Verwaltungsrecht

10 B 4/20

Aktenzeichen  10 B 4/20

Datum:
27.9.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:270921B10B4.20.0
Spruchkörper:
10. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 23. Juli 2020, Az: 4 LB 45/17, Urteilvorgehend Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, 18. Oktober 2017, Az: 8 A 100/16, Urteil

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Juli 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I
1
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 22. Februar 2016 Zugang zu Informationen über Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Schleswig-Holsteinischen Landtags, die im Auftrag von Fraktionen oder gleichgestellten Gruppen in der 18. Wahlperiode erstattet wurden.
2
Am 19. Juli 2016 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Mit Bescheid vom 22. Juli 2016 hat der Beklagte den Antrag des Klägers abgelehnt. Den Widerspruch des Klägers vom 12. August 2016 hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2017 zurückgewiesen.
3
Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die erforderliche Einbeziehung des Widerspruchsbescheides in das laufende Klageverfahren sei außerhalb der Klagefrist erfolgt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage für zulässig erachtet. Die Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheides sei unrichtig gewesen, so dass der Widerspruchsbescheid binnen Jahresfrist zum Gegenstand des Klageverfahrens habe gemacht werden können. In der Sache hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, dem Kläger die begehrten Informationen zugänglich zu machen. Die Regelung des schleswig-holsteinischen Landesrechts, wonach der Landtag nicht zu den informationspflichtigen Stellen gehört, soweit er im Auftrag einer oder mehrerer Fraktionen gutachterlich oder rechtsberatend tätig wird, stehe dem hinsichtlich vergangener Legislaturperioden bei landesverfassungskonformer Auslegung nicht entgegen.
4
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und rügt die unterbliebene Vorlage der Sache an das Landesverfassungsgericht als Verfahrensfehler. Das Berufungsgericht habe die Grenzen verfassungskonformer Auslegung einer Norm überschritten.
II
5
Die zulässige Beschwerde des Beklagten ist begründet. Zwar hat die Rechtssache nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat jedoch gegen die Verfahrensgarantie des gesetzlichen Richters verstoßen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 und § 138 Nr. 1 VwGO). Dies führt zur Zurückverweisung der Sache (§ 133 Abs. 6 VwGO).
6
1. Die Rechtssache hat nicht die vom Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die vom Beklagten als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, ob
eine Rechtsbehelfsbelehrung in einem Widerspruchsbescheid im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO unrichtig erteilt ist, die auf die Möglichkeit einer Klage gegen den Ausgangsbescheid hinweist, nicht aber auf die Klage gegen den Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, auch wenn der Kläger bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides Untätigkeitsklage erhoben hat,
wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil die Frage der Unrichtigkeit der dem Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2017 beigegebenen Rechtsbehelfsbelehrung in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre. Die Bejahung der Zulässigkeit der Klage erweist sich nämlich bereits aus einem anderen als dem vom Oberverwaltungsgericht angegebenen Grund der noch offenen Klagefrist wegen unrichtig erteilter Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. § 58 Abs. 2 VwGO) als offensichtlich richtig (vgl. hierzu Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 132 Rn. 27 f. m.w.N.).
7
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist mit der zulässigen – namentlich nicht verfrühten – Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO für den Kläger eine verfahrensrechtliche Position begründet, in der es der förmlichen Einlegung eines Widerspruchs gegen den nach Klageerhebung erlassenen ablehnenden Verwaltungsakt nicht mehr bedarf. Als Folge der dem § 75 VwGO eigentümlichen Verschränkung von behördlichem Verwaltungsverfahren und gerichtlichem Klageverfahren schließt die in zulässiger Weise vorgezogene Erhebung der Klage die Einlegung des einer früheren Verfahrensstufe angehörenden Widerspruchs vielmehr notwendig mit ein. Aus dieser rechtlichen Sicht ergibt sich, dass es nach dem Erlass des den Vornahmeantrag ablehnenden Verwaltungsakts für den Fortgang des Verfahrens keiner weiteren Verfahrenshandlung des von der Antragsablehnung betroffenen Klägers bedarf (BVerwG, Urteil vom 23. März 1973 – 4 C 2.71 – BVerwGE 42, 108 ).
8
Hieraus folgt, dass für den Fall, dass nach Ablauf der dreimonatigen Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO eine negative Entscheidung der Behörde ergeht, die in zulässiger Weise erhobene Untätigkeitsklage unter Einbeziehung der Ablehnung sowie ohne Beachtung der Klagefrist des § 74 VwGO als Verpflichtungsklage fortgeführt wird. In diesem Fall bedarf es keiner weiteren Verfahrenshandlung des von der Antragsablehnung betroffenen Klägers (so – im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 23. März 1973 – 4 C 2.71 – BVerwGE 42, 108 -, vom 13. Januar 1983 – 5 C 114.81 – BVerwGE 66, 342 und vom 4. Juni 1991 – 1 C 42.88 – BVerwGE 88, 254 ; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 A 796/09 – DVBl 2010, 1309 Rn. 22 f. m.w.N.). Dies gilt in der Konsequenz der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch im Falle einer negativen Verbescheidung eines parallel zum laufenden gerichtlichen Verfahren erhobenen Widerspruchs.
9
Vorliegend hat der Kläger nach Ablauf von mehr als drei Monaten nach Antragstellung Untätigkeitsklage erhoben (§ 75 Satz 2 VwGO). Sowohl der ablehnende Bescheid als auch der Widerspruchsbescheid des Beklagten sind erst nach Erhebung der Untätigkeitsklage ergangen. Fristgebundener förmlicher Verfahrenshandlungen des Klägers zur Einbeziehung dieser Bescheide in das verwaltungsgerichtliche Klageverfahren bedurfte es in dieser Konstellation nicht.
10
2. Die Verfahrensrüge des Beklagten hat Erfolg. Die vom Oberverwaltungsgericht am Maßstab des Art. 53 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein i.d.F. vom 2. Dezember 2014 (GVOBl. S. 344), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. April 2021 (GVOBl. S. 438), – Verf SH – vorgenommene verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 4 Nr. 1 des Informationszugangsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein vom 19. Januar 2012 (GVOBl. S. 89) i.d.F. vom 5. Mai 2017 (GVOBl. S. 279), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juli 2019 (GVOBl. S. 310), – IZG-SH – ist nicht vertretbar. Hieraus ergibt sich ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Verfahrenspflicht zur Vorlage an das Landesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG, der zugleich einen Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bedeutet.
11
Revisionsrechtlich liegt in einem Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und stellt eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts im Sinne von § 138 Nr. 1 VwGO dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2012 – 9 C 5.11 – Buchholz 406.11 § 246a BauGB Nr. 1 Rn. 17 m.w.N.). Dieser Verfahrensmangel führt zur Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht (§ 133 Abs. 6 VwGO).
12
a) Nach Art. 100 Abs. 1 GG ist ein Gericht verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es eine entscheidungserhebliche gesetzliche Regelung des Landesrechts für landesverfassungswidrig hält.
13
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstößt es gegen die Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn ein Gericht die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung einer gesetzlichen Regelung in unvertretbarer Weise bejaht, anstatt die Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Gültigkeit der Norm einzuholen. Angesichts der im Range von Verfassungsrecht geregelten Vorlagepflicht gilt hierbei ein Maßstab, nach dem bereits bei mangelnder Vertretbarkeit einer verfassungskonformen Auslegung von einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auszugehen ist (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11 – BVerfGE 138, 64 Rn. 76 f.).
14
Zweck der verfassungsrechtlichen Regelung ist es zu verhindern, dass sich die Fachgerichte über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen, indem sie seinem Gesetz die Anerkennung versagen. Die Vorschrift wahrt die Autorität des Gesetzgebers. Die Vorschrift dient dem weiteren Ziel, Rechtsunsicherheit zu vermeiden. Beide Ziele, die Wahrung der Autorität des Gesetzesgebers und die Erhaltung der Rechtssicherheit, sind von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren eines Staates, der sich gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG nach den Prinzipien der Gewaltenteilung und der Rechtsstaatlichkeit konstituiert hat. Die Bedeutung der mit der Vorlageverpflichtung verfolgten Verfassungsziele rechtfertigt es, bei Verletzung einer unmittelbar dem Schutz dieser Grundsätze dienenden verfassungsrechtlichen Verfahrensvorschrift wie Art. 100 Abs. 1 GG im Regelfall nicht von einem bloßen Rechtsanwendungsfehler, sondern von einem Entzug des gesetzlichen Richters auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11 – BVerfGE 138, 64 Rn. 78 f. m.w.N.).
15
Bezogen auf die Rechtsanwendung als solche muss hierbei kein besonders schwerer Fehler des Gerichts vorliegen, damit eine entgegen Art. 100 Abs. 1 GG unterlassene Vorlage an das zuständige Verfassungsgericht zugleich als eine Missachtung der Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen ist. Entscheidend ist, ob die Rechtsanwendung im konkreten Fall – hier das Absehen von einer Vorlage mittels einer verfassungskonformen Auslegung – sachlich vertretbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11 – BVerfGE 138, 64 Rn. 79).
16
Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Eine Norm ist nur dann für verfassungswidrig zu erklären, wenn keine nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung vereinbare Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelung und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet allerdings dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch träte. Anderenfalls könnten die Gerichte der rechtspolitischen Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers vorgreifen oder diese unterlaufen. Das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung muss demnach nicht nur vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein, sondern auch die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahren. Das gesetzgeberische Ziel darf nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11 – BVerfGE 138, 64 Rn. 86 m.w.N.). Maßgeblich zu beachten ist der aus der Entstehungsgeschichte ersichtliche gesetzgeberische Wille (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 93).
17
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können sich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie an einem Rechtsstreit in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben beteiligt sind, auf das Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. Im Unterschied zu den Grundrechten aus Art. 1 bis 17 GG, die juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht beanspruchen können, enthält Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch objektive Verfahrensgrundsätze, die für jedes gerichtliche Verfahren gelten und daher auch jedem zugutekommen müssen, der nach den maßgeblichen Verfahrensnormen parteifähig oder von dem Verfahren unmittelbar betroffen ist. Diese rechtsstaatlich fundierten Erwägungen greifen auch dann, wenn eine Behörde Beteiligte im gerichtlichen Verfahren sein kann (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11 – BVerfGE 138, 64 Rn. 55 m.w.N.). Hinsichtlich des beklagten Präsidenten des Landtags des Landes Schleswig-Holstein kann nichts Anderes gelten.
18
b) Den dargelegten bundesverfassungsrechtlichen Maßgaben wird die an Art. 53 Verf SH, der vorsieht, dass die Behörden amtliche Informationen zur Verfügung stellen, soweit nicht entgegenstehende öffentliche oder schutzwürdige private Interessen überwiegen, anknüpfende verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 4 Nr. 1 IZG-SH durch das Oberverwaltungsgericht nicht gerecht. Die Auslegung ist im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sachlich nicht vertretbar. Sie tritt mit dem Wortlaut des Gesetzes und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch.
19
Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 1 IZG-SH gehört zu den in § 2 Abs. 3 IZG-SH aufgeführten informationspflichtigen Stellen nicht der Landtag, soweit er parlamentarische Aufgaben wahrnimmt; nach § 2 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 IZG-SH zählt zur parlamentarischen Aufgabenwahrnehmung auch die gutachterliche oder rechtsberatende Tätigkeit im Auftrag einer oder mehrerer Fraktionen.
20
Der hiernach ausdrücklich normierte vollständige Ausschluss des vorliegend in Rede stehenden Bereichs gutachterlicher sowie rechtsberatender Tätigkeit des Landtags – namentlich dessen Wissenschaftlichen Dienstes – im Auftrag einer oder mehrerer Fraktionen schon aus dem Kreis informationspflichtiger Stellen lässt einen Ansatzpunkt für eine zeitliche Begrenzung des Ausschlusses, etwa bis zum Ende der jeweiligen Legislaturperiode, nicht erkennen. Auch die Verwendung der Konjunktion “soweit” in § 2 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 1 IZG-SH liefert entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer zeitlichen Begrenzung. Die Verwendung der Konjunktion “soweit” ist – dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend und anders als die zeitbezogene Konjunktion “solange” – sachbezogen. Dies zeigt sich auch im Vergleich mit der in § 2 Abs. 4 Nr. 2a IZG-SH getroffenen anderweitigen Regelung, nach der oberste Landesbehörden “soweit und solange” sie im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren tätig werden und es sich dabei um Umweltinformationen handelt, nicht zu den informationspflichtigen Stellen gehören. Im Übrigen ordnet der zweite Halbsatz von § 2 Abs. 4 Nr. 1 IZG-SH die gutachterliche oder rechtsberatende Tätigkeit im Auftrag einer oder mehrerer Fraktionen gerade dem im ersten Halbsatz der Vorschrift mit der Konjunktion “soweit” umrissenen Bereich parlamentarischer Aufgabenwahrnehmung, hinsichtlich dessen der Landtag generell nicht zu den informationspflichtigen Stellen gehört, zu.
21
Ebenfalls klar erkennbar ist der Wille des Gesetzgebers. Nach der Begründung des fraktionsübergreifenden Änderungsantrags zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Informationszugangsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein vom 12. Juli 2016 mache die Vorschrift deutlich, dass der Landtag keine informationspflichtige Stelle sei, soweit er parlamentarische Aufgaben wahrnehme. Darunter falle insbesondere auch die gutachterliche oder rechtsberatende Tätigkeit der Landtagsverwaltung im Auftrag einer oder mehrerer Fraktionen, die demnach vom Anwendungsbereich des Gesetzes nicht erfasst werde (vgl. LT-Drs. 18/4465 S. 1 f.). In diesem Sinne hat der Abgeordnete Dr. Heiner Garg in der Plenardebatte unter Beifall aus allen antragstellenden Fraktionen in anschaulicher Weise erklärt, als Parlamentarier das Recht haben zu müssen, begutachtete Vorschläge zur Lösung von Problemen gegebenenfalls “im Reißwolf verschwinden zu lassen” (Plenarprotokoll 18/124 vom 21. Juli 2016, S. 10449). Eine zeitliche Begrenzung des Ausschlusses ist mit einer solchen gesetzgeberischen Intention unvereinbar.
22
Hinzu kommt – was auch das Oberverwaltungsgericht nicht verkennt -, dass sich der Gesetzgeber mit der Frage einer etwaigen zeitlichen Begrenzung des Ausschlusses der gutachterlichen Tätigkeit des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtags vom Informationszugang (Regelung einer Karenzzeit) ausdrücklich auseinandergesetzt hat. Eine solche Begrenzung wurde namentlich im Rahmen einer Anhörung des Innen- und Rechtsausschusses von Experten angeregt und mit den Abgeordneten erörtert (vgl. Niederschrift über die 151. Sitzung der 18. Wahlperiode am 21. Dezember 2016, S. 15 ff.). Jedenfalls vor diesem Hintergrund wäre für den Fall, dass eine zeitliche Begrenzung des Ausschlusses vom Informationszugang dem Willen des Gesetzgebers entspräche, eine in diesem Sinne eindeutige gesetzliche Regelung, mindestens aber diesbezügliche Darlegungen in der Gesetzesbegründung zu erwarten.
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Nach allem wird das Oberverwaltungsgericht zu prüfen haben, ob es § 2 Abs. 4 Nr. 1 IZG-SH in einer dem Wortlaut der Norm und dem klar erkennbaren Willen des Landesgesetzgebers entsprechenden Auslegung für mit Art. 53 Verf SH nicht vereinbar hält. Soweit dies der Fall ist, wäre das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Landesverfassungsgerichts über die Gültigkeit der Norm einzuholen.
24
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.


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