Verwaltungsrecht

Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens, Leiter/in einer Organisationseinheit, Führungseignung, konstitutives Anforderungsprofil, Angabe des Anforderungsprofils nicht entbehrlich

Aktenzeichen  3 CE 22.179

Datum:
3.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1999
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RO 1 E 21.1927 2022-01-10 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Am 17. Mai 2021 wurde der Dienstposten „Leiterin/Leiter der Technischen Ergänzungsdienste Weiden i.d. Oberpfalz, Sachgebiet Einsatztechnik der Abteilung Einsatz beim Polizeipräsidium Oberpfalz (Besoldungsgruppe A 11/12)“ ausgeschrieben.
Ausweislich des Aktenvermerks vom 23. August 2021 wurde das Auswahlverfahren mit der folgenden Begründung abgebrochen:
„Von den Bewerbern erfüllt keiner die Voraussetzungen für die Besetzung des Dienstpostens. Bei keinem von ihnen wurde in der dienstlichen Beurteilung die Eignung für eine Führungsfunktion festgestellt. Eine Einbeziehung in das Auswahlverfahren kommt daher nicht in Betracht, da durch die Verwendungseignung als „Leiter/in“ als konstitutives Anforderungsprofil in der Ausschreibung nur Beamtinnen und Beamte aufgefordert werden, die über eine entsprechende Führungseignung in der aktuellen periodischen Beurteilung verfügen.“
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Abbruch rechtswidrig war. Allein mit der Verwendung des Wortes „Leiterin/Leiter“ in der Stellenausschreibung sei die Führungseignung nicht als konstitutives Anforderungsprofil ausgestaltet worden. Damit habe das Auswahlverfahren nicht mit dieser Begründung abgebrochen werden dürfen.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners bleibt ohne Erfolg.
Die Gründe, die der Antragsgegner fristgemäß nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat und auf deren Prüfung der Senat in der Sache beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
1. Der Antragsgegner geht davon aus, die Zuerkennung einer Führungseignung in der aktuellen dienstlichen Beurteilung sei per se konstitutives Anforderungsprofil für den „Leiter“ einer Organisationseinheit. Eines ausdrücklichen Hinweises in der Stellenausschreibung oder einer Besetzungsrichtlinie bedürfe es daher nicht.
Diese Rechtsauffassung ist unzutreffend. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 32, 49) und ihm folgend des Senats (B.v. 9.8.2019 – 3 CE 19.895 – juris Rn. 12), dass sich aus der Stellenausschreibung ergeben muss, „welche Anforderungen von allen Bewerbern zwingend erwartet werden und welche Kriterien zwar nicht notwendig für eine Einbeziehung in das Auswahlverfahren sind, bei im Wesentlichen gleicher Eignung der Bewerber aber maßgeblich berücksichtigt werden“.
Einer – gesonderten – Bekanntgabe eines Anforderungsprofils bedarf es nur dann nicht, wenn und soweit sich dieses, wie namentlich bei Ämtern im richterlichen Dienst „ohne weiteres mit hinreichender Deutlichkeit“ aus dem Gesetz oder aus untergesetzlichen Vorschriften erschließt (vgl. Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 2018, Anhang 1 Stellenausschreibung und Anforderungsprofil, Rn. 28 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Die vom Antragsgegner zum Beleg seiner Auffassung genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 18.11.2020 – 3 CE 20.2092 – juris Rn. 14 [zur Stelle eines Vorsitzenden Richters beim Finanzgericht]; B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – juris Rn. 32, 34, 43 [für die Stelle des Vizepräsidenten eines Verwaltungsgerichts]; B.v. 18.2.2005 – 15 CE 04.3030 – juris Rn. 14 [zur Stelle eines Vorsitzenden Richters am Bundespatentgericht]) greifen sämtlich nicht, da sie die eingangs beschriebene Sondersituation des richterlichen Dienstes zum Gegenstand haben.
Soweit das Verwaltungsgericht München in seinem Beschluss vom 24. April 2020 (M 5 E 19.5279 – juris Rn. 32 bis 35) entschieden haben soll, dass allein mit der Verwendung der Bezeichnung „Leiter/in“ ein konstitutives Anforderungsprofil aufgestellt wird (das lässt sich der Entscheidung indes nicht hinreichend deutlich entnehmen), vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Es handelt sich schlicht um eine Dienstpostenbezeichnung. Hält der Dienstherr hierfür nur Bewerber für geeignet, denen im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung eine Führungseignung prognostiziert worden ist, kann er ein entsprechendes eindeutig formuliertes konstitutives Anforderungsprofil (vgl. zu den Anforderungen: BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris Rn. 9) aufstellen.
2. Der Antragsgegner meint, die Argumentation des Verwaltungsgerichts sei widersprüchlich, weil auf der Grundlage dessen Rechtsauffassung „ein Umstand, den kein Bewerber erfüllt, auch auf der zweiten Stufe (Leistungsvergleich) keine auswahlentscheidende Berücksichtigung“ finden könnte und ein Leitungsposten ggf. zwingend an den einzig verbleibenden Bewerber vergeben werden müsste, obwohl begründete Zweifel an seiner Eignung bestehen. Ob es zu dieser Sachverhaltsalternative im Fall der Fortsetzung des Auswahlverfahrens kommen wird, ist offen. Zudem verhält sich diese Frage nicht zum verfahrensgegenständlichen Abbruch und der hierfür gegebenen Begründung. Im Übrigen gäbe es für diesen Fall ein probates Mittel. Empfindet der Dienstherr den Ausgang des Auswahlverfahrens als unbefriedigend, könnte bei ausreichender Dokumentation ein sachlicher Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens gegeben sein (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 29.7.2020 – 2 VR 3.20 – juris).
3. Bei der Prüfung, ob ein sachlicher Grund für den Abbruch vorliegt, sind allein die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie sich dem Dienstherrn im Zeitpunkt seiner Entscheidung (hier: am 23.8.2021) darstellten, maßgeblich (OVG NW, B.v. 25.1.2022 – 1 B 1729/21 – juris Rn. 28; BayVGH, B.v. 13.1.2015 – 6 CE 14.2444 – juris Rn. 14). Aus diesem Grund kommt es weder darauf an, ob sich ein Abbruch mit einer anderen Begründung (Keiner der Bewerber entspricht den Anforderungen des Dienstherrn) oder aufgrund neuer Tatsachen rechtfertigen ließe. Hier war vom Senat ausschließlich zu überprüfen, ob die für den Abbruch gegebene Begründung sachgerecht ist. Das war nicht der Fall, da der Antragsgegner kein konstitutives Anforderungsprofil aufgestellt hat und mithin nicht mit der Behauptung, keiner der Bewerber habe dieses erfüllt, das Auswahlverfahren abbrechen durfte, ohne einen Leistungsvergleich der Bewerber vorzunehmen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG (wie Vorinstanz).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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