Verwaltungsrecht

Antwort-Wahl-Verfahren, Maluspunkte, Unzulässige Gestaltung des Antwort-Wahl-Verfahrens mit Maluspunkten, Fehlende Kausalität von fehlerbehafteter Malusbewertung, Rechnerische Behebung von Prüfungsmangel, Kein Verstoß gegen Zweiprüferprinzip, Auswahl von Fragen aus Datenbank, Open-book-Klausur, Punktvergabe für Lösungsansätze

Aktenzeichen  M 3 K 19.1748

Datum:
21.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 19854
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RaPO § 7 Abs. 3 S. 1
APO/BM § 16 Abs. 1
Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang Management und Medien an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Universität der Bundeswehr München

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Mit Einverständnis beider Parteien konnte über die Klage ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid über das endgültige Nichtbestehen im Studiengang Management und Medien der Beklagten vom 2. Juli 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für das endgültige Nichtbestehen des Bachelorstudiengangs Management und Medien ist § 16 Abs. 1 der Allgemeinen Prüfungsordnung für die Bachelor- und Master-Studiengänge im Fachhochschulbereich der Universität der Bundeswehr München (APO/BM) vom 16. Dezember 2010, gültig für den Kläger aufgrund seines Studienbeginns am 25. September 2014. Demnach kann ein Leistungsnachweis maximal zweimal wiederholt werden.
Der Kläger hat hier das Modul Operations Management und Logistik auch im zweiten Wiederholungsversuch nicht bestanden. Eine weitere Wiederholung sieht die APO/BM nicht vor. Somit ist die Bachelorprüfung insgesamt endgültig nicht bestanden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der zweite Teil der streitgegenständlichen Prüfung, in dem die Aufgaben im Antwort-Wahl-Verfahren gestellt wurden, auch nicht aufgrund fehlender Rechtsgrundlage rechtswidrig.
Dem Kläger zuzugeben ist, dass beim Antwort-Wahl-Verfahren ein wesentlicher Teil der prüfungsrechtlich relevanten Entscheidungen oder sogar, wenn die Bewertung der einzelnen richtigen oder falschen Antworten vorgegeben ist, die gesamte Prüfertätigkeit auf die Fragestellung vorverlagert wird (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 1529/84 -, BVerfGE 84, 59 (73); OVG NRW, B.v. 4.10.2006 – 14 B 1035/06 – und B.v. 11.11.2011 – 14 B 1109/11 – juris Rn. 14). Daraus folgt aber lediglich, dass eine Verschiebung der Prüfertätigkeit – also der Fragestellung – vom nach der Prüfungsordnung berufenen Prüfer auf Andere einer normativen Ermächtigung bedarf; darüber hinaus ist für die Anwendung des Antwort-Wahl-Verfahrens keine normative Ermächtigung nötig (OVG NRW, B.v. 11.11.2011 – 14 B 1109/11 – juris Rn. 18 ff. mit weiteren Nachweisen).
Demzufolge ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, dass die Verwendung des Antwort-Wahl-Verfahrens ohne spezifische Rechtsgrundlage erfolgte. Eine solche findet sich weder in der Allgemeinen Prüfungsordnung für die Bachelor- und Master-Studiengänge im Fachhochschulbereich der Universität der Bundeswehr München noch in der Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang Management und Medien an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Universität der Bundeswehr München. Die Prüfung ist von dem Erstprüfer erstellt worden, im streitgegenständlichen Teil durch die Auswahl von Fragen aus einem Fragenbestand. Dabei sind sowohl der Fragenbestand als auch neu aufzunehmende Fragen mit einem Zweitprüfer abgestimmt worden. Damit sind die gegenständlichen Prüfungsaufgaben von einem Prüfer gestellt worden und somit hat durch den zweiten Teil der Klausur im Antwort-Wahl-Verfahren keine Verschiebung der Prüfertätigkeit auf einen Dritten stattgefunden. Deshalb bedurfte es keiner speziellen Ermächtigung des Prüfers, die Prüfungsaufgaben teilweise im Antwort-Wahl-Verfahren zu stellen.
Darüber hinaus liegt entgegen der Ansicht des Klägers hierin auch kein Verstoß gegen das Zweiprüferprinzip des § 7 Abs. 3 Satz 1 der Rahmenprüfungsordnung für die Fachhochschulen in Bayern vom 17. Oktober 2001 (GVBl. S. 686, BayRS 2210-4-1-4-1-WK), die zuletzt durch Verordnung vom 6. August 2010 (GVBl. S. 688) geändert worden ist. Nach dieser Vorschrift sind Prüfungsleistungen, die als nicht bestanden bewertet werden sollen, von zwei Prüfenden zu bewerten. Auch § 8 Abs. 3 APO/BM verweist auf diese Regelung. Daraus ergibt sich aber schon nicht, dass ein Zweitprüfer an der Erstellung der Aufgaben zu beteiligen wäre. Einen solchen allgemeinen Grundsatz kennt entgegen dem Vortrag des Klägers das Prüfungsrecht nicht. Darüber hinaus wurde hier sogar ein Zweitprüfer an der Erstellung der Aufgaben in der Form beteiligt, dass der Fragenbestand und die Auswahl der Fragen hieraus mit ihm abgestimmt wurden.
Auch die Vergabe von Maluspunkten bei falschen Antworten im streitgegenständlichen zweiten Prüfungsteil, der im Antwort-Wahl-Verfahren gestaltet ist, führt zu keinem die Wiederholung der Prüfung erzwingenden Mangel.
Grundsätzlich spricht nach Auffassung des Gerichts einiges dafür, dass bei der hier vorliegenden Prüfungsgestaltung die vorgenommene Bewertung der Antworten, nämlich bei richtigen Antworten einen Punkt, bei fehlenden Antworten keinen Punkt zu vergeben und bei falschen Antworten einen halben Punkt in Abzug zu bringen, fehlerhaft ist.
Das in der vorliegenden Klausur verwendete Antwort-Wahl-Verfahren, bei dem lediglich eine Aussage als richtig oder falsch zu klassifizieren ist, birgt inhärent ein hohes Raterisiko. Deshalb scheint es verständlich, dass der Prüfer versucht hat dem durch die von ihm gewählte Methode der Bewertung der Antworten mit der Vergabe von Maluspunkten für falsche Lösungen zu begegnen. Ein Prüfungsverfahren, dessen Ergebnisse zu einem endgültigen Nichtbestehen des Studiengangs führen können und somit Auswirkungen auf die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) hat, muss jedoch so gestaltet sein, dass es geeignet ist, Aussagen darüber zu gewinnen, welche berufsbezogenen Kenntnisse der Prüfling hat. Einem Bewertungsverfahren, bei dem fehlerfrei erbrachte Prüfungsleistungen als nicht oder schlecht erbracht gewertet werden, weil andere Prüfungsfragen nicht richtig beantwortet worden sind, genügt dem nicht. Denn damit wird nicht der Wissenstand des Prüflings, sondern allenfalls seine Risikobereitschaft zum Raten beurteilt (vgl. zum Ganzen OVG NRW, U.v. 16.12.2006 – 14 A 2154/08 – juris Rn. 45 und B.v. 11.11.2011 – 14 B 1109/11 – juris Rn. 11; Fischer in Niehues/Fischer/Jeremias (Hrsg.), Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 588; wohl auch VG Ansbach, U.v. 31.1.2020 – AN 2 K 18.01544 – juris Rn. 34).
Im Endeffekt kann die Fehlerhaftigkeit dieses Prüfungsteil im vorliegenden Fall aber dahingestellt bleiben, da die Vergabe von Maluspunkte hier nicht ursächlich geworden ist für das Nichtbestehen der Prüfung. Denn selbst, wenn die vergebenen Maluspunkte für die falschen Antworten aus dem Prüfungsergebnis herausgerechnet werden, hat der Kläger die Klausur nicht bestanden. Es wurden nämlich für 10 falsche Antworten insgesamt 5 Punkte in Abzug gebracht, ohne diesen Abzug hätte der Kläger in der Gesamtprüfung nur insgesamt 52 von 60 zum Bestehen nötigen Punkte erreicht und somit die Prüfung weiterhin nicht bestanden.
Selbst wenn man zusätzlich zugunsten des Klägers die vom Kläger nicht beantworteten Fragen in jeder Hinsicht ignoriert, also auch die mit den entsprechenden Fragen erzielbaren Punkte von der erreichbaren Gesamtpunktzahl abzieht und die Bestehensgrenze entsprechend neu festsetzt, hätte der Kläger die Prüfung nicht bestanden. Er hat 13 Fragen nicht beantwortet, somit läge die in der Prüfung zu erreichende Gesamtpunktzahl bei 107 Punkten und die zum Bestehen erforderliche Punktzahl bei einer Bestehensgrenze von 50% bei 53,5 Punkten. Diese Punktzahl hat der Kläger aber auch bei herausgerechneten Maluspunkten nicht erreicht.
Deshalb kann das in der Klausur verwendete Antwort-Wahl-Verfahren im Prüfungsverfahren nicht kausal für das Nichtbestehen des Klägers geworden sein. Somit liegt kein zur Wiederholung der Prüfung führender Mangel vor.
Soweit der Kläger zusätzlich die Bewertung der Rechenaufgaben rügt, kann sich dieses Vorbringen nur auf die Aufgabe 3a beziehen. Denn in den übrigen Aufgaben hat er entweder die volle Punktzahl erzielt (Aufgabe 2) oder gar keine Lösungsansätze abgegeben.
Die Bewertung der Bearbeitung der Aufgabe 3a des Klägers mit 0 Punkten ist nicht zu beanstanden. Zwar hat der Kläger zu dieser Aufgabe tatsächlich einen Lösungsansatz dargestellt, dieser Ansatz ist aber so rudimentär, dass selbst wenn richtige Lösungsansätze bepunktet hätten werden müssen – wofür nach Auffassung des Gerichts einiges spricht – hierfür keine Punkte hätten vergeben werden müssen.
Der richtige Teil des Ansatzes beschränkt sich auf das teilweise Auffinden der passenden Formeln. Das Rechnen mit diesen Formeln gelingt durchweg nicht. Wenn aber wie in der streitgegenständlichen Klausur Hilfsmittel zur Verfügung stehen, die nicht nur die Formeln zu Berechnung der Lösung, sondern auch den Lösungsweg vorgeben, ist es nicht zu beanstanden und vom Bewertungsspielraum des Prüfers umfasst für die (erstmalige) Vergabe von Punkten hohe Hürden zu setzen. Ob diese Hürden so hoch zu gesetzt werden können, dass allein für die richtige Lösung Punkte vergeben werden können, ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Der angebotene Lösungsansatz des Klägers genügt hierfür jedenfalls nicht.
Da somit die Prüfung endgültig nichtbestanden ist, war auch die Klage gegen das endgültige Nichtbestehen des Bachelorstudiengangs abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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