Aktenzeichen 13a ZB 16.30503
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsatz
Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wonach vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör hat, kann nur dann festgestellt werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht, die Ausführungen der Beteiligten zu würdigen, nicht nachgekommen ist. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 6 K 16.30801 2016-08-05 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 5. August 2016 bleibt ohne Erfolg.
Es ist schon fraglich, welcher Zulassungsgrund, der gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG im Zulassungsantrag darzulegen ist, geltend gemacht werden soll. Im Antrag wird ausgeführt, die Berufung sei gemäß § 78 Abs. 3 AsylG zuzulassen. Bei wohlwollender Auslegung der weiteren Ausführungen, es bestünden ernstliche Zweifel, dass das Gericht die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geschilderte Abwendung vom Islam richtig gewürdigt habe, lassen sich diese als zulässige Gehörsrüge im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG verstehen. Der in diesem Sinne verstandene Antrag ist jedoch unbegründet, weil keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör erfolgt ist.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Es soll sichergestellt sein, dass das Gericht die Ausführungen der Beteiligten würdigt (BayVerfGH, E.v. 13.3.1981 – Vf. 93-VI-78 – BayVBl 1981, 529). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wonach vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör hat, kann allerdings nur dann festgestellt werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte von ihnen entgegengenommenes Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 188/09 – NVwZ 2009, 580; B.v. 25.2.1994 – 2 BvR 50/93 – NJW 1994, 2279; B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133/146).
Gemessen hieran war dem Kläger das rechtliche Gehör nicht versagt. Den Vortrag des Klägers zu seiner religiösen Konversion und die daraufhin erfolgte Bedrohung seiner Person hat das Verwaltungsgericht zur Kenntnis genommen und sich damit befasst (UA S. 4 ff.). Damit ist dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs Rechnung getragen (vgl. BVerfG, B.v. 30.4.2003 a.a.O.; BayVerfGH, E.v. 13.3.1981 a.a.O.).
In Wahrheit wendet sich der Kläger gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass seine Schilderung des Geschehens nicht glaubhaft sei. Damit macht er jedoch nicht geltend, nicht gehört worden zu sein, sondern greift die Würdigung seines Vortrags durch das Verwaltungsgericht an, das aufgrund des Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung zum Schluss gelangt ist, dass sei Vorbringen hinsichtlich seines Verfolgungsschicksals und insbesondere der geltend gemachten religiösen Konversion nicht glaubhaft und damit nicht zutreffend sei (UA S. 4, 6). Dies stellt aber keine Frage des rechtlichen Gehörs dar, sondern der – im Rahmen von § 78 Abs. 3 AsylVfG nicht einschlägigen – Beweiswürdigung. Mit der Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör aber grundsätzlich nicht begründet werden (BVerfG, B.v. 19.7.1967 – 2 BvR 639/66 – BVerfGE 22, 267/273; BVerwG, B.v. 30.7.2014 -5 B 25.14 – juris; B.v. 15.5.2014 – 9 B 14.14 – juris Rn. 8).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.