Verwaltungsrecht

Ablehnung eines Antrags in asylrechtlicher Streitigkeit eines minderjährigen Kosovaren

Aktenzeichen  M 17 S 16.30704

Datum:
12.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 4, § 36 Abs. 3, Abs. 4, § 43 Abs. 3 S. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a Abs. 4

 

Leitsatz

Dass ein minderjähriger Antragsteller wohl nicht getrennt von seinen Eltern bzw. seiner Mutter in den Kosovo zurückkehren kann, begründet kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot iSv § 60 AufenthG. Dieser Umstand ist vielmehr von der Ausländerbehörde bei der Aufenthaltsbeendigung zu berücksichtigen (vgl. § 43 Abs. 3 S. 1 AsylG). (redaktioneller Leitsatz)
Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründet kein Abschiebungsverbot, sie muss und kann vom Antragsteller ebenso wie von vielen seiner Landsleute gegebenenfalls unter Aufbietung entsprechender Aktivitäten bewältigt werden.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der am … Juli 2015 in der Bundesrepublik Deutschland geborene Antragsteller ist Staatsangehöriger des Kosovo. Eine Stellungnahme der gesetzlichen Vertreter des Antragstellers zu eigenen Asylgründen des Antragstellers erging trotz Aufforderung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) nicht. Der Asyl(folge)antrag seiner Mutter war mit Bescheid vom 11. April 2014 abgelehnt worden, die hiergegen erhobene Klage hatte das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 13. August 2015 abgewiesen (M 17 K 14.31187). Auch der Asylantrag des Vaters war als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden.
Mit Bescheid vom 23. März 2016, per Einschreiben am 24. März 2016 zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung in den Kosovo oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter offensichtlich nicht vorlägen. Eine konkret drohende individuelle und begründete Furcht vor Verfolgung sei nicht geltend gemacht worden. Auch aus dem Sachvortrag der Eltern in deren Verfahren seien weder flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlungen noch flüchtlingsrelevante Anknüpfungsmerkmals ersichtlich. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes sei abzulehnen, da dem Antragsteller kein konkreter und individueller ernsthafter Schaden drohe. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Wohnraum, wenn auch mitunter auf niedrigem Standard, stehe ausreichend zur Verfügung. Rückkehrer könnten zudem die Unterstützungen der in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (MOCR) in Anspruch nehmen und bedürftige Personen erhielten Unterstützung in Form von Sozialhilfe. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot, sie müsse und könne vom Antragsteller ebenso wie von vielen seiner Landsleute gegebenenfalls unter Aufbietung entsprechender Aktivitäten bewältigt werden. Eine Rückkehr sei für den Antragsteller insofern zumutbar. Diesem drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib und Leben.
Gegen die Nrn. 3 bis 7 des Bescheids erhoben die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 6. April 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, Klage (M 17 K 16.30703) und beantragten gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheids vom 23. März 2016 nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Eine Begründung erfolgte bisher nicht.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16.30703 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antragsteller möchte erreichen, dass die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 23. März 2016 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 3 AsylG angeordnet wird.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
1. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – Inf-AuslR 1993, 196).
2. An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
2.1 Das Bundesamt hat insbesondere zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt insoweit vollumgänglich auf die Begründung des Bundesamts im streitgegenständlichen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Weder im Eilverfahren noch im Hauptsacheverfahren wurden bisher von Antragstellerseite Gründe vorgebracht, die den streitgegenständlichen Bescheid in Frage stellen könnten.
Dass der Antragsteller als Minderjähriger wohl nicht getrennt von seinen Eltern bzw. seiner Mutter in den Kosovo zurückkehren kann, begründet ebenfalls kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 AufenthG. Dieser Umstand ist vielmehr von der Ausländerbehörde bei der Aufenthaltsbeendigung zu berücksichtigen (vgl. § 43 Abs. 3 Satz 1 AsylG).
2.2 Nach alledem ist auch die vom Bundesamt nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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