeswehr bestanden werden. Die notwendige Schwere, um von den Bedarfsträgerforderungen abzuweichen, werde in der konkreten Einzelfallbetrachtung nicht gesehen. Eine Alternative zur Linderung der Situation sei im Personalgespräch aufgezeigt worden.
8
Mit Schreiben vom 10. Januar 2020 wies der Antragsteller auf den Ablauf der Anmeldefrist bei der zivilen Fachschule hin. Mit Schreiben vom 13. Januar 2020 erhob er “Widerspruch” gegen den Bescheid vom 12. Dezember 2019. Für das Angebot, den Lehrgang ein weiteres Jahr zu verschieben, sei er zwar dankbar; das weitere Schieben auf der Zeitachse sei jedoch nicht zielführend, weil mit dem späteren Abschluss auch seine Verwendbarkeit und sein dienstliches Fortkommen beeinträchtigt werde. Die Frage der tatsächlichen Vergleichbarkeit der Lehrpläne der Bundesländer Bayern (für Kleinaitingen) und C. (für A.) sei irrelevant, weil beide Lehrpläne unabhängig von etwaigen Detailunterschieden zu einem generell anerkannten und gleichwertigen Abschluss führten.
9
Das Bundesministerium der Verteidigung wertete die Schreiben vom 10. Januar und 13. Januar 2020 als Beschwerden und wies diese mit Bescheid vom 3. März 2020, ausgehändigt am 25. März 2020, zurück. Das Rechtsschutzziel einer Teilnahme an der zivilen Schulung habe sich nach Ablauf der Bewerbungsfrist erledigt; ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei nicht gegeben. Im dienstaufsichtlichen Teil des Bescheids wurde erläutert, dass der Antrag auch in der Sache zu Recht abgelehnt worden sei. Es sei die persönliche Entscheidung eines Soldaten, sich von seiner Ehefrau zu trennen und sich einer neuen Partnerin zuzuwenden. Die sich daraus ergebenden finanziellen Probleme und psychischen Belastungen wiesen keinen dienstlichen Bezug auf. Das Bundesamt für das Personalmanagement habe dessen ungeachtet durch eine heimatnahe Kommandierung und die Verschiebung des Lehrgangs dem Antragsteller ermöglicht, seine persönlichen Angelegenheiten zu regeln, obwohl dem Dienstherrn hierdurch erhebliche Nachteile entstünden, weil ein dringend benötigter Fachmann mindestens ein Jahr später zur Verfügung stehe.
10
Mit Schreiben vom 23. April 2020 hat der Antragsteller hiergegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 2. Juni 2020 dem Senat vorgelegt.
11
Zur Begründung führt der Antragsteller insbesondere aus:
Sein Begehren, ab Oktober 2020 an der zivilen X.-Schule ausgebildet zu werden, habe sich zwar durch Zeitablauf erledigt. Er habe jedoch einen gleichartigen Antrag für eine zivile Ausbildung ab Oktober 2021 gestellt. Die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände würden sich bis dahin nicht wesentlich ändern. Wegen der Gefahr der Wiederholung habe er ein Interesse an der Feststellung, dass die hier gegenständliche Ablehnung zu Unrecht erfolgt sei.
12
In der Sache liege in seiner Person ein Härtefall vor. Wenn er während der Woche nach Kleinaitingen pendeln müsse und ihm nicht gestattet werde, die zivilberufliche Ausbildung im heimatnahen A. zu absolvieren, so drohten ihm unzumutbare Nachteile und Belastungen. Ihn träfen an seinem Wohnort zahlreiche Verpflichtungen, denen er sonst nicht nachkommen könne. Im Nachgang zu seiner Scheidung liefen Gerichtsverfahren zu Folgesachen und weiteren Streitigkeiten. Seine frühere Ehefrau überziehe ihn mit ungerechtfertigten Strafanzeigen. Eine längere Ortsabwesenheit könne dazu führen, dass er das Sorgerecht für seine Tochter aus erster Ehe verliere. Diese leide unter dem D-Syndrom und bedürfe besonderer Aufmerksamkeit in den Zeiten, in denen er künftig sein Umgangsrecht ausüben werde; es gehe dabei um eine Betreuung an den Wochenenden und um Entlastung bei der Wahrnehmung von Arztterminen. Auch er selbst sei inzwischen gesundheitlich schwer angeschlagen und psychisch überlastet; er sei derzeit als vorübergehend nicht lehrgangstauglich eingestuft. Sein im November 2019 geborener Sohn bedürfe als Frühgeburt besonderer Betreuung, für die seine Ehefrau auf seine Unterstützung angewiesen sei. Pandemiebedingt stelle sich die Betreuung der beiden im Haushalt lebenden Kinder derzeit als besonders belastend dar. Infolge der privaten Probleme sei auch seine finanzielle Situation äußerst angespannt.
13
Aus Härtefallgründen sei ihm daher die Teilnahme an dem zivilen Ausbildungsgang zu gestatten. Er bestreite, dass an der Fachschule der Bundeswehr auch militärische Inhalte vermittelt würden. Diese fänden sich nicht im vom Freistaat Bayern gebilligten Lehrplan, sondern würden in ergänzenden Lehrgängen vermittelt, an denen er auch teilnehmen könne, wenn er die Ausbildung anderswo absolviere. Nach Nr. 124 der Bereichsrichtlinie (BR) C2-225/0-0-5635 seien für die ergänzende Ausbildung während des Lehrgangs an der Fachschule der Bundeswehr nur zwei Wochen eingeplant. Aus Nr. 104 und 106 der Bereichsrichtlinie werde zudem deutlich, dass an den Fachschulen der Bundeswehr die zivilberufliche Ausbildung stattfinde, während es für militärische Inhalte weitere militärfachliche Ausbildungsgänge gebe. Schließlich seien auch die Lehrpläne der militärischen und der zivilen Schule nicht miteinander verglichen worden, sondern es sei allein auf die unterschiedliche Bezeichnung der Ausbildungen abgestellt worden. Ihm seien zwei Soldaten der Luftwaffe bekannt, die den gleichen Ausbildungsgang in Kleinaitingen hätten besuchen sollen und nunmehr in A. die zivile Schule absolvierten; gegenüber diesen werde er ohne rechtfertigenden Grund ungleich behandelt. An der zivilen Schule würde er im Übrigen altersmäßig nicht herausstechen, weil wegen des generellen Fachkräftemangels auch an diesen Schulen mittlerweile alle Altersgruppen vertreten seien.
14
Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass die Ablehnung seiner Teilnahme an der Ausbildung zum staatlich geprüften Elektrotechniker an der X-Schule A. ab dem Ausbildungsjahr 2020/2021 rechtswidrig war.
15
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
16
Die geltend gemachte Wiederholungsgefahr liege nicht vor. Über den erneuten Antrag des Antragstellers auf Besuch einer zivilen Bildungseinrichtung werde im dritten Quartal 2021 unter Berücksichtigung der dann gegebenen Umstände entschieden. Nach Mitteilung des Antragstellers werde seine geschiedene Ehefrau zudem mit der gemeinsamen Tochter nach Norddeutschland (…) umziehen, was dem Umgang in seiner bisherigen Form ohnehin entgegenstehe. Es fehle deshalb sowohl am Erfordernis der gleichen Sachlage als auch der Gefahr der Wiederholung in naher Zukunft.
17
Den privaten Belangen des Antragstellers sei durch die Verschiebung des Lehrgangsantritts – einschließlich der Möglichkeit einer weiteren Verschiebung um ein Jahr – hinreichend Rechnung getragen. Bei dem Antragsteller lägen nach der Bewertung der Beratenden Ärztin des Bundesamts für das Personalmanagement vom 14. August 2020 schwerwiegende persönliche Gründe für die Dauer von zwölf Monaten vor, die seine Verwendung einschränkten, ihm aber keinen Anspruch auf eine Teilnahme an einem zivilen Lehrgang gäben. Für die Gesundheitssituation der Tochter habe die Beratende Ärztin das Vorliegen schwerwiegender persönlicher Gründe verneint. Aus solchen Gründen könne sich in jedem Fall nur ein Anspruch auf Verbleib am Standort, nicht aber auf eine konkrete Ausbildung oder Verwendung ergeben. Die Ablehnung der beantragten Ausbildung an einer zivilen Schule sei deshalb nicht zu beanstanden.
18
Grundlage der Werdegänge und der Ausbildung der Offiziere des militärfachlichen Dienstes der Marine sei das Konzept für den Verwendungsaufbau 2012. Danach umfasse die Ausbildung in der Gruppe der Luftfahrzeugelektronik eine 23-monatige Aus- und Fortbildung zum staatlich geprüften Elektrotechniker an der Fachschule der Bundeswehr für Informationstechnik in Kleinaitingen. Dieser Lehrgang werde auf der Grundlage von Ausbildungsweisungen des Heeresamtes (aktuell das Ausbildungskommando) und unter Vorgabe der Lehrinhalte durch das Kultusministerium in Bayern durchgeführt. Nach Nr. 105 BR C2-225/0-0-5635 finde die zivilberufliche Fortbildung an einer Fachschule der Bundeswehr, Fachschule des Heeres oder Fachschule der Luftwaffe statt.
19
Eine Ausbildung an einer zivilen Ausbildungsstätte sei grundsätzlich nicht vorgesehen. Diese erfolge nur im Ausnahmefall und nur dann, wenn die Kapazität an einer militärischen Fachschule nicht ausreiche und dem Soldaten sonst Laufbahnnachteile drohten oder die Bundeswehr keine entsprechenden Ausbildungsstätten zur Verfügung stelle; diese dienstlichen Ausnahmen lägen beim Antragsteller nicht vor. Ferner würde der Abschluss an der militärischen Bildungseinrichtung in der Fachrichtung Kommunikationstechnik, an der zivilen Bildungseinrichtung jedoch in der Fachrichtung Energieelektronik erfolgen. An der Fachschule der Bundeswehr fänden zudem während der zivilberuflichen Weiterbildung durch die militärische Ausbildungseinrichtung Teile der ergänzenden Offiziersausbildung statt, was bei einer zivilen Bildungseinrichtung nicht der Fall sei. Weiterhin werde bei der Fachschule der Bundeswehr berücksichtigt, dass die Schul- oder Berufsausbildung der militärischen Lehrgangsteilnehmer in der Regel schon viele Jahre zurückliege. Soweit sich der Antragsteller auf eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Soldaten anderer Teilstreitkräfte, denen eine zivile Ausbildung bewilligt worden sei, berufe, fehle es an der Vergleichbarkeit; soweit in diesen Fällen nicht erlasskonform entschieden worden sei, bestehe kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.
20
Mit Beschluss vom 30. Juni 2020 (BVerwG 1 WDS-VR 7.20) hat der Senat einen Antrag abgelehnt, das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller die Teilnahme an der Ausbildung zum staatlich geprüften Elektrotechniker an der X-Schule in A. ab dem Ausbildungsjahr 2020/2021 bis zur Entscheidung im vorliegenden Hauptsacheverfahren zu gestatten.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Gerichtsakte des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes, die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.


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