Aktenzeichen Au 5 K 17.590
VwGO VwGO § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 4
GG GG Art. 13
BayVwVfG BayVwVfG Art. 43
KÜO KÜO § 3
VwZVG VwZVG Art. 31, Art. 36
Leitsatz
1. Der Erlass eines Feuerstättenbescheides erfordert eine umfassende Sachverhaltsermittlung und insbesondere das Betreten sämtlicher Räume, die an den Schornstein angrenzen, um eine Inaugenscheinnahme des Schornsteins an allen vier Seiten zu ermöglichen. Hierbei ist es auch erforderlich, Räume zu betreten, in denen der Kamin eingemauert ist, weil es Aufgabe des Bezirksschornsteinfegers ist, diese ebenfalls zu besichtigen, um die Angaben des Eigentümers zu überprüfen und nachzusehen, ob Anlagen geändert oder weitere Anlagen in Betrieb genommen wurden. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der mit der Durchführung der Feuerstättenschau verbundene Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist hinsichtlich des Fortsetzungsfeststellungsantrags zulässig, hinsichtlich des Verpflichtungsantrags unzulässig. In der Sache ist sie auch hinsichtlich der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids unbegründet.
1. Die Klage ist hinsichtlich des Fortsetzungsfeststellungsantrags zulässig.
Der Klageantrag ist vorliegend zunächst dahingehend auszulegen (vgl. § 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO), dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit des durch Zeitablauf erledigten Verwaltungsaktes begehrt wird. Demzufolge ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft. Es handelt sich hierbei um eine Erledigung vor Klageerhebung. Der Verwaltungsakt hat sich vorliegend durch Zeitablauf erledigt (Art. 43 Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG). Der im streitgegenständlichen Bescheid zur Durchführung der Feuerstättenschau festgesetzte Termin war der 18. April 2017, er lag damit zeitlich vor der Klageerhebung am 25. April 2017.
Das erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Ein berechtigtes Interesse ist wegen Wiederholungsgefahr in der Regel gegeben, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (st. Rspr. des BVerwG, u.a. U.v. 18. 12. 2007 – C-47/06 – NVwZ 2008, 571 Rn. 13). Für die in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 zulässige Feststellungsklage bei bereits vor Klageerhebung erledigten Verwaltungsakten gelten zwar strengere Anforderungen für die Bejahung des Feststellungsinteresses (Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 84). Es muss zu befürchten sein, dass auch in Zukunft unter im Wesentlichen unveränderten Umständen die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergeht. Es müssen dabei die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse vorliegen wie in dem für die Beurteilung des erledigten Verwaltungsakts maßgeblichen Zeitpunkt. Ist dies dagegen völlig ungewiss, ist keine das Feststellungsinteresse rechtfertigende Wiederholungsgefahr gegeben (Eyermann, a.a.O., § 113 Rn. 86a). Die Klägerin kann jedoch ein solches Interesse geltend machen. Auch die strengeren Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Von einem Erlass entsprechender Anordnungen wie im streitgegenständlichen Bescheid unter Festsetzung eines erneuten Termins für die nächste erforderliche Feuerstättenschau ist auszugehen.
2. Hinsichtlich des Antrags, den Beklagten zu verbindlichen Verwaltungsanweisungen für das Handeln des von ihm bestellten bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers bei der Durchführung der Feuerstättenschau zu verpflichten, ist die Klage bereits unzulässig.
Der Klageantrag wäre als Verpflichtungsklage zwar statthaft, ihm fehlt jedoch die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Bei einer Verpflichtungsklage ist klagebefugt, wer ein subjektives Recht auf Erlass eines Verwaltungsakts haben kann (Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 92). Ein solcher subjektiver Anspruch, den die Klägerin hier gegenüber dem Beklagten hinsichtlich aufsichtlichen Einschreitens gegen den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger geltend macht, findet sich in den Normen des Schornsteinfegerhandwerksgesetzes (SchfHwG) oder der Kehr- und Überprüfungsordnung (KÜO) jedoch nicht. Vielmehr regeln dieses Gesetz und die KÜO die Pflichten und Befugnisse des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers sowie die Aufgaben und Befugnisse der Aufsichtsbehörde bereits umfänglich, sodass insoweit auch kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Eine Verletzung der Klägerin in eigenen, subjektiven Rechten liegt nicht vor.
3. Die Klage ist – soweit sie sich als zulässig erweist – in der Sache unbegründet.
Der Bescheid vom 21. März 2017 erweist sich als rechtmäßig. Die gegenüber der Klägerin verfügten Anordnungen waren rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für die im Bescheid angeordnete Verpflichtung der Klägerin zur Duldung der Feuerstättenschau ist § 1 Abs. 3 Satz 1 SchfHwG. Nach dieser Vorschrift sind die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen verpflichtet, dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger für die Durchführung der Feuerstättenschau (§ 14 SchfHwG) Zutritt zu ihren Räumen und Grundstücken zu gestatten. Sofern ein Eigentümer den Zutritt zu dem Grundstück oder dem Gebäude entgegen Absatz 3 die Durchführung einer Tätigkeit, die auf Grund einer der in Absatz 3 bezeichneten Vorschriften durchzuführen ist, nicht gestattet, hat die zuständige Behörde eine Duldungsverfügung zu erlassen (§ 1 Abs. 4 SchfHwG).
Die Feuerstättenschau dient der Sicherstellung der Betriebs- und Brandsicherheit (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 SchfHwG) und des Umweltschutzes. Sie stellt eine zusätzliche Maßnahme zu den Arbeiten dar, die in der Kehr- und Überprüfungsordnung vorgeschrieben sind, und dient der Feststellung, ob seit der letzten Feuerstättenschau an den Feuerungs- oder Abgasanlagen Änderungen vorgenommen, neue Anlagen angeschlossen oder stillgelegte Anlagen wieder in Betrieb genommen wurden. Im Weiteren ist die Feuerstättenschau die Grundlage für den Erlass des Feuerstättenbescheids nach § 14 a SchfHwG. Dies erfordert eine umfassende Sachverhaltsermittlung und insbesondere das Betreten sämtlicher Räume, die an den Schornstein angrenzen, um eine Inaugenscheinnahme des Schornsteins an allen vier Seiten zu ermöglichen. Hierbei ist es auch erforderlich, Räume zu betreten, in denen der Kamin eingemauert ist, weil es Aufgabe des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers ist, diese ebenfalls zu besichtigen, um die Angaben des Eigentümers zu überprüfen und nachzusehen, ob Anlagen geändert oder weitere Anlagen in Betrieb genommen wurden (vgl. VG München, U.v. 2.8.2011 – M 1 K 11.2656 – juris Rn. 17).
Jeder bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG gesetzlich verpflichtet, persönlich zweimal während des Zeitraums seiner Bestellung eine Feuerstättenschau an sämtlichen Anlagen in den Gebäuden seines Bezirks durchzuführen. Die Bestellung beträgt jeweils sieben Jahre (§ 10 Abs. 1 SchfHwG). Die Feuerstättenschau darf frühestens drei Jahre und soll spätestens fünf Jahre nach der letzten Feuerstättenschau durchgeführt werden (§ 14 Abs. 1 Satz 3 SchfHwG). Im Anwesen der Klägerin fand die letzte Feuerstättenschau am 29. Mai 2013 statt. Die im Bescheid angeordnete Feuerstättenschau am 18. April 2017 entspricht somit der gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 1 SchfHwG. Die erforderlichen drei Jahre seit der letzten Feuerstättenschau sind bereits vergangen. Angesichts des klaren gesetzlichen Wortlauts vermag das Gericht der klägerischen Ansicht, dass drei Jahre nach Erlass des Feuerstättenbescheids vergangen sein müssten, nicht zu folgen. Das Datum der nächsten Feuerstättenschau ist auch nicht bereits im Feuerstättenbescheid anzugeben, da dieser lediglich die in § 14 a Abs. 1 Satz 2 SchfHwG aufgeführten Schornsteinfegerarbeiten und deren Anzahl sowie Fristen regelt.
Der mit der Durchführung der Feuerstättenschau verbundene Eingriff in das Grundrecht der Klägerin auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Grundgesetz (GG) ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung wird insoweit eingeschränkt (§ 1 Abs. 3 Satz 3 SchfHwG). § 1 Abs. 3 SchfHwG gibt dem Bezirksschornsteinfeger nur das Recht, die Wohnung zu betreten und zu besichtigen soweit die Pflichten des Grundstückseigentümers nach § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SchfHwG reichen und ist als sonstiger Eingriff nach Art. 13 Abs. 7 GG aufgrund eines Gesetzes zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zulässig (VG Regensburg, B.v. 16.2.2016 – RN 5 S. 16.161 – juris Rn. 26). Art. 13 Abs. 7 GG setzt nicht den Eintritt einer konkreten Gefahr voraus. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts braucht eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung hierfür nicht bereits eingetreten zu sein. Es genügt vielmehr, dass die Beschränkung des Grundrechts dem Zweck dient, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen würde (BVerfG, B.v. 13.2.1964 – 1 BvL 17/61 – BVerfGE 17, 232 Rn. 70).
Die Duldung der Feuerstättenschau am 18. April 2017 wurde vom Beklagten zu Recht angeordnet. Die Klägerin hat die vom bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger festgesetzten Termine am 13. bzw. 19. Dezember 2016 nicht wahrgenommen. Den schriftlich angekündigten Termin am 13. Dezember 2016 hat die Klägerin abgesagt. Die Durchführung der Feuerstättenschau am 19. Dezember 2016 hat die Klägerin vor Ort verweigert. Da die Klägerin der Aufforderung des Landratsamtes, mit dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger einen Termin zur Durchführung der Feuerstättenschau bis spätestens 3. März 2017 zu vereinbaren, ebenfalls nicht nachkam, ist die Duldungsanordnung erforderlich geworden. Die einzelnen Anordnungen des Bescheides entsprechen den gesetzlichen Anforderungen und sind insbesondere hinreichend bestimmt.
Die Duldungsanordnung ist auch verhältnismäßig, denn das öffentliche Interesse an der Feuer- und Anlagensicherheit und der Vermeidung von Gefahren im Rahmen des Brand- und Gesundheitsschutzes überwiegt das Interesse der Klägerin, den Zutritt nicht zu gestatten.
Die im Bescheid festgesetzte Frist bis zur Durchführung der Feuerstättenschau ist ebenfalls angemessen. Die Ankündigungsfrist von fünf Werktagen des § 3 Abs. 1 KÜO gilt nach dem Wortlaut nur für Ankündigungen des Bezirksschornsteinfegers und ist hinsichtlich des am 25. März 2017 zugestellten Bescheids zudem eingehalten. Die Klägerin hatte bis zum festgesetzten Termin drei Wochen Zeit.
b) Die in Ziffer 6 des Bescheides enthaltene Zwangsgeldandrohung für den Fall, dass die angeordnete Feuerstättenschau wegen eines Hindernisses, das die Klägerin zu vertreten hat, bis zu dem in Ziffer 3 festgelegten Termin nicht oder nicht vollständig durchgeführt werden kann, genügt den rechtlichen Anforderungen der Art. 31 und 36 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Es ist insbesondere das mildeste Mittel der möglichen Zwangsmittel. Die Zwangsgeldandrohung ist hinreichend bestimmt formuliert. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes hält sich in dem in Art. 31 Abs. 2 VwZVG eröffneten Rahmen und ist angemessen.
Damit erweist sich der angefochtene Bescheid des Beklagten als rechtmäßig und die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Bescheids gerichtete Fortsetzungsfeststellungsklage als unbegründet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten zu tragen. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.