Verwaltungsrecht

Asyl, Aserbaidschan: Erfolglose Klage

Aktenzeichen  AN 16 K 17.30764

Datum:
18.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37861
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1. Es ist davon auszugehen, dass die Kläger auch bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan in der Lage sein werden, sich einen Lebensunterhalt und ein wirtschaftliches Existenzminimum zu sichern.  (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es gibt derzeit keinerlei Erkenntnisse dahingehend, dass die Bevölkerung auf Grund der Covid-19-Pandemie überdurchschnittlich wirtschaftlich leiden würde. Zudem ist es den Klägern möglich, sich vor einer Ausreise nach Aserbaidschan in der Bundesrepublik Deutschland impfen zu lassen.  (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.  

Gründe

Die zulässigen Klagen, über die trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auf Grund eines entsprechenden Hinweises in der ordnungsgemäßen Ladung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), bleibt in der Sache ohne Erfolg, da der Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2017 rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Den Klägern steht weder ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG noch ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG oder des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG zu. Ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG besteht ebenfalls nicht. Auch im Übrigen stößt der angegriffene Bescheid auf keine rechtlichen Bedenken.
1. Vorliegend ist kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG und aufgrund der Identität der Schutzgüter auch kein Anspruch nach Art. 16a Abs. 1 GG auf Anerkennung als Asylberechtigte gegeben.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in welchem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Ergänzend hierzu bestimmt § 3a AsylG die Verfolgungshandlungen, § 3b AsylG die Verfolgungsgründe, § 3c AsylG die Akteure, von den Verfolgung ausgehen kann, § 3d AsylG die Akteure, die Schutz bieten können und § 3e AsylG den internen Schutz.
Mit Rücksicht darauf, dass sich der Schutzsuchende vielfach hinsichtlich asylbegründender Vorgänge außerhalb des Gastlandes in einem gewissen sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt bezüglich dieser Vorgänge für die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene richterliche Überzeugungsgewissheit in der Regel die Glaubhaftmachung. Dies bedeutet, dass das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen darf, sondern sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen muss, der auch nicht völlig auszuschließende Zweifel mit umfasst (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.1977 – 1 C 33/71 – BVerwGE 55,82 – juris Rn. 15). Dabei ist der Beweiswert der Aussage des Asylbewerbers im Rahmen des Möglichen wohlwollend zu beurteilen. Er muss jedoch auch andererseits von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen, detaillierten und widerspruchsfreien Sachverhalt schildern, der seine Verfolgungsfurcht für den Fall der Rückkehr in sein Heimatland begründet. Ein glaubhaftes Vorbringen liegt daher in der Regel nicht vor, wenn der Schutzsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnisse entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.1990 – 9 C 72/89 – juris Rn. 15). Insbesondere bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Schutzsuchenden nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – NVwZ 1990, 171 – juris Rn. 3).
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gilt einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“). Erforderlich ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene bei einer Rückkehr verfolgt werden wird. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb die dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140,22 – juris Rn. 24; U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – BVerwGE 146,67 – juris Rn. 32).
Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EU) in Form einer widerlegbaren Vermutung ist im Asylverfahren erst zu beachten, wenn der Kläger frühere Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung als Anhaltspunkt für die Begründetheit seiner Furcht geltend macht und dass sich die Verfolgung im Falle der Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werde.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe und unter Berücksichtigung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) ist das Gericht der Überzeugung, dass den Klägern im Falle ihrer Rückkehr nach Aserbaidschan keine dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG unterfallende Gefährdungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Zur Begründung nimmt das Gericht Bezug auf die Begründung der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid, der das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend gilt Folgendes:
Das Gericht vermag vorliegend auf Grund des Ausbleibens der Kläger in der mündlichen Verhandlung den Vortrag der Kläger hinsichtlich ihrer Asylgründe insbesondere anhand ihres Vortrags bei der Anhörung durch die Beklagte zu beurteilen, sowie aufgrund des schriftsätzlichen Vorbringens.
Zunächst schließt sich das Gericht den Ausführungen der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid an (§ 77 Abs. 2 AsylG). Den dortigen Ausführungen sind die Kläger auch im gerichtlichen Verfahren durch die vorgelegten Schriftsätze nicht substantiiert entgegengetreten. Das Gericht ist vorliegend der Überzeugung, dass den Klägern bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG unterfallende Gefährdungen drohen. Der bisherige, insbesondere bei der Beklagten erfolgte Vortrag der Kläger ist sehr oberflächlich und widersprüchlich und daher nicht glaubhaft. Zunächst fällt auf, dass bereits die Behauptungen des Klägers zu 1) hinsichtlich seiner Teilnahme und Verhaftungen im Rahmen von Demonstrationen sehr oberflächlich sind. Der Vortrag bleibt detailarm und äußerst kurz gehalten. Ebenso ist das Gericht der Auffassung, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass die Kläger, insbesondere der Kläger zu 1), der nach eigenem Vortrag auf Grund einer Vorladung gesucht würde, in der Lage ist, unbehelligt die Kontrollen am Flughafen im Rahmen der Ausreise zu passieren. Ebenso wenig erschließt sich dem Gericht, weshalb die Polizei bzw. andere Strafverfolgungsbehörden den Kläger zu 1) in dessen Wohnung in Baku in den Wochen vor der Ausreise immer nur tagsüber aufgesucht hätten und offensichtlich niemals nachts vorbeigekommen sein sollen, zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger nach eigenem Vortrag sich in der Wohnung aufgehalten hat. Dieses Verhalten widerspricht einem Verfolgungswillen. Auch hinsichtlich der vorgetragenen Verhaftungen und Schläge bleibt der Vortrag der Kläger und insbesondere des Klägers zu 1) äußerst oberflächlich und detailarm, somit unglaubhaft.
Der Kläger zu 1) hat nach eigenem Vortrag mit seinem bisherigen Arbeitgeber in Aserbaidschan, der Polizei, massive Probleme gehabt auf Grund seiner Teilnahme an Demonstrationen. Nach eigenem Vorbringen ist er auf Grund dessen auch in Aserbaidschan verfolgt worden. Umso weniger erschließt sich dem Gericht, wie es für den Bruder des Klägers offenbar unproblematisch möglich gewesen ist, von den Polizeibehörden in Aserbaidschan ein Arbeitsbuch über die Arbeitszeiten des Klägers zu1) bei der Polizei zu erreichen. Nachfragen über den aktuellen Aufenthalt des Klägers zu 1) hat es offenbar nicht gegeben.
Sehr detailarm bleibt auch der Vortrag des Klägers hinsichtlich der Verfolgung in der U-Bahn-Station. Erst auf mehrere Nachfragen hat der Kläger angegeben, welchen Hintergrund seine U-Bahn-Fahrt hatte.
Soweit der Klägerbevollmächtigte schriftsätzlich Beweisanträge angekündigt hat, so war diesen jedenfalls nicht nachzugehen.
Es kann vorliegend dahinstehen, ob das vom Kläger zu 1) vorgelegte Gerichtsurteil vom 26. Oktober 2015 sowie die Vorladung zur Meldung bei der Staatsanwaltschaft am 13. Mai 2016 echt sind. Zunächst ist hierzu festzuhalten, dass die Kläger keine Übersetzungen vorgelegt haben. Letztlich kann es dahinstehen bzw. kann es unterstellt werden, dass die vorgelegten Unterlagen echt sind. Gemäß der Übersetzung der Unterlagen im Rahmen der Anhörung des Klägers zu 1) hat das vorgelegte Gerichtsurteil zum Inhalt, dass der Kläger zu 1) bei einer Demonstration teilgenommen und Widerstand gegen die Polizei geleistet habe. Selbst bei Wahrunterstellung der Echtheit des Beweismittels steht damit lediglich fest, dass der Kläger zu 1) jedenfalls auf Grund Widerstands gegen die Polizei mit einer Strafe belegt worden ist. Eine Verfolgung des Klägers hieraus ist für das Gericht nicht ersichtlich. Auch in anderen Rechtssystemen ist bei einem Widerstand gegen die Polizei bzw. gegen Vollstreckungsbeamte mit strafrechtlichen Sanktionen zu rechnen. Eine Verfolgung lässt sich aus dem vorgelegten Urteil daher nicht ableiten. Gleiches gilt für die vorgelegte Vorladung. Selbst wenn man diese als wahr unterstellen würde, ginge aus dieser lediglich hervor, dass der Kläger zu 1) einer Straftat beschuldigt werde. Eine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes lässt sich daraus nicht erkennen.
Ein Anspruch gemäß § 3 Abs. 1 AsylG oder Art. 16a GG ist demnach nicht gegeben.
2. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG).
Das Gericht nimmt Bezug auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid, denen es folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Den Klägern droht nach Auffassung des Gerichts insoweit insbesondere kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen zu § 3 AsylG verwiesen.
3. Die Kläger können die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht beanspruchen.
a) Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Insbesondere Art. 3 EMRK steht einer Abschiebung entgegen, wenn dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe droht.
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG sind vorliegend nicht gegeben. Diesbezüglich wird auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen, der das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Zudem wird auf obige Ausführungen verwiesen.
b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG setzt eine einzelfallbezogene, erhebliche und konkrete Gefahrensituation voraus, wobei es nicht darauf ankommt, von wem die Gefahr ausgeht und wodurch sie hervorgerufen wird. Erheblich ist eine Gefahr, wenn sie von bedeutendem Gewicht ist, konkret, wenn ihre Verwirklichung mit einer auf stichhaltigen Gründen beruhenden beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dabei nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Konkret ist die durch eine Krankheit verursachte Gefahr, wenn die Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach Rückkehr in das Herkunftsland eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist, § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG. Maßgeblich sind vielmehr die dort üblichen Standards. Nicht zu prüfen ist deshalb, ob in Aserbaidschan eine medizinisch optimale Behandlung oder gar eine Heilung zu erreichen ist. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG liegt eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet ist.
Im aserbaidschanischen Gesundheitssystem hat die Regierung in den letzten Jahren erhebliche Investitionen vorgenommen (vgl. Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan des Auswärtigen Amtes vom 17.11.2020, Stand: November 2020, S. 21). Zu Anfang des Jahres wurde eine allgemeine Krankenversicherung eingeführt, die auf eine Verbesserung der medizinischen Versorgung insgesamt abzielt. Ihre schrittweise verbindliche Einführung wurde wegen der Covid-19-Pandemie auf 2021, mithin auf dieses Jahr, verschoben.; theoretisch gibt es eine alle notwendigen Behandlungen umfassende kostenlose medizinische Versorgung. Dringende medizinische Hilfe wird in Notfällen gewährt, mittellose Patienten werden minimal versorgt, dann jedoch nach einigen Tagen „auf eigenen Wunsch“ entlassen, wenn sie die Behandlungskosten und „Zuzahlungen“ an die Ärzte und das Pflegepersonal nicht aufbringen können. In diesem Fall erfolgt dann die weitere Behandlung ambulant oder nach Kostenübernahme durch Dritte. Neben der staatlichen Gesundheitsversorgung bildete sich in den vergangenen Jahren ein florierender privater medizinischer Sektor heraus, der gegen Barzahlung medizinische Leistungen auf annähernd europäischem Standard bietet. Bei stationärer Behandlung sind alle Medikamente kostenfrei (vgl. IOM Länderinformationsblatt Aserbaidschan 2016, S. 2). Ambulante Patienten zahlen ihre Medikamente mit Ausnahme bei Krebserkrankungen und psychischen Erkrankungen selbst. Medikamente sind vergleichsweise teuer. Auch wenn die medizinische Versorgung noch nicht europäischen Standards entspricht, können verbreitete Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Asthma, Anämie, Gelenk- und Rückenschmerzen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie die coronare Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen, psychische Erkrankungen wie Depressionen, Drogenmissbrauch und posttraumatische Belastungsstörungen in Aserbaidschan adäquat behandelt werden. Bis auf wenige Ausnahmen sind die in Deutschland üblichen Medikamente auch in Aserbaidschan erhältlich (vgl. Information zur medizinischen Versorgung in Aserbaidschan der Botschaft Baku vom 29.4.2016). Nicht vorhandene Medikamente können in der Regel durch andere, wirkungsgleiche ersetzt werden.
Unter Zugrundelegung der genannten Maßstäbe und Erkenntnismittel erweist sich eine Abschiebung der Kläger nach Aserbaidschan weder gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG noch nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG als unzulässig. Zur Begründung wird vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Es ist davon auszugehen, dass die Kläger auch bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan in der Lage sein werden, sich einen Lebensunterhalt und ein wirtschaftliches Existenzminimum zu sichern. Die Kläger sind jung, gut ausgebildet und gesund und damit in der Lage, zu arbeiten. Beide besitzen zudem zahlreiche, teils auch enge Familienangehörige in Aserbaidschan, zu denen sie auch Kontakt haben. Da ihnen Familienangehörige auch vor der Ausreise Hilfe und Unterstützung haben zukommen lassen, so ist auch bei einer Rückkehr hiervon auszugehen. Insoweit kommt es auch auf den Behauptungen des Klägervertreters hinsichtlich des Umstandes, was ein Tagelöhner in Aserbaidschan verdient, nicht an. Dem insoweit angekündigten Beweisantrag war demnach nicht nachzugehen. Es ist davon auszugehen, dass die Kläger eben gerade nicht auf Grund ihrer Ausbildung als Tagelöhner arbeiten werden.
Auch aus den Behauptungen des Klägervertreters zur Covid-19-Pandemie ergibt sich nichts Anderes. Der Vortrag des Klägervertreters ist insoweit unsubstantiiert. Es ist davon auszugehen, dass Aserbaidschan ebenso wie andere Länder, auch Deutschland, von der Covid-19-Pandemie betroffen ist, jedoch auch zahlreiche Maßnahmen verhängt und verhängt hat, wie die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes zeigen. Es gibt derzeit keinerlei Erkenntnisse dahingehend, dass die Bevölkerung auf Grund der Covid-19-Pandemie überdurchschnittlich wirtschaftlich leiden würde. Zudem ist es den Klägern möglich, sich vor einer Ausreise nach Aserbaidschan in der Bundesrepublik Deutschland impfen zu lassen.
4. Auch die in dem angefochtenen Entscheid enthaltene Ausreiseaufforderung unter Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG liegen vor.
5. Gleiches gilt für die Befristung des in Ziffer 6 festgesetzten Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß §§ 11 Abs. 1, Abs. 2, 75 Nr. 12 AufenthG. Die Befristung steht dabei im Ermessen der Behörde, vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, womit das Gericht die Festsetzungen in zeitlicher Hinsicht nur auf (im vorliegenden Fall nicht ersichtliche) Ermessensfehler hin überprüft (§ 114 Satz 1 VwGO).
6. Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO; die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.


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