Verwaltungsrecht

Abschiebung, Aufenthaltserlaubnis, Reisepass, Abschiebungshindernis, Ausreise, Asyl, Anordnungsanspruch, Anordnungsgrund, Duldung, Antragsteller, Antragstellung, Ablehnung, Antragsgegner, Eilverfahren, einstweilige Anordnung, wesentliche Nachteile

Aktenzeichen  Au 6 E 21.622

Datum:
19.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22485
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller begehrt im Eilverfahren die einstweilige Duldung.
I.
Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger und beantragte erfolglos Asyl. Er legte einen Nüfus und einen Führerschein vor, die bei der Ausländerbehörde aufbewahrt wurden. Nach Abschluss des Asylverfahrens forderte der Antragsgegner den Antragsteller vergeblich auf, sich einen türkischen Reisepass zu beschaffen.
Der Antragsteller teilte im Januar 2020 mit, einen Antragstermin für einen Reisepass beim türkischen Generalkonsulat am 28. Januar 2020 zu haben. Für die Antragstellung wurde ihm sein Nüfus ausgehändigt, den er auch am 4. Februar 2020 wieder zurückgab (Behördenakte Bl. 398, 407, 410).
In der Folgezeit begehrte der Antragsteller teils auch über einen früheren Bevollmächtigten eine Ausbildungsduldung oder Erlaubnisse zur Erwerbstätigkeit und/oder eine Umverteilung zu seinem in … lebenden Bruder.
Am 2. September 2020 forderte ihn der Antragsgegner erneut zur Vorlage des Reisepasses auf. Der Antragsteller behauptete eine Terminvereinbarung beim türkischen Generalkonsulat zur Abholung des Reisepasses für den 26. November 2020. Er beantragte eine Duldung, woraufhin ihm der Antragsgegner zunächst eine Grenzübertrittsbescheinigung aushändigte und eine Duldung nach § 60b AufenthG (Duldung bei ungeklärter Identität) in Aussicht stellte.
Auf Bitten des Antragstellers händigte ihm der Antragsgegner am 25. November 2020 Nüfus und Führerschein zur Abholung des Reisepasses aus. Sein damaliger Bevollmächtigter nahm den Duldungsantrag zurück, weil der Antragsteller freiwillig ausreisen wolle. Noch vor dem Jahreswechsel tauchte der Antragsteller unter und blieb unbekannten Aufenthalts. Der Antragsgegner ließ ihn zur Fahndung ausschreiben.
Seine aktuellen Bevollmächtigten stellten für den Antragsteller am 6. Januar 2021 einen neuen Duldungsantrag, denn der Antragsteller sei passlos und könne nicht ausreisen. Am 19. Januar 2021 tauchte der Antragsteller wieder in der Gemeinschaftsunterkunft auf.
Der Antragsgegner forderte den Antragsteller über seine Bevollmächtigten mehrfach vergeblich zur Vorlage des abgeholten türkischen Reisepasses, des Nüfus und des Führerscheins auf. Die Bevollmächtigten des Antragstellers hingegen verwiesen darauf, er benötige für die Abholung einen geregelten Aufenthalt in Deutschland, wofür eine Grenzübertrittsbescheinigung nicht ausreiche, sondern mindestens eine Duldung. Erst dann könne er seinen Reisepass beantragen. Er werde erst nach Ausstellung einer Duldung auch beim Generalkonsulat zwecks Antragstellung vorsprechen.
Der Antragsgegner wies den Antragstellerbevollmächtigten darauf hin, dass der Reisepass längst abholbereit beim türkischen Generalkonsulat liegen solle, setzte eine Frist für die Vorlage und stellte eine Grenzübertrittsbescheinigung aus. Weiter fragte der Antragsgegner beim türkischen Generalkonsulat nach den Modalitäten der Abholung eines Reisepasses nach und erhielt von dort die Auskunft, für die Abholung müsse ein türkischer Staatsangehöriger eine Identitätskarte oder einen Nüfus vorzeigen und, soweit verfügbar, auch einen abgelaufenen alten Reisepass. Dies teilte der Antragsgegner den Antragstellerbevollmächtigten mit.
Am 16. März 2021 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten beantragen,
den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig eine Duldung zu erteilen und bis zur Entscheidung eine VorsitzendenEntscheidung zu treffen.
Der Antragsteller sei derzeit ohne jeglichen Aufenthaltsstatus, habe aber einen Duldungsanspruch, weil er ohne Nachweis eines rechtmäßigen Aufenthaltsstatus seinen Reisepass gar nicht abholen könne. Der Antragsteller verfüge über keinerlei Identitätsurkunden. Selbst wenn er seiner Beschaffungspflicht für einen Reisepass nicht nachkäme, könne er nicht abgeschoben werden, sodass ihm eine Duldung zu erteilen sei.
Der Antragsgegner beantragt 14 die Ablehnung des Eilantrags.
die Ablehnung des Eilantrags.
Es liege kein Ausreise- oder Abschiebungshindernis vor, denn der Antragsteller hätte längst seinen Reisepass abholen wollen und können, was er möglicherweise auch getan habe. Da der Antragsteller aber über Identitätspapiere verfüge, insbesondere Nüfus und Führerschein nicht dem Antragsgegner zurückgegeben habe, könne er sich hinreichend bei der Abholung des Reisepasses legitimieren. Der Antragsgegner werde ein Passersatzpapier-Verfahren und eine Abschiebung einleiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.
II.
Der Antrag ist unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
1. Der Antrag auf einstweilige Aussetzung der Abschiebung ist unbegründet, da dem Antragsteller kein Duldungsanspruch aus § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zusteht.
Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und dem Ausländer keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern (§ 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG).
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, einen Anspruch zu besitzen, nicht abgeschoben zu werden. Weder liegt derzeit ein Rechtsanspruch auf Duldung vor, noch sind sonstige Gründe ersichtlich, aus denen die Abschiebung des Antragstellers nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist.
a) Zwar behauptet der Antragsteller, keinen Reisepass zu besitzen und deswegen nicht ausreisen zu können. Seine jetzigen Bevollmächtigten teilten dazu mit, er werde einen Reisepass überhaupt erst beantragen, wenn er eine Duldung erteilt erhalten habe. Damit ist jedoch kein Duldungsgrund glaubhaft gemacht.
Im Gegenteil spricht derzeit nach Aktenlage alles dafür, dass der Antragsteller einen Reisepass beantragt und entweder nur noch nicht abgeholt oder gar abgeholt hat, den Reisepass aber entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung nicht dem Antragsgegner vorlegen will. Denn der Antragsteller teilte im Januar 2020 mit, einen Antragstermin für einen Reisepass beim türkischen Generalkonsulat am 28. Januar 2020 zu haben. Für die Antragstellung wurde ihm sein Nüfus ausgehändigt, den er auch am 4. Februar 2020 wieder zurückgab (Behördenakte Bl. 398, 407, 410). Dass er den Antrag nicht gestellt hätte, hat er nie behauptet. Somit war ein Verfahren auf Ausstellung eines türkischen Reisepasses eingeleitet und ist die Behauptung widerlegt, er werde erst mit Duldung einen Reisepass überhaupt beantragen (können).
b) Soweit der Antragsteller sinngemäß über seine Bevollmächtigten geltend macht, er benötige für die Abholung einen geregelten Aufenthalt in Deutschland, wofür eine Grenzübertrittsbescheinigung nicht ausreiche, sondern mindestens eine Duldung erforderlich sei, ist auch dies offensichtlich nicht glaubhaft.
Wie der Antragsgegner ermittelt hat und auch dem Kenntnisstand der mit Verfahren türkischer Staatsangehöriger vertrauten Kammer des Verwaltungsgerichts entspricht, bedarf es zur Abholung eines Reisepasses keines deutschen Aufenthaltsdokuments, sondern eines türkischen Identitätsnachweises, z.B. einer Kimlik Karti, eines Nüfus oder eines türkischen Führerscheins. Die beiden letzt genannten Dokumente hat der Antragsteller in Besitz, nachdem er sie vom Antragsgegner zur Abholung des Reisepasses ausgehändigt erhalten hatte. Damit ist auch die Behauptung hinfällig, er werde erst nach Ausstellung einer Duldung beim Generalkonsulat zwecks Antragstellung vorsprechen (können).
Nach alledem ist nicht nur kein Duldungsgrund glaubhaft gemacht. Vielmehr hält es die Kammer im Gegenteil für möglich, dass der Antragsteller den Reisepass schon in Besitz hat und zur Schaffung eines anderen Duldungsgrundes gegenüber dem Antragsgegner bewusst unterdrückt. Dass er sich dabei womöglich strafbar macht, sollte ihm aus den zahlreichen Belehrungen durch den Antragsgegner bekannt sein (§ 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
3. Die Höhe des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben