Verwaltungsrecht

Ablehnung eines Antrags auf einstweilige Aussetzung der Abschiebung wegen Reiseunfähigkeit

Aktenzeichen  B 6 E 17.480

Datum:
13.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1, Abs. 2c
VwGO VwGO § 123
AsylG AsylG § 78 Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

1 Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird ein Urteil rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 S. 2 AsylG), sodass die Vollziehbarkeit der bestandskräftigen Abschiebungsandrohung nicht mehr durch einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Bundesrepublik Deutschland beseitigt werden kann. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Prüfung einer Reiseunfähigkeit obliegt nicht dem Bundesamt im Rahmen des Asylverfahrens, sondern der Ausländerbehörde nach Maßgabe des § 60a Abs. 2 S. 1, Abs. 2c AufenthG. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller, armenische Staatsangehörige, reisten im Juni 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 05.08.2015 Asylanträge, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 11.01.2017 als offensichtlich unbegründet ablehnte, verbunden mit der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, sowie einer Abschiebungsandrohung nach Armenien unter Bestimmung einer Frist von einer Woche für die freiwillige Ausreise. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 28.03.2017 (B 1 K 17.30135) ab, nachdem Anträge nach § 80 Abs. 5 und Abs. 7 VwGO mit Beschlüssen vom 31.01.2017 (B 1 S. 17.30134) und 28.03.2017 (B 1 S. 17.30357) abgelehnt worden waren. Den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 28.03.2017 lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 03.07.2017 (2 ZB 17.30598) ab, nachdem das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 20.06.2017 (B 6 E 17.395) einen gegen die Antragsgegnerin gerichteten Antrag nach § 123 VwGO wegen fehlender Statthaftigkeit (Vorrang des Eilrechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 7 VwGO gegenüber der Bundesrepublik Deutschland) abgelehnt hatte.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.06.2017, beim Verwaltungsgericht Bayreuth an diesem Tag auch eingegangen, haben die Antragsteller beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes zu untersagen, Abschiebungsmaßnahmen gegen die Antragsteller durchzuführen.
Zur Begründung wird geltend gemacht, im Hinblick auf die vollziehbare Ausreisepflicht der Antragsteller sei ein einstweiliger Rechtsschutzantrag notwendig. Da der Antragsteller zu 1 reiseunfähig sei, sei dem Antrag stattzugeben. Insofern werde auf den vorläufigen Arztbrief des Bezirkskrankenhauses …vom 02.06.2017 verwiesen.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 04.07.2017 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verweist auf die bereits abgehandelten Eilanträge, insbesondere den Antrag nach § 123 VwGO vom 23.05.2017. Ein neuer Sachverhalt sei nicht vorgetragen worden, insbesondere lägen keine ärztlichen Unterlagen vor, die eine Reiseunfähigkeit der Antragsteller begründen würden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Antrag nach § 123 VwGO gegen die Antragsgegnerin ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung statthaft. Zum einen ist mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung das Urteil vom 28.03.2017 rechtskräftig geworden (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), sodass die Vollziehbarkeit der nunmehr bestandskräftigen Abschiebungsandrohung vom 11.01.2017 nicht mehr durch einen Antrag nach 80 Abs. 7 VwGO gegen die Bundesrepublik Deutschland beseitigt werden kann. Zum anderen wird der Antrag mit einer Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 1 begründet, deren Prüfung nicht dem Bundesamt im Rahmen des Asylverfahrens, sondern der Ausländerbehörde nach Maßgabe des § 60a Abs. 2 Satz 1, Abs. 2c AufenthG obliegt.
Der Antrag ist nicht begründet, weil die Antragsteller keinen Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) glaubhaft gemacht haben, insbesondere hat der Antragsteller zu 1 nicht glaubhaft gemacht, dass gesundheitliche Gründen seiner Abschiebung entgegenstehen (§ 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Gemäß § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, muss der Ausländer gemäß § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen, die insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten soll.
Nach dem vorläufigen Arztbrief des Bezirkskrankenhauses … vom 02.06.2017, der auf einem stationären Aufenthalt des Antragstellers zu 1 vom 02.05.2017 bis 02.06.2017 beruht, kam es zu einer vollständigen Remission der psychotischen Symptomatik. Zwei durchgeführte therapeutische Belastungserprobungen im häuslichen Umfeld seien ohne Zwischenfälle und ohne erneute Exazerbation der anfänglichen Symptomatik verlaufen. Im Abschlussgespräch habe der Patient die anfänglich geschilderte Symptomatik und Suizidgedanken verneint.
Nachdem sich diesen Ausführungen eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 1 nicht einmal andeutungsweise entnehmen lässt, wird der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 in Verbindung mit § 159 Satz 2 VwGO abgelehnt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Ziffern 8.3, 1.5 Streitwertkatalog (4 x 1.250,00 EUR).


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