Verwaltungsrecht

Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  M 21 K 17.41885

Datum:
11.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 30, § 77, § 78
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet sind besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen; die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage muss sich aus der Entscheidung selbst ergeben. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG liegt vor, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts kein Zweifel bestehen kann und sich die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleiben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden konnte, weil die Beklagte rechtzeitig und unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden ist, ist zulässig, aber offensichtlich unbegründet.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist eine offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrags (unter anderem) dann anzunehmen, wenn das Vorbringen des Ausländers in wesentlichen Punkten widersprüchlich ist. Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger hat bei seiner informatorischen Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung in wesentlichen Teilen eine gänzlich andere Verfolgungsgeschichte präsentiert, als dies noch bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt der Fall gewesen ist.
Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt erklärte der Kläger zunächst, man habe ihm bei der Beerdigung seines Vaters mitgeteilt, dass er dessen Nachfolge werden solle. Noch in derselben Anhörung verbesserte sich der Kläger dahingehend, dass eine Beerdigung nicht stattgefunden habe. Vielmehr sei er im November 2012 in das Dorf seines Vaters gefahren, weil die Leute aus dem Dorf die Beerdigung hätten organisieren wollen. Dabei habe er die bereits einen Monat zuvor geäußerte Frage der Nachfolge abgelehnt. Er sei dann weggelaufen und habe seine Tante angerufen, die ihm geraten habe, Nigeria zu verlassen.
In der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer erklärte der Kläger demgegenüber, man habe ihm beim ersten Kontakt mit den Dorfbewohnern lediglich gesagt, er solle in das Dorf kommen, um einige Dinge zu besprechen. Er habe dann seine Tante mit in das Dorf genommen. Erst dort habe man ihnen eröffnet, dass er die Nachfolge seines Vaters antreten solle. Die Tante habe sich dann an die dortige Polizei gewandt und ihm schließlich zur Flucht geraten.
Auch hinsichtlich der weiteren Geschehnisse hat sich der Kläger in erhebliche Widersprüche verstrickt:
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt hat der Kläger, ebenso wie in der mündlichen Verhandlung, unaufgefordert die sich an seinem Oberkörper befindenden Narben gezeigt. Dabei hat er erklärt, er habe bei der Beerdigung seines Vaters, bei der ihm gesagt worden sei, dass er die Nachfolge seines Vaters als Hohepriester antreten solle, am Fuß verletzt, als er weggelaufen sei. Seine Tante habe ihn dann ins Krankenhaus nach Lagos gebracht, wo man ihm nicht habe helfen können. Ein Naturheiler habe ihm dann gesagt, dass sein Blut vergiftet sei, weswegen er ihn in den Bauch ritzen müsse, um ihn zu heilen.
Bei seiner informatorischen Anhörung vor dem erkennenden Gericht erklärte der Kläger zu denselben Narben, diese seien ihm im Dorf seines Vaters zugefügt worden. Nachdem der Kläger zunächst erklärt hatte, es habe sich um Vorbereitungshandlungen für die Übernahme des Amtes als Hohepriester gehandelt, erklärte er später, er sei in dem Dorf krank geworden und man habe ihn dort geschnitten, um das schlechte Blut zu entfernen. Von einem Weglaufen, einer Verletzung am Fuß und dem Besuch eines Krankenhauses war dabei keine Rede mehr.
Insgesamt ist das Vorbringen des Klägers derart widersprüchlich, dass es insgesamt vollumfänglich unglaubhaft erscheint und eine Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet vor dem Hintergrund des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG unumgänglich ist.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung noch geltend gemacht hat, er bemühe sich sehr um eine Integration in Deutschland, spielt dies im Rahmen der Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote keine Rolle und vermag daher ebenfalls nicht zu einer für den Kläger günstigen Entscheidung des Gerichts zu führen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsyG).
Das Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).


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