Verwaltungsrecht

Abschiebung in Provinzen außerhalb des kurdischen Autonomiegebiets

Aktenzeichen  20 ZB 18.31187

Datum:
5.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11873
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 34, § 77 Abs. 2, § 78 Abs. 3 Nr. 3
EMRK Art. 3
AufenthG § 59 Abs. 2, § 60 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Im Berufungszulassungsantrag gemachte Ausführungen zur fehlenden Fluchtalternative im Nordirak für aus dem Zentralirak stammende Iraker sind bei Herkunft des Klägers aus dem kurdischen Autonomiegebiet irrelevant. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Abschiebungsandrohung “in den Irak“ entspricht der Rechtslage, sodass der Frage “ob die Abschiebung in den Irak zumindest ohne weitere regionale Differenzierung gegen Art. 3 EMRK verstößt” keine grundsätzliche Bedeutung iSv § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG zukommt. (Rn. 6 – 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 4 K 17.30398 2018-04-10 Ent VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg hat keinen Erfolg, da keiner der formulierten Fragen eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG zukommt.
Der Kläger hält einerseits für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob die gegenwärtige instabile Sicherheitslage im Irak ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründet.
Für die Frage, ob im Einzelfall ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das insoweit auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) verweist, grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 26 unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681). Der Kläger stammt aus der Provinz Dohuk im kurdischen Autonomiegebiet. Entsprechend der derzeitigen Praxis der deutschen Behörden ist davon auszugehen, dass seine Abschiebung dort enden würde, sodass auf die Verhältnisse im kurdischen Autonomiegebiet für die Feststellung eines Abschiebungsverbots abzustellen ist.
Die Begründung des Zulassungsantrags hat die Klärungsbedürftigkeit der Frage daher nicht dargelegt. Sie beschränkt sich auf Ausführungen zu der Lage in anderen Provinzen des Iraks, also außerhalb des kurdischen Autonomiegebiets. Damit wird nicht dargelegt, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und der Bescheid des Bundesamts, auf den das Verwaltungsgericht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG verwiesen und von einer weiteren Darstellung seiner Gründe abgesehen hat, den Klärungsbedarf nicht gerecht würde. Die darüber hinaus im Zulassungsantrag gemachten Ausführungen zur fehlenden Fluchtalternative im Nordirak für aus dem Zentralirak stammende Iraker sind schon wegen der Herkunft des Klägers aus dem Autonomiegebiet irrelevant.
Daneben hält der Kläger für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob die Abschiebung in den Irak zumindest ohne weitere regionale Differenzierung gegen Art. 3 EMRK verstößt.
Diese Frage ist ungeachtet der Darlegungsanforderungen nicht klärungsbedürftig. Ausgehend vom Wortlaut des § 59 Abs. 2 AufenthG darf in der Zielstaatsbestimmung der Abschiebungsandrohung grundsätzlich nur ein im völkerrechtlichen Sinne existierender Staat genannt werden (Pietzsch in BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.8.2017, § 34 AsylG, Rn. 31e). Es ist grundsätzlich nicht zulässig, eine Zielstaatsbestimmung in der Weise vorzunehmen, dass nur eine Region oder ein Teil eines Staates bezeichnet wird (Funke-Kaiser in GK-AsylG, Stand: März 2018, § 34 Rn. 61; Pietzsch in BeckOK Ausländerrecht, § 34 AsylG, Rn. 31e und f). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird nur für den Fall vertreten, in dem der maßgebliche Staat nicht nur kurzfristig und vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit daran gehindert ist, auf einen genau zu bestimmenden Teil seines völkerrechtlich anerkannten Territoriums Staatsgewalt auszuüben (Funke-Kaiser in GK-AsylG, § 34 Rn. 67; a.A. Pietzsch in BeckOK Ausländerrecht, § 34 AsylG, Rn. 31f). Dies ist beim kurdischen Autonomiegebiet im Nordirak jedoch nicht der Fall, wie insbesondere die Geschehnisse infolge des kurdischen Unabhängigkeitsreferendums vom 25. September 2017 gezeigt haben: Der irakische Zentralstaat hat hier klargemacht, dass er grundsätzlich weiterhin willens und in der Lage ist, seine Staatsgewalt unter Berücksichtigung der gewährten Autonomie dort durchzusetzen. Damit entspricht die in Ziffer 4 des den Kläger betreffenden Bundesamtsbescheids verfügte Abschiebungsandrohung „in den Irak“ der Rechtslage.
Soweit die Frage darüber hinaus auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots für den Kläger nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK abzielt, ist wie bereits oben ausgeführt anzumerken, dass die Begründung des Zulassungsantrags keine Ausführungen zu den maßgeblichen Verhältnissen in der Herkunftsregion des Klägers, dem kurdischen Autonomiegebiet im Nordirak, enthält und daher insoweit bereits die Darlegungsanforderungen nicht erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben