Verwaltungsrecht

Antrag auf Zulassung der Berufung, Feststellungklage, Zwangsgeld, Fälligstellung, Handlungspflicht, Hundehaltungsanordnung, Nichterfüllung

Aktenzeichen  10 ZB 21.2613

Datum:
3.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15338
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 43 Abs. 1
VwZVG Art. 31 Abs. 3 S. 3
LStVG Art. 18 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 8 K 21.1075 2021-09-07 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 200,– Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine vor dem Verwaltungsgericht erfolglose Klage auf Feststellung, dass entgegen dem Schreiben der Beklagten vom 30. März 2021 das dort angeführte Zwangsgeld in Höhe von 200,- Euro wegen Nichterfüllung einer bestandskräftigen Hundehaltungsanordnung nicht fällig geworden ist, weiter.
1. Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem Zulassungsvorbringen, das allein der rechtlichen Überprüfung durch den Senat unter-liegt, ergibt sich der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht.
a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16).
b) Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall bejaht, dass der Kläger seine Handlungspflicht aus Nr. 1 der bestandskräftigen Hundehaltungsanordnung vom 24. August 2011 nicht im Sinne von Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG erfüllt hat. Darin wurde dem Kläger aufgegeben, seine beiden Hunde, wenn sie frei auf dem nicht eingezäunten Hofgelände gehalten werden, von einer unmittelbar anwesenden Person beaufsichtigen zu lassen, welche die körperlichen und geistigen Fähigkeiten besitzt, die Hunde bei eventuellen Gefahrensituationen unter Kontrolle zu halten (1. Spiegelstrich), und wenn die Hunde nicht entsprechend beaufsichtigt werden können, in einem ausbruchssicheren Gehege unterzubringen oder je an einer reißfesten Leine zu halten, deren Länge den Hunden die Möglichkeit nimmt, das Grundstück des Klägers zu verlassen (2. Spiegelstrich). Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass ein Anwohner den Hund des Klägers am 27. März 2021 um 9:43 Uhr und um 9:50 Uhr in seinem Garten gesehen hat (vgl. BA S. 2 u. 5 unter Verweis auf eine E-Mail samt Lichtbild in der Behördenakte). Dies hat das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen unter c) im Ergebnis dahingehend gewürdigt, dass der Kläger damit seinen Hund offensichtlich auf seinem Grundstück weder ordnungsgemäß beaufsichtigt noch durch ausbruchssichere Unterbringung beziehungsweise eine entsprechende Leine verhindert habe, dass der Hund das klägerische Grundstück verlässt. Unter d) hat das Verwaltungsgericht sodann ausgeführt, dass das Gebot in dem ersten Spiegelstrich gerade auch Konstellationen betreffe, in denen sich der Hund außerhalb des klägerischen Grundstücks befinde.
c) Die Klägerseite rügt, dass das Verwaltungsgericht dem Kläger ein Verhalten unterstellt habe, das es im Rahmen seiner Sachaufklärung gar nicht habe feststellen können. Es handele sich um bloße Vermutungen. So wäre es möglich gewesen, dass der Kläger mit dem Hund und diesen daher beaufsichtigend das Grundstück verlassen habe und sich der Hund erst dann entfernt habe. Eine Haltepflichtverletzung des Klägers auf seinem Grundstück sei nicht nachgewiesen.
Außerdem habe es die Hundehaltungsanordnung vom 24. August 2011 so weit ausgelegt, dass diese viel zu unbestimmt erscheine. Zwar dürfe mit dem Wortlaut der Hundehaltungsanordnung noch begründbar sein, dass der Hund das klägerische Grundstück nicht unbeaufsichtigt verlassen dürfe. Würden die Hunde aber das Grundstück verlassen, ohne dass eine Aufsichtspflichtverletzung vorliege beziehungsweise nachgewiesen sei, so obliege dem Kläger keine weitere Aufsichtspflicht. Die Hundehaltungsanordnung enthalte nur Handlungspflichten des Klägers hinsichtlich der Hunde auf seinem Grundstück, nicht außerhalb des Grundstücks. Das Verwaltungsgericht habe sein Urteil daher nicht darauf stützen dürfen, dass der Kläger den Hund außerhalb seines Grundstücks nicht hinreichend beaufsichtigt habe.
d) Damit sind keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufgezeigt. Das Zulassungsvorbringen ist insbesondere nicht geeignet, die Sachverhalts- und Beweiswürdigung sowie die rechtliche Einordnung des Verwaltungsgerichts unter c) der Entscheidungsgründe ernstlich in Zweifel zu ziehen.
aa) Das Verwaltungsgericht hat nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO die entscheidungserheblichen Tatsachen festgestellt und gewürdigt. Danach entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Diese Freiheit ist nur dann überschritten, wenn es entweder seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zu Grunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Dass ein Beteiligter den Sachverhalt anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse zieht, reicht hierfür nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 11.3.2022 – 10 ZB 21.3251 – juris Rn. 7; B.v. 5.2.2019 – 10 ZB 17.1743 – juris Rn. 5).
bb) Gemessen daran sind der festgestellte Sachverhalt sowie die rechtliche Einordnung unter Nr. 1 der bestandskräftigen Hundehaltungsanordnung in Form einer Pflichtverletzung des Klägers auf dessen Grundstück nicht zu beanstanden. Das Zulassungsvorbringen legt nicht dar, dass der von dem Verwaltungsgericht verwertete Prozessstoff nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens abbildet. Zum einen hat die Klägerseite nicht dargelegt, welche Tatsachen oder Beweismittel das Verwaltungsgericht zu Unrecht übergangen oder angenommen haben soll, zum anderen ist zu berücksichtigen, dass sie selbst auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hat (vgl. BA S. 4). Die Klägerseite hat auch nicht plausibel, in sich widerspruchsfrei und vollständig andere Tatsachen vorgebracht. Insbesondere wird in der Zulassungsschrift gerade nicht vorgetragen, dass der Kläger oder eine andere Person den Hund tatsächlich vor dessen Verlassen des Hofgeländes dort beaufsichtigt oder entsprechend untergebracht beziehungsweise angeleint hat. Das Zulassungsvorbringen zeigt auch nicht auf, dass die Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichts gegen die vorgenannten Regeln, Gesetze, Sätze verstoßen. Die Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichts sind vielmehr ohne Weiteres nachvollziehbar. Soweit es anführt, dass der Hund des Klägers sich unbeaufsichtigt außerhalb des klägerischen Grundstücks aufgehalten hat, beschreibt es lediglich die Beobachtung des Zeugen und damit das Geschehen (vgl. BA S. 2: „Während des gesamten Vorfalls habe der Mitteiler weder den Kläger noch eine andere Person, welche den Hund beaufsichtigt hätte, gesehen“ u. BA S. 5: „Diesen Feststellungen ist die Klägerseite nicht substantiiert entgegengetreten“). Bei der rechtlichen Würdigung hat es sodann auf eine Pflichtverletzung des Klägers auf seinem Grundstück abgestellt (vgl. BA S. 5: „auf seinem Grundstück“). Die Klägerseite hat aus den von dem Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen auch keine anderen plausiblen, in sich widerspruchsfreien und vollständigen Schlussfolgerungen gezogen. Die Klägerseite hat insofern lediglich die im Konjunktiv formulierte hypothetische Möglichkeit eines das Grundstück verlassenden und gleichzeitig den Hund beaufsichtigenden Klägers und eines erst dann entweichenden Hundes angesprochen. Abgesehen davon, dass der hypothetische Fall bei lebensnaher Betrachtung − unter anderem − die Frage aufwirft, wie es sein kann, dass der Anwohner im Zeitraum von 9:43 Uhr bis um 9:50 Uhr zwar den Hund, nicht aber den Kläger gesehen und fotografiert hat (s.o.), handelt es sich schon nicht um Tatsachenvortrag. Insgesamt stellt die Klägerseite den festgestellten Sachverhalt und dessen Würdigung zwar in Abrede, aber nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage.
cc) Angesichts dessen kommt es auf die gegen die – nicht mehr entscheidungserheblichen − Erwägungen des Verwaltungsgerichts unter d) der Entscheidungsgründe erhobenen Einwände nicht weiter an.
d) Die Klägerseite erwähnt zwar die Zulassungsgründe der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, der grundsätzlichen Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sowie eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, hat hierzu jedoch keinerlei Ausführungen gemacht. Damit sind die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht erfüllt.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 3 GKG.
4. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.


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