Verwaltungsrecht

Angabe einer ladungsfähigen Anschrift

Aktenzeichen  19 ZB 20.554

Datum:
1.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15863
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 82 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1. Die Pflicht zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, unter der der Kläger tatsächlich zu erreichen ist, gilt auch für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren unter Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten (Anschluss an BVerwG NJW 2012, 1527) oder wenn sich während des Verfahrens die ladungsfähige Anschrift ändert. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Darlegung eines Berufungszulassungsgrunds bedarf es einer substantiierten Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (Bstätigung von VGH München BeckRS 2017, 119325 Rn. 4). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 5 K 18.1071 2020-01-15 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig, da der Aufenthaltsort des Klägers mittlerweile unbekannt ist und er trotz gerichtlicher Aufforderung mit Fristsetzung eine aktuelle ladungsfähige Anschrift nicht angegeben hat (§ 82 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dessen Voraussetzungen – als gesetzliche Konkretisierung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses – in jedem Stadium des Verfahrens zu prüfen sind, muss die Klage (bzw. der Zulassungsantrag) den Kläger bezeichnen. Zur Bezeichnung eines Klägers i.S.d. § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO gehört nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO auch die Angabe seines Wohnorts (BayVGH, B.v. 9.5.2016 – 10 ZB 15.677 – juris Rn. 4 m.w.N.). Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, unter der der Kläger tatsächlich zu erreichen ist, ist erforderlich, um ihn zu individualisieren und seine Erreichbarkeit für das Gericht sicherzustellen. Es soll dadurch darüber hinaus auch gewährleistet werden, dass der Kläger nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt werden und sich im Fall des Unterliegens seiner Kostentragungspflicht nicht entziehen kann. Dies gilt auch für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren unter Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten (BVerwG, B.v. 14.2.2012 – 9 B 79.11 – juris Rn. 11) oder wenn sich während des Verfahrens die ladungsfähige Anschrift ändert. Die Pflicht zur Angabe der Anschrift entfällt nur, wenn deren Erfüllung ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar ist (BayVGH, B.v. 9.5.2016 – 10 ZB 15.677 – juris Rn. 4). Dies kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse entgegenstehen (BayVGH, B.v. 5.12.2007 – 19 ZB 06.2329 – juris Rn. 6).
Entspricht die Klage (bzw. der Zulassungsantrag) den in § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO genannten Voraussetzungen nicht, kann der Vorsitzende oder der Berichterstatter nach § 82 Abs. 2 Satz 2 VwGO für die erforderliche Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen.
Gemessen daran fehlt es hier an einer aktuellen ladungsfähigen Anschrift des am 25. November 2020 in sein Heimatland abgeschobenen Klägers. Vorliegend wurde der Bevollmächtigte des Klägers mit gerichtlichem Schreiben vom 3. Mai 2021 aufgefordert, die aktuelle ladungsfähige Anschrift des Klägers bis zum 20. Mai 2021 mitzuteilen. Auf § 82 Abs. 2 Satz 2 VwGO wurde hingewiesen. Auf dieses Schreiben antwortete der Klägervertreter nicht.
Nachdem keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse entgegenstehen, war der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Der Zulassungsantrag hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg:
Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend macht, ist dieser Zulassungsgrund schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Das Darlegungsgebot gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert, die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begegnen im Hinblick auf die Funktion der in § 124 Abs. 2 VwGO aufgeführten Zulassungsgründe (Eröffnung einer umfassenden Prüfung des erstinstanzlichen Urteils in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht) Verfahrensregeln, die zur Entlastung der Gerichte die substantiierte Darlegung von Zulassungsgründen verlangen, grundsätzlich keinen verfassungsgerichtlichen Bedenken. Zur Entlastung der Gerichte verlangt das Gesetz, dass der Betroffene die Gründe für die Zulassung der Berufung darlegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), wobei ein Mindestmaß an Substantiierung verlangt werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – juris). Es bedarf daher einer substantiierten Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (vgl. BayVGH, B.v. 10.7.2017 – 19 ZB 17.952 – juris Rn. 4; B.v. 1.3.2018 – 8 ZB 17.1486 – juris Rn. 11 m.w.N.). „Darlegen“ bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als lediglich ein allgemeiner Hinweis; „etwas darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2018 – 9 ZB 18.904 – juris Rn. 3 m.w.N.). Erforderlich ist unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf den jeweiligen Zulassungsgrund hinsichtlich der Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Darlegung, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die verwaltungsgerichtlichen Annahmen ggf. ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 15 ZB 16.1365 – juris Rn. 8). Bloße Wiederholungen des Klagevorbringens ohne Eingehen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung können dem Darlegungserfordernis, einer substantiierten Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der Entscheidung nicht genügen (vgl. BayVGH, B.v. 10.7.2017 – 19 ZB 17.952 – juris Rn. 5).
Gemessen an diesen Vorgaben genügt das Vorbringen des Klägers nicht dem Darlegungsgebot. Es erschöpft sich in der Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens. Eine Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, die zur Begründung im Wesentlichen auf den Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. Januar 2020 (AN 5 K 18.01071, AN 5 S 18.01070) verweist, erfolgt nicht. Vor diesem Hintergrund sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht zu erkennen. Insbesondere sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Gefahrprognose und Gesamtabwägung nicht zu beanstanden.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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