Verwaltungsrecht

Ablehnung eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz eines afghanischen Staatsangehörigen – Keine Asylanerkennung

Aktenzeichen  M 4 S 16.30848

Datum:
30.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
AsylG AsylG § 3, § 4, § 36 Abs. 4
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
GG GG Art. 15a Abs. 4 S. 1, Art. 16a

 

Leitsatz

In Afghanistan besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der nach eigenen Angaben 1995 in … geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger.
Bei seiner Anhörung am … 2013 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Antragsteller an, Afghanistan im Juli 2010 verlassen zu haben; in Griechenland und in Italien habe er längere Zeit gelebt. Er habe in seiner Heimat eine Waschanlage betrieben. In der Nähe seien im Jahr 2010 mehrere Bomben von der Polizei entschärft worden und die Taliban hätten ihn dafür verantwortlich gemacht und deshalb bedroht.
Mit Bescheid vom 1. April 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Asylanerkennung und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet (Nr. 1 u. 2) und den Antrag auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (Nr.3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs.5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Gleichzeitig wurde der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Afghanistan abgeschoben. Der Antragsteller könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Der Bescheid wurde am 14. April 2016 zugestellt.
Am … 2016 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte Klage (M 4 K 16.30846) erheben und beantragen, den Bescheid der Antragsgegnerin in den Ziffern 1, 3-6 aufzuheben (Ziff. I) und die Antragsgegnerin zu verpflichten, beim Antragssteller die Flüchtlingseigenschaft festzustellen sowie subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG), hilfsweise Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen (Ziff. II).
Mit selben Schriftsatz wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen (Ziff. III).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten, auch im Klageverfahren Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Antrag ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakt bestehen.
Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BverfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 15a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BverfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – Inf-AusIR 1993, 196). Als Gegenstand des Eilrechtsschutzverfahrens bezeichnet § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die Abschiebungsandrohung. Soweit die qualifizierte Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet zum Erlass der Verfügung geführt hat, muss Anknüpfungspunkt der gerichtlichen Überlegungen zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs jedoch die Prüfung sein, ob der Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Nur bei Richtigkeit des Offensichtlichkeitsurteils überwiegt das Interesse an der Abschiebung vor unanfechtbarer Antragsablehnung das individuelle Verbleibinteresse. Daher ist die Einschätzung des Bundesamtes, dass der geltend gemachte Anspruch offensichtlich nicht besteht, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Wegen der hohen Bedeutung der asylrechtlichen Schutzgüter findet also auch unter der Geltung von art. 16a Abs. 4 Grundgesetz (GG) bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im Eilrechtschutzverfahren ein unmittelbarer Prüfungsdurchgriff auf die asylrechtliche Sachentscheidung statt, ohne dass diese dadurch selbst zum Verfahrensgegenstand wird (Marx, AsyVfG, 8. Auflage 2014, § 36 Rn. 43).
Hier bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids des Bundesamts. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im Bescheid vom 23. März 2016 (§ 77 Abs. 2 AsylG) und führt ergänzend aus:
Das Bundesamt hat den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zu Recht mangels Substantiierung als offensichtlich unbegründet abgelehnt, § 30 Abs. 1 AsylG.
Der Antragsteller hat vor dem Bundesamt eine so unglaubwürdige Geschichte vorgetragen, dass sie auch das Gericht für frei erfunden hält. Im Übrigen hätte der Antragsteller – wie seine Familie – eine innerstaatliche Fluchtalternative. Selbst wenn man den Vortrag des Antragstellers als wahr unterstellt, ist das Gericht überzeugt, dass dem Antragsteller nach sechs Jahren Aufenthalt in Europa wegen der damaligen Ereignisse keine asylrelevanten Verfolgungsgefahren mehr drohen.
Hinsichtlich der Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG geht das Gericht in Übereinstimmung mit dem Bundesamt davon aus, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen.
Schließlich liegen auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vor.
Die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung ist daher auch nicht zu beanstanden.
2. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.


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