Verwaltungsrecht

Abgelehnter Asylantrag wegen fehlender Anerkennung als Asylberechtigter durch Zwischenaufenthalt in sicherem Drittstaat

Aktenzeichen  M 5 S 16.32147

Datum:
10.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 16a Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1
AsylG AsylG § 26a Abs. 1 S. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der 1981 geborene Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger mit Volkszugehörigkeit Wolof. Er habe nach eigenen Angaben sein Heimatland am 12. November 2009 verlassen und sei nach Zwischenaufenthalten in der Türkei, in Griechenland (5½ Jahre), Mazedonien, Serbien und Ungarn in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, wo er am 8. September 2015 einen Asylantrag stellte.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Antragsteller an, dass er in seinem Heimatland als Schneider selbstständig tätig gewesen sei. Er habe Kunden und auch Freunde gehabt, die homosexuell gewesen seien. Dadurch sei er bei seiner Familie, insbesondere bei seinem Vater, in Verdacht geraten, ebenfalls homosexuell zu sein. Als er am … August 2009 mit homo-sexuellen Freunden seinen Geburtstag gefeiert habe, habe sein Vater seinen älteren Bruder geholt, der mit einer Eisenstange auf ihn eingeschlagen und ihn im Gesicht verletzt habe. Er habe daraufhin und weil Homosexuelle im Senegal verfolgt würden, das Land verlassen.
Mit Bescheid vom 5. August 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Antragstellerpartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls wurde die Abschiebung in den Senegal oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 10 bzw. 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung führte das Bundesamt u. a. aus:
Bei einer Abschiebung des Antragstellers sei er nicht so schlechten humanitären Verhältnissen in seinem Heimatland ausgesetzt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllt seien. Gleiches gelte für eine dem Antragsteller drohende individuelle Gefahr für Leib und Leben gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG. Insbesondere bliebe es dem Antragsteller unbenommen, innerhalb des Senegals in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil zu gehen, wo ihn keiner kenne. Es sei davon auszugehen, dass er dort unbehelligt leben könne.
Ausweislich eines Versandvermerks wurde der Bescheid am 8. August 2016 per Post versandt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 12. August 2016 Klage (M 5 K 16.32146) und beantragte gleichzeitig im Rahmen eines Eilantrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen sowie
die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin … …
Zur Begründung wurde nochmals die bereits bei der Anhörung vor dem Bundesamt vorgebrachten Angaben zu den Fluchtgründen wiederholt. Der Antragsteller sei allerdings selbst homosexuell, was er sich bisher nicht getraut habe anzugeben, da er sich bisher nicht habe vorstellen können, dass dies in Deutschland unproblematisch sei. Die Homosexualität des Antragstellers sei in seiner Familie bekannt, was im Islam als Todsünde gelte, so dass der Antragsteller bei seiner Rückkehr um Leib und Leben fürchten müsse.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 22. September 2016 wurde das Vorbringen ergänzt.
Demgegenüber beantragte das Bundesamt für die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Recht-mäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
1. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel im Sinne von § 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
2. An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
a) Die Anerkennung als Asylberechtigter scheidet bereits deswegen aus, weil die Antragstellerpartei auf dem Landweg über einen sicheren Drittstaat in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylG).
Aber auch ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigter oder als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag der Antragstellerpartei nicht erkennbar. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Der vom Antragsteller im bisherigen Verfahren vorgetragene Sachverhalt beinhaltet seine Verfolgung/Bedrohung durch die eigene Familie wegen vermuteter Homosexualität, die aber nach bisherigem Bekunden des Antragstellers nicht vorgelegen habe. Ausgehend davon, dass dieser Sachvortrag zutrifft, war es nicht nachvollziehbar, warum der Antragsteller – ausgehend von einer nicht vorliegenden Homosexualität und der negativen Einstellung seiner Familie gegenüber Homosexualität – nicht mehr darauf geachtet hat, bei seiner Familie eben nicht den (unzutreffenden) Eindruck der Homosexualität zu erwecken.
Der nunmehr vorgetragene konträre Sachverhalt, der Antragsteller sei homosexuell (was er sich bisher nicht getraut habe zu offenbaren) lässt allerdings sein weiteres Verhalten nach seiner Ausreise aus dem Senegal am 12.11.2009 nicht nachvollziehbar erscheinen. Der Antragsteller hat bis zuletzt bei ihm vorliegende Homosexualität negiert. Wenn er schon im Senegal, wo die offen zur Schau gestellte Homosexualität verfolgt wird, diesen Anschein nicht vermieden hat, ist nicht nachvollziehbar, dass der Antragsteller sich nicht in der Folgezeit (in der er über 5 Jahre in Griechenland lebte, wo Homosexualität legalisiert ist) zur Homosexualität bekannte.
Das Vorbringen des Antragstellers ist damit im Grundansatz widersprüchlich und damit unglaubhaft.
b) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Vor diesem Hintergrund ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
3. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, § 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da die Rechtsverfolgung aus den oben genannten Gründen ohne Erfolgsaussicht ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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