Verwaltungsrecht

Ablehnung eines Antrags eines albanischen Staatsangehörigen – keine asylrelevante Verfolgung

Aktenzeichen  M 4 S 16.31030

Datum:
14.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a Abs. 4 S. 1, Art. 19 Abs. 4
AsylG AsylG § 36 Abs. 4, § 77 Abs. 2

 

Leitsatz

Albanien ist ein sicherer Herkunftsstaat, in dem eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht. Die Verfolgung durch eine kriminelle Vereinigung stellt keine asylrelevante Verfolgung dar. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist albanischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit. Er stellte am … 2015 Asylantrag, nachdem er eigenen Angaben zufolge am … 2015 in Deutschland auf dem Landweg über Italien erreicht hat. Er spricht albanisch und wurde begleitet von seiner Frau und seiner im Jahr 2013 geborene Tochter. In seiner Anhörung nach § 25 AsylVfG am … 2015 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, er habe sein Heimatland aus wirtschaftlichen Gründen verlassen, da er arbeitslos geworden sei.
Die Ehefrau des Klägers hat sich nach Aktenlage im Bundesgebiet von ihrem Ehemann, mit dem sie zwangsverheiratet worden sei und der sie misshandelt habe, getrennt. Bereits unter dem … 2015 ist in der Akte des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) eine entsprechende Stellungnahme einer … Frauenhilfsorganisation enthalten. Die Ehefrau des Antragstellers leidet ausweislich eines ärztlichen Attestes des …-Klinikums … vom … 2015 an einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung und einer rezidivierenden depressiven Störung. Offensichtlich hatte sie bereits in der Vergangenheit mehrere Suizidversuche unternommen. In ihrer Befragung am … 2015 gab die Ehefrau des Antragstellers an, seit ihrem 14. Lebensjahr von ihrem Vater vergewaltigt worden zu sein. Ihr Vater sei mittlerweile wegen illegalen Waffenbesitzes in Haft. Sie ist mittlerweile getrennt von ihrem Ehemann untergebracht und durchläuft beim Bundesamt ein eigenes, vom Antragsteller unabhängiges Verwaltungsverfahren. Die gemeinsame Tochter ist beim Verwaltungsverfahren der Mutter angebunden. Dieses endete mit Bescheid des Bundesamtes vom 9. Februar 2016 für die Ehefrau des Antragstellers und die gemeinsame Tochter negativ. Beim zuständigen Verwaltungsgericht München wurden dagegen keine Rechtsmittel eingelegt, so dass die Ehefrau des Antragstellers und die gemeinsame Tochter vollziehbar ausreisepflichtig sind.
Mit Bescheid vom 22. April 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1) und auf Asylanerkennung (Ziff. 2) als offensichtlich unbegründet ab, ebenso den Antrag auf subsidiären Schutz (Ziff. 3). Es stellte fest, dass Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4) und drohte für die nicht fristgerechte Abschiebung nach Albanien oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rücknahme verpflichteten Staat an (Ziff. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziff. 6); das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 7). Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 3. Mai 2016 durch Übergabe an einen zum Empfang ermächtigten Vertreter zugestellt.
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter offensichtlich nicht vorlägen, da die Antragstellerpartei keine Verfolgungsmaßnahmen durch den Staat oder zu berücksichtigende schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen seitens nichtstaatlicher Dritter zu befürchten habe. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor, Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot, sie müsse und könne von der Antragstellerpartei ebenso wie von vielen seiner Landsleute ggf. unter Aufbietung entsprechender Aktivitäten bewältigt werden. Eine Rückkehr sei insofern zumutbar.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Klage (M …), über die noch nicht entschieden ist, und beantragte gleichzeitig
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin legte die Akten vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
1. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
2. An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
a) Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigter oder als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag der Antragstellerpartei nicht erkennbar. Es wurde keine asylrelevante Verfolgungssituation vorgetragen im Sinne von Art. 16 a GG oder § 3 AsylG. Das Gericht folgt daher der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die von den Antragstellern angegebenen Gründe haben keinen Bezug zu einer asylrelevanten Verfolgung; insbesondere liegt keine Verfolgung durch nichtstaatlichen Akteure vor, sondern – die Angaben der Antragsteller als wahr unterstellt – eine Verfolgung durch eine kriminelle Vereinigung.
Im Übrigen verweist das Bundesamt zu Recht auf die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative.
b) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Soweit der Antragsteller geltend macht, als Alleinerziehender für seine zweijährige Tochter verantwortlich zu sein, nachdem seine Ehefrau wegen einer schweren psychischen Erkrankung stationär im … behandelt worden sei, eine Betreuerin habe und derzeit in einer anderen Gemeinschaftsunterkunft in … wohne, ist zu sagen, dass die Tochter des Antragstellers nach Aktenlage vollziehbar ausreisepflichtig ist, ebenso wie die Mutter bzw. Ehefrau des Antragstellers. Sollte der aktuelle Gesundheitszustand seiner Ehefrau eine Reisefähigkeit ausschließen, käme allenfalls ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis in Betracht, für dessen Prüfung die Ausländerbehörde, nicht jedoch das Bundesamt zuständig ist.
Vor diesem Hintergrund ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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