Verwaltungsrecht

Albanien ist ein sicherer Herkunftsstaat

Aktenzeichen  M 16 S 16.30474

Datum:
5.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
GG GG Art. 16a
AsylG AsylG § 3, § 4, § 29a Abs. 1, Abs. 2
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Albanien ist ein sicherer Herkunftsstaat. Gegen diese Einstufung bestehen weder verfassungs- noch europarechtliche Bedenken. (redaktioneller Leitsatz)
Bei einer Gefahr für Leib und Leben durch nichtstaatliche Dritte kann auf die Hilfe durch die zuständigen Behörden in Albanien verwiesen werden. (redaktioneller Leitsatz)
Ein Abschiebungsverbot wegen einer erheblichen konkreten Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt nur vor bei einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde; eine der medizinischen Versorgung in Deutschland gleichwertige Versorgung im Herkunftsland wird nicht vorausgesetzt. In Albanien besteht grundsätzlich eine ausreichende medizinische Versorgung, die von der staatlichen Krankenversicherung getragen wird. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtschutz gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), mit dem ihr Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Der Antragsteller sind albanische Staatsangehörige. Sie stellten am 19. Januar 2016 bei dem Bundesamt Asylanträge.
Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt gemäß § 25 AsylG am 20. Januar 2016 gaben die Antragsteller zu 1) und 2) im Wesentlichen an, der Antragsteller zu 1) habe auf dem Bau gearbeitet. Seit ca. sechs Monaten leide er unter einer Wirbelsäulenerkrankung. Deswegen habe er nicht mehr in Vollzeit arbeiten können und wegen des Schwarzarbeitsverbots der Regierung. Er habe vor ca. drei Jahren auch Sozialhilfe bezogen, jetzt aber nicht mehr. Er habe auch keine Krankenversicherung. Der Antragsteller zu 1) sei wegen der Arbeitslosigkeit in Albanien und wegen seiner Rückenbeschwerden ausgereist. Es sei ihm gesagt worden, er solle kein Gewicht mehr aufheben. Er habe aber Kinder und bekomme keine staatliche Unterstützung, da habe er arbeiten müssen. Auch die Ärzte in Albanien hätten ihm empfohlen auszureisen, da es dort keine Behandlungsmöglichkeiten für seine Erkrankung gebe. Die Tabletten, die er habe nehmen müssen, seien entweder nicht beziehbar gewesen oder abgelaufen. Er habe gehofft, hier in Deutschland behandelt zu werden, um nach Albanien zurückkehren und wieder arbeiten zu können. Er sei in Albanien gespritzt worden und habe auch eine Behandlung bekommen. Er habe eine Hernie Dyscallis. Sie hätten viele Schulden für die Reise gemacht. Die Schule der Kinder hätten sie nicht bezahlen können. Seit ca. zwei Monaten seien die Nonnen, die sie unterstützt hätten, weg gewesen. Seitdem hätten sie keine Unterstützung mehr bekommen. Das Leben sei für sie in Albanien unmöglich. Sie wohnten in einem Haus, das dem Bruder des Antragstellers zu 1) gehöre. Sie selbst hätten gar nichts. Vor ca. einem Jahr sei bei der Antragstellerin zu 2) eine Halserkrankung diagnostiziert worden. Die Nonnen hätten ihre Behandlung bezahlt. Jetzt könne sie weder den Arzt besuchen noch weiter Tabletten nehmen.
Mit Bescheid vom 26. Februar 2016, zugestellt am 4. März 2016, lehnte das Bundesamt sowohl die Anträge auf die Anerkennung als Asylberechtigte (Nr. 2 des Bescheids) als auch die Anträge auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1 des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab. Ebenso wurden die Anträge auf Zuerkennung subsidiären Schutzes abgelehnt (Nr. 3 des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Nr. 4 des Bescheids). Die Antragsteller wurden zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angedroht (Nr. 5 des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6 des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Nr. 7 des Bescheids).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragsteller stammten aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29a Abs. 2 AsylG i. V. m. der Anlage II zum AsylG. Die Antragsteller hätten nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsstaat in ihrem Falle die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ernsthaften Schadens erfüllt seien. Es drohe den Antragstellern auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Antragsteller eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Die von den Antragstellern geltend gemachten Erkrankungen seien allesamt nicht lebensbedrohlich und führten bei Rückkehr ins Heimatland zu keiner erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands. Damit komme es zu keiner konkreten Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es sei zwar nicht davon auszugehen, dass die Antragsteller eine optimale ärztliche Versorgung wie in der Bundesrepublik Deutschland erhalten würden. Im vorliegenden Fall sei aber auch nicht zu befürchten, dass sie sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen bzw. einem Todesrisiko durch Krankheit ausgesetzt würden. Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller am 8. März 2016 zur Niederschrift Klage mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamts vom 26. Februar 2016 in Ziffer 1 und in den Ziffern 3 bis 7 aufzuheben, die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen. Zudem beantragten sie,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung nahmen die Antragsteller auf ihre Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug und wiesen zudem darauf hin, dass sie Christen seien und sie deswegen in Albanien benachteiligt würden. Außerdem könnten sie wegen der Schulden, die sie für die Reise hätten machen müssen, nicht zurückkehren. Im Übrigen wurde auf die beigefügten ärztlichen Atteste und Befundberichte Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 16 K 16.30472 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig, insbesondere wurde die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gewahrt.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B. v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43 ff.). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach – dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden – § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
An der Rechtmäßigkeit der im vorliegenden Fall vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen bestehen hier im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) keine derartigen ernstlichen Zweifel.
Das Gericht folgt den Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
Nach § 29a Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG – ein sogenannter sicherer Herkunftsstaat – als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegeben Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
Die Antragsteller stammen aus einem sicheren Herkunftsstaat. Albanien ist als solcher im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG in der Anlage II zum AsylG gelistet. Gegen die Einstufung der Republik Albanien als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (vgl. VG Berlin, B. v. 22.12.2015 33 L 357.15 A – juris).
Der Asylantrag ist somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, da der Vortrag der Antragsteller nicht die Anforderungen zur Erschütterung der Regelvermutung gemäß § 29a Abs. 1 AsylG, Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG erfüllt. Sie haben sich auf wirtschaftliche Gründe sowie auf die Erforderlichkeit von Krankenbehandlung berufen. Probleme mit dem Staat, der Polizei oder anderen Behörden haben sie nicht angegeben. Im Rahmen des Klageverfahrens haben sie nur sehr allgemein vorgetragen, als Christen in Albanien benachteiligt zu werden.
Aus diesem Vorbringen ergeben sich schon im Ansatz ganz offensichtlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bei den Antragstellern eine asylrelevante und asyl-erhebliche Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG sowie der §§ 3 ff. AsylG, § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor-liegen könnte. Es gibt auch keine Anhaltspunkte für eine religiös motivierte Benachteiligung von Christen durch den albanischen Staat. Die Verfassung garantiert die freie Religionsausübung. Keine Religionsgemeinschaft wird durch staatliche Maßnahmen bevorzugt oder diskriminiert. Eine große Anzahl in- und ausländischer Religionsgemeinschaften ist ungehindert, auch missionarisch, in Albanien tätig. Es gibt keine religiös motivierten Konflikte und die wichtigsten religiösen Gruppen (sunnitische Muslime und Muslime des Bektashi-Ordens, katholische Christen, griechisch-orthodoxe Christen) leben ausweislich des Lageberichts in „bemerkenswerter Harmonie und Toleranz miteinander“ (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, Stand: Mai 2015 – Lagebericht -, S. 7; vgl. auch VG Düsseldorf, B. v. 3.11.2015 – 17 L 3219/15.A – juris Rn. 2). Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, der albanische Staat sei grundsätzlich nicht willens und in der Lage (vgl. § 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AsylG), vor eventuellen Übergriffen durch Privatpersonen Schutz zu bieten (vgl. OVG NW, B. v. 23.2.2015 – 11 A 334/14.A – juris Rn. 8).
Insbesondere bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller im Falle einer Rückkehr nach Albanien in eine derart schlechte wirtschaftliche Lage kommen könnten, dass ausnahmsweise in ihrem außergewöhnlichen Einzelfall aufgrund schlechter humanitärer Bedingungen bzw. einer mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehenden extremen Gefahrenlage ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht zu ziehen wäre (dazu BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 23 – 26 sowie Rn. 38). Unter Berücksichtigung der derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien reicht hierfür der bloße Verweis der Antragsteller auf ihre schwierige wirtschaftliche Situation in Albanien nicht aus (vgl. z. B. VG München, U. v. 17.11.2015 – M 2 K 15.31226). Zwar geht das Gericht davon aus, dass die allgemeine wirtschaftliche Situation in Albanien schlecht ist und sich die wirtschaftliche Lage vieler Albaner aufgrund hoher Arbeitslosigkeit und anderer Faktoren als schwierig darstellt. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist indes gewährleistet. Der albanische Staat gewährt Bedürftigen Sozialhilfe. Grundnahrungsmittel, in erster Linie Brot, werden subventioniert (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 12 f.). Die Existenzsicherung ist somit möglich (vgl. VG Aachen, Gerichtsbescheid v. 6.10.2014 – 1 K 1416/14.A – juris Rn. 49).
Auch in Bezug auf den Gesundheitszustand des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2) ist ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht erkennbar.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift kann einen Anspruch auf Abschiebungsschutz begründen, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Herkunftsland wesentlich verschlechtert. Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B. v. 2.11.1995 – 9 B 710/94 – juris). Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U. v. 29.7.1999 – 9 C 2/99 – juris Rn. 8). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. VG Arnsberg, B. v. 23.2.2016 – 5 L 242/16.A – juris Rn. 64 m. w. N.).
Auch unter Berücksichtigung der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen drohen dem Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 2) im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien keine derartigen erheblichen konkreten Gefahren für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Den vorzitierten ärztlichen Unterlagen ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass bei der Antragstellerin zu 2) der sonographische Befund vereinbar sei mit der Schilddrüsenerkrankung „Hashimoto-Thyreoiditis“, zusätzlich sei links ein Schilddrüsenknoten festgestellt worden (Ausgeprägte hypothyreote Soffwechsellage – Schilddrüsenunterfunktion – beginnende Anämie). Empfohlen wurde eine Schilddrüsen- Hormonsubstitution mit L-Thyroxin und ggf. Selen sowie eine eisenreiche Ernährung. Hieraus ergeben sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Antragstellerin zu 2) bei einer Rückführung nach Albanien infolge der bestehenden Schilddrüsenerkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben droht. Insbesondere eine zielstaatsbezogene Verschlimmerung des Krankheitsbildes ist weder ersichtlich noch dargetan. Eine alsbald nach der Rückkehr in den Zielstaat eintretende wesentliche oder sogar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin zu 2) ist allein deshalb nicht zu erwarten, weil die erforderliche medikamentöse Behandlung der Antragstellerin zu 2) nach der derzeitigen Erkenntnislage auch in Albanien erfolgen kann (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 19.10.2015 – 17 L 3327/15.A – juris Rn. 20 f. unter Bezugnahme auf Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.). Hiernach kann die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken grundsätzlich kostenlos in Anspruch genommen werden. Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute – HII -) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste vorhandene Generikum bei Standard-Medikamenten. Sofern nicht sämtliche Kosten übernommen werden, sind vom Patienten gegebenenfalls Zuzahlungen zu leisten (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 19.10.2015 – 17 L 3327/15.A – juris Rn. 22 f.). Vor diesem Hintergrund bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die von Antragstellerin zu 2) aktuell benötigten Medikamente in Albanien nicht erhältlich sind. Zudem hat sie selbst angegeben, in Albanien wegen der Schilddrüsenerkrankung in Behandlung gewesen zu sein.
Auch in Bezug auf die Wirbelsäulenerkrankung des Antragstellers zu 1) ergeben sich aus der ärztlichen Stellungnahme vom … März 2016 keine Anhaltspunkte dafür, dass ihm bei einer Rückführung nach Albanien infolge der bestehenden Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben droht. Diagnostiziert wurde bei ihm „Algetisches L5-Syndrom rechts/lumbaler Bandscheibenschaden L5/S1 rechts“. Zur Therapie wurde ausgeführt, es sei bei der heutigen Vorstellung eine neuroforaminale Blockade bei L5/S1 rechts durchgeführt worden, zu empfehlen wäre eine weitere Abklärung mittels MRT sowie weiteres Procedere nach Vorliegen MRT. Hieraus ergeben sich jedoch keinerlei Hinweise darauf, dass ihm eine alsbald nach der Rückkehr in den Zielstaat eintretende wesentliche oder sogar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes drohen würde. Auch der Antragsteller zu 1) hat angegeben, in Albanien in Behandlung gewesen und auch „gespritzt“ worden zu sein. Sein Wunsch nach besseren Behandlungsmöglichkeiten ist zwar nachvollziehbar, Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll jedoch dem Ausländer – wie ausgeführt – keine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern ihn allein vor gravierenden Beeinträchtigungen seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren (vgl. OVG NW, B. v. 20.9.2006 – 13 A 1740/05.A – juris Rn. 31).
Damit ist insgesamt die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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