Verwaltungsrecht

Asyl: Keine Verfolgung koptischer Christen nach Regierungswechsel in Ägypten

Aktenzeichen  Au 6 K 17.34310

Datum:
20.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5557
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3a Abs. 2 Nr. 5, § 3d, § 4
EMRK Art. 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Koptische Christen unterliegen zwar einer gewissen Diskriminierung in Ägypten. Es fehlt aber an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen kritischen Verfolgungsdichte. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Koptische Christen müssen sich in Ägypten auf innerstaatlichen Schutz gemäß § 3d AsylG verweisen lassen. Es besteht keine verfolgungsrelevante Gefährdung mehr. Insbesondere der 2014 gewählte ägyptische Staatspräsident ist bemüht, die gesellschaftliche Diskriminierung koptischer Christen zu bekämpfen und setzt sich dafür ein, dass diese ungestört ihre Religion ausüben können. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die gesetzliche Wehrpflicht besteht in Ägypten im Alter von 18-30 Jahren. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4 Einem Wehrpflichtigen droht in Ägypten keine Beteiligung an Kriegsverbrechen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
5 Es ist nicht ersichtlich, dass Strafmaßnahmen wegen Verstoßes gegen die Wehrpflicht nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht gelten. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
6 Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst in Ägypten an gruppenbezogenen Merkmalen bzw. persönlichen Merkmalen iSv § 3b AsylG orientiert ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
7 Dem Kläger steht eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Großstädten Kairo bzw. Alexandria sowie in Sharm-el-Sheik offen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 9. August 2017 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung i. S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Die Gefahr einer derartigen Verfolgung bei seiner Rückkehr nach Ägypten hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht.
a) Es ist Sache des Schutzsuchenden, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Flüchtlinge insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
b) Eine Verfolgung allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der koptischen Christen in Ägypten als staatlich geduldete Gruppenverfolgung durch Private hat der Kläger derzeit nicht zu befürchten.
Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt voraus, dass entweder sichere Anhaltspunkte für ein an asylerhebliche Merkmale anknüpfendes staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen (was ersichtlich nicht der Fall ist), oder es ist eine bestimmte Verfolgungsdichte erforderlich, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.
Koptische Christen machen etwa 10%. der ägyptischen Gesellschaft aus (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten vom 15.12.2016, S. 7 – im Folgenden: Lagebericht; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Düsseldorf zur Lage koptischer Christen vom 20.1.2017). Sie unterliegen zwar einer gewissen Diskriminierung in Ägypten. Es fehlt aber jedenfalls an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen kritischen Verfolgungsdichte (vgl. zur Gruppenverfolgung BVerfG, B.v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85, 2 BvR 515/89, 2 BvR 1827/89 – BVerfGE 83, 216 m.w.N.; BVerwG, B.v. 24.2.2015 – 1 B 31/14 – juris). Das Gericht geht aufgrund der vorliegenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnismittel (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Köln zur Lage koptischer Christen vom 29.5.2017) davon aus, dass die Verfolgung christlicher Kopten in Ägypten jedenfalls nicht die von der Rechtsprechung verlangte Verfolgungsdichte aufweist, die zu einer Gruppenverfolgung und damit der Verfolgung eines jeden Mitglieds führt (vgl. auch OVG NRW, B.v. 17.7.2014 – 11 A 1935/12.A – juris; VG Köln, U.v. 10.11.2016 – 6 K 5496/15.A – juris; VG Aachen, U.v. 26.7.2016 – 3 K 664/16.A – juris Rn. 37 ff.; VG Gelsenkirchen, U.v. 14.10.2015 – 7a K 1514/14.A – juris). Koptische Christen können den Wohnort innerhalb des Landes wechseln und so insbesondere in Ballungsräumen die in Oberägypten höhere Gefährdung verringern (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Köln zur Lage koptischer Christen vom 29.5.2017; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Düsseldorf zur Lage koptischer Christen vom 20.1.2017). Dies gilt auch für den nicht ortsgebundenen Kläger.
Selbst bei Annahme einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung in Gestalt der Übergriffe gegen den Vater des Klägers und den Kläger als Begleitperson muss sich der Kläger auf staatlichen Schutz (§ 3d AsylG) verweisen lassen. Dass dieser im Zeitpunkt seiner Ausreise von der nicht zum Einschreiten und zu Ermittlungen bereiten Polizei verweigert worden sei, wie er angibt, kann jetzt so nicht mehr angenommen werden. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht keine verfolgungsrelevante Rückkehrgefährdung. Die Situation in Ägypten in Bezug auf die Sicherheit koptischer Christen hat sich grundlegend verändert seit der Absetzung des ehemaligen Präsidenten Mursi im Juli 2013 und der Wahl von Abdelfattah El-Sisi zum Staatspräsidenten im Mai 2014. Insbesondere Präsident El-Sisi ist darum bemüht, die gesellschaftliche Diskriminierung der koptischen Christen zu bekämpfen und setzt sich dafür ein, dass diese ungestört ihre Religion ausüben können. Die Muslimbruderschaft ist mittlerweile als Terrororganisation klassifiziert verboten (s.a. Lagebericht S. 5 f.).
Auch unter Berücksichtigung und Würdigung der aktuellen Auskunftslage bzw. einzelner gewaltsamer Übergriffe insbesondere des als Terrororganisation auch vom ägyptischen Staat bekämpften IS ergibt sich keine abweichende rechtliche Bewertung. Die Anschläge auf koptische Christen im Lauf des Jahres 2017 und die ihren Schutz anstrebende Reaktion von Präsident El-Sisi darauf zeigen sich in aktuellen Meldungen, wonach die Kopten in Ägypten Heiligabend begleitet von strengen Sicherheitsvorkehrungen gefeiert haben und der koptische Papst eine Messe in einer neuen Kathedrale zelebrierte im Beisein von Staatspräsident Al-Sisi, der ein Zeichen gegen den Terror im Land setzen wollte (vgl. als allgemein zugängliche Quelle www.tagesschau.de/ ausland/kopten-weihnachten-109.html). Al-Sisi habe nach einem schweren Anschlag auf eine Kirche nahe der Markus-Kathedrale in Kairo im Dezember 2016 mit mehr als 25 Toten die Errichtung der neuen Christi-Geburt-Kathedrale angeordnet. Sie solle ein Symbol für die Koexistenz und die Einheit des nordafrikanischen Landes sein. Die koptischen Christen in Ägypten haben Heiligabend gefeiert. Zu einer Messe mit dem koptischen Papst Tawadros II. und Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi in Kairo kamen Hunderte Gläubige erstmals in einer neuen Kathedrale östlich von Kairo zusammen. Zwar bezweifelten immer mehr Kopten, dass Al-Sisis Sicherheitsapparat überhaupt dazu fähig sei, sie zu beschützen; bei einem Angriff auf eine Kirche bei Kairo kurz vor dem Jahreswechsel seien sieben Menschen getötet worden, darunter ein Polizist, der die Kirche bewachte (ebenda). Dies zeigt, dass die ägyptische Regierung Christen weiterhin schützen will und dem Grunde nach auch schutzfähig ist; ein lückenloser Schutz insbesondere vor Terroristen kann freilich nicht verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.1985 – C 33/85 u.a. – BVerwGE 72, 269, juris Rn. 20) – auch in Deutschland gab es mittlerweile mehrere islamistische Anschläge.
c) Auch kann eine staatliche Verfolgung im Sinne von § 3a AsylG nicht dem Umstand entnommen werden, dass der Kläger in seinem Heimatland noch keinen Militärdienst geleistet hat.
Nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ist eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt dann als Verfolgungshandlung zu qualifizieren, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, sich also als Verbrechen gegen den Frieden, als ein Kriegsverbrechen oder als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen würden. Dieses Beispiel bezieht sich demnach auf spezielle Fälle der Verweigerung des Militärdienstes bei drohender Beteiligung an Kriegsverbrechen (vgl. Kluth in Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 01.2.2017, § 3a AsylG Rn. 18). Zwar unterliegt der Kläger grundsätzlich aufgrund seines Alters nach wie vor der gesetzlichen Wehrpflicht, die in Ägypten im Alter von 18-30 Jahren besteht (vgl. Anfragebeantwortung Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 22.6.2016, abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des BAMF). Jedoch droht vorliegend keine Beteiligung an Kriegsverbrechen; besondere Umstände, aus denen sich ergibt, dass Strafmaßnahmen nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht gelten, sind nicht ersichtlich (vgl. auch EuGH, U.v. 20.11.2013 – C-472/13 – juris; BVerwG, U.v. 24.4.1990 – 9 C 4/89 – NVwZ 1990, 876). Insbesondere gibt es keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen bzw. persönlichen Merkmalen i.S.v. § 3b AsylG orientiert ist (vgl. Lagebericht S. 8 f.). Im Gegenteil wird die zwingend erforderliche Musterung des Klägers vor einer Wehrdienstheranziehung unter Berücksichtigung seiner Epilepsie seit dem vierzehnten Lebensjahr voraussichtlich eher zu einer Dienstuntauglichkeit führen.
d) Soweit der Kläger eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise befürchtet, ist nicht erkennbar, dass er sich strafbar gemacht haben könnte, da sein vorgelegter Reisepass am 15. Juli 2013 ausgestellt wurde und noch bis zum 14. Juli 2020 gültig ist, ihn also zur Ein- und Ausreise berechtigt; zudem nicht erkennbar ist, dass eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise, so sie stattfände, an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal anknüpfte.
e) Zudem steht dem Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative insbesondere in Kairo offen.
Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer der Flüchtlingsstatus nicht zuer-kannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (vgl. Art. 8 Abs. 1 QRL). Somit darf ein Ausländer nur dann auf ein verfolgungsfreies Gebiet seines Heimatstaates als inländische Fluchtalternative verwiesen werden, wenn er dieses tatsächlich in zumutbarer Weise erreichen kann (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2008 – 10 C 11/07 – juris Rn. 19). Ob die Voraussetzungen des § 3e Abs. 1 AsylG vorliegen, ist im Falle einer Vorverfolgung unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 QRL zu ermitteln; die Vermutung einer auch künftigen Verfolgung kann als widerlegt erachtet werden, soweit in einem Landesteil bei tatrichterlicher Würdigung des Vorbringens des Ausländers und der maßgeblichen Erkenntnismittel keine begründete Furcht vor Verfolgung besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2009 – 10 C 20/08 – juris Rn. 15 f.). Am Ort des internen Schutzes muss unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Betroffenen die Existenzgrundlage derart gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält; dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer i.R.v. § 60 Abs. 5 AufenthG bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog beachtlichen existenziellen Notlage hinaus und erfordert eine Einzelfallprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 5.8.2014 – 13a ZB 14.30188 – juris Rn. 6).
Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Ägypten jedenfalls in den Großstädten Kairo bzw. Alexandria sowie in Sharm-el-Sheik keiner Verfolgung ausgesetzt wäre (vgl. auch VG Köln, U.v. 10.11.2016 – 6 K 5496/15.A – juris; VG Aachen, U.v. 26.7.2016 – 3 K 664/16.A – juris Rn. 37 ff.; VG Gelsenkirchen, U.v. 14.10.2015 – 7a K 1514/14.A – juris). Dass er in der Millionenmetropole Kairo von Mitgliedern einer an seinem Herkunftsort lebenden muslimischen Familie gesucht und gefunden würde, ist auch vor dem Hintergrund seiner eigenen Darstellung nicht glaubwürdig. Einerseits hat er beim Bundesamt angegeben, er habe in der Hauptstadt gelebt und Arbeit gesucht, bis er jemanden aus der Familie des Scheichs * auf der Straße wiedererkannt und erfahren habe, dass dieser dort sei, ihn zu suchen; er habe auch nach ihm gefragt (ebenda Bl. 58). Andererseits hat er angegeben, seinem Bruder sei der Arm gebrochen worden von einem Familienmitglied des Scheich * und seinem Vater hätten sie danach gesagt, sie würden seinen Bruder töten, wenn er ihnen den Kläger nicht ausliefere; der habe dann geantwortet, er wisse nicht, wo der Kläger sei, er sei wahrscheinlich tot. Das bedeutet, die Familie hat noch nach der Ausreise des Klägers keine Kenntnis von seinem Aufenthaltsort gehabt – dass sie ihn dann schon vor seiner Ausreise gezielt in * gesucht und in seinem Wohnviertel nach ihm gefragt habe, ist schlicht unglaubwürdig.
Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in den genannten Orten sicherstellen kann. Auch wenn hierfür mehr zu fordern ist als ein kümmerliches Einkommen zur Finanzierung eines Lebens am Rande des Existenzminimums (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 20), ist doch vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger sich in Kairo bzw. Alexandria oder Sharm-el-Sheik aufhält und seinen Lebensunterhalt dort sicherstellt. So ist die Grundversorgung für Rückkehrer unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit durch staatliche Subventionen (auf Lebensmittel wie Brot), zwei Sozialhilfeprogramme, Mietpreisbindung und ein leistungsmäßig beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem gesichert (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Düsseldorf zur Lage koptischer Christen vom 20.1.2017). Der Kläger ist zudem ein arbeitsfähiger junger Mann, der nach seinem Vortrag bis zur Ausreise die Schule besucht hat. Zudem durchläuft er derzeit in Deutschland eine Ausbildung, die ihn auch für den ägyptischen Arbeitsmarkt überdurchschnittlich qualifiziert, da er dabei auch Deutschkenntnisse erwirbt und im Tourismus arbeiten könnte, so dass ihm dies durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts dort eröffnet.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Ägypten ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG i.V.m. Art. 15 RL 2011/95/EU die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
a) Der Kläger hat eine ernsthafte Bedrohung, so sie eine Gefährdungslage i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG begründen würde, nicht glaubhaft gemacht (vgl. oben). Nach Auffassung des Gerichts hat der Kläger damit eine konkrete Gefährdungslage, die ihn zur Ausreise veranlasste und die heute seiner Rückkehr in sein Heimatland entgegensteht, nicht glaubhaft gemacht.
Der Kläger hat eine ernsthafte Bedrohung, die eine Gefährdungslage i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG i.V.m. Art. 3 EMRK – unmenschliche oder erniedrigende Behandlung – wegen seiner attestierten Erkrankung (Epilepsie) begründen würde, nicht glaubhaft gemacht. Es fehlt hier an der erforderlichen Zurechenbarkeit zum Zielstaat.
Die Aufenthaltsbeendigung eines Ausländers durch einen Konventionsstaat kann zwar Art. 3 EMRK verletzen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen und bewiesen sind, dass der Ausländer im Zielstaat einer Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt zu werden. Dann ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung für den Konventionsstaat, den Betroffenen nicht in dieses Land abzuschieben (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 173 m.w.N.). Ein auf einer Krankheit beruhendes Leid kann ausnahmsweise von Art. 3 EMRK erfasst werden, wenn es durch eine Behandlung verschlimmert wird oder zu werden droht, die auf Haftbedingungen, Ausweisung oder andere Maßnahmen zurückgeht, für die Behörden verantwortlich gemacht werden können. Allerdings können Ausländer sich grundsätzlich nicht auf ein Bleiberecht im Konventionsstaat berufen, damit sie die Versorgung und medizinischen, sozialen und anderen Dienste des abschiebenden Staates weiter nutzen können. Eine schlechtere Versorgung im Aufnahmeland, die Verschlechterung des Gesundheitszustands und der Lebenserwartung allein reichen nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Das kann in besonderen Ausnahmefällen anders sein, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen (zum Ganzen EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 175 f. 178 m.w.N.).
Solche besonderen Ausnahmefälle können in Fällen vorliegen, in denen eine schwerkranke Person durch die Aufenthaltsbeendigung auch ohne eine unmittelbare Gefahr für ihr Leben schon wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Aufnahmeland oder weil sie dazu keinen Zugang hat, tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wird, dass sich ihr Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 183).
Während der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hinsichtlich einer Verletzung von Art. 3 EMRK allein auf die Verantwortung der Konventionsstaaten und ihrer Behörden bei einer Aufenthaltsbeendigung abstellt, aber keine Verantwortlichkeit des Zielstaats und seiner Behörden für die Verhältnisse dort voraussetzt, hat der Europäische Gerichtshof hingegen in seiner für § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG maßgeblichen Auslegung von Art. 15 RL 2011/95/EU auf eine Verantwortlichkeit des Zielstaats abgestellt. Da Art. 6 RL 2011/95/EU für internationalen Schutzbedarf verantwortliche Akteure voraussetzt und nach Erwägungsgrund Nr. 26 RL 2004/83/EG Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre, reicht die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands eines an einer schweren Krankheit leidenden Ausländers, die auf das Fehlen einer angemessenen Behandlung in seinem Herkunftsland zurückzuführen ist, ohne dass diesem die Versorgung absichtlich verweigert wurde, nicht aus, um ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen (EuGH, U.v. 18.12.2014 – C-542/13 – juris Rn. 35 f., 39 f.). Daher liegt nur bei einer absichtlichen Verweigerung von angemessener medizinischer Versorgung im Zielstaat ein subsidiären Schutz rechtfertigender Verstoß gegen Art. 3 EMRK vor.
Daran fehlt es jedoch hier, weil der Kläger ausweislich der vorgelegten Atteste wegen seiner Epilepsie bereits in seinem Herkunftsland Ägypten medikamentös behandelt worden ist (Dr., Kinderklinik der, Entlassungsbericht vom 14.11.2013, BAMF-Akte Bl. 47: Verdacht auf Epilepsie, Vormedikation mit Phenytoin; Prof. Dr., Epilepsiezentrum der, Entlassungsbericht vom 28.1.2014, BAMF-Akte Bl. 43: Vormedikation in Ägypten mit Phenytoin), ihm also die landesübliche Behandlung – selbst wenn sie nicht das Niveau der Behandlung in Deutschland erreichen sollte oder aus Sicht deutscher Mediziner zu hoch dosiert gewesen sei, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung angab – nicht verweigert worden ist, sondern tatsächlich auch erreichbar war. Die Sehschwäche mit Erforderlichkeit einer Brille (Dr., Augenarzt, Attest vom 3.2.2015, BAMF-Akte Bl. 42: Myopie, Astigmatismus, Epilepsie, Zustand nach Nasenoperation vor neun Jahren in Ägypten, Sehfähigkeit 50% beidseitig trotz Brille) ist keine Erkrankung der Schwere, dass sich der Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung. Zudem ist in Ägypten das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung eingeschränkt leistungsfähig und eine kostenlose Grundversorgung gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben. Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Unikliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten vom 15.12.2016, S. 15).
b) Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen nicht vor. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Ägypten und insbesondere nach Kairo nach derzeitigem Kenntnisstand des Gerichts auch keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Auf den Bescheid des Bundesamts wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
a) Dem Kläger steht kein Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu, da diese Norm im Fall krankheitsbedingter Gefahren durch § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG gesperrt ist.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.
Die Vorschrift des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK findet jedoch nach deutscher Rechtslage nicht auf die o.g. besonderen Ausnahmefälle krankheitsbedingter Gefahren (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 175 f.) Anwendung, da der Bundesgesetzgeber solche Fälle in § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG als lex specialis geregelt hat. Dies ist konventions-, unions- und bundesrechtlich nicht zu beanstanden, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 ff. Rn. 16 f.), dessen Feststellung zu einer identischen Schutzberechtigung für den Betroffenen führt (vgl. § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Dabei liegt die Ausgestaltung eines nationalen Abschiebungsverbots in der Gestaltungshoheit des nationalen Gesetzgebers, solange er auf der Rechtsfolgenseite keinen mit dem subsidiären Schutz konkurrierenden Schutzstatus einführt (EuGH, U.v. 18.12.2014 – C-542/13 – juris Rn. 42 f.).
b) Ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen, die eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung voraussetzt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, liegt im Fall des Klägers nicht vor.
aa) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris Rn. 15). Die Gesundheitsgefahr muss erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet (vgl. NdsOVG, B.v. 19.8.2016 – 8 ME 87.16 – juris Rn. 4). Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.
Erforderlich für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, a.a.O.).
Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – juris Rn. 9).
bb) Diese Anforderungen sind auch mit Art. 3 EMRK vereinbar: Krankheitsbedingte Gefahren können ausnahmsweise die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllen. Solche Ausnahmefälle können vorliegen, wenn eine schwerkranke Person durch die Aufenthaltsbeendigung auch ohne eine unmittelbare Gefahr für ihr Leben schon wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Aufnahmeland oder weil sie dazu keinen Zugang hat, tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wird, dass sich ihr Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 183). Solche Gesundheitsgefahren muss der Ausländer allerdings mit ernst zu nehmenden Gründen geltend machen und daraufhin der Konventionsstaat sie in einem angemessenen Verfahren sorgfältig prüfen, wobei die Behörden und Gerichte des Konventionsstaats die vorhersehbaren Folgen für den Betroffenen im Zielstaat, die dortige allgemeine Situation und seine besondere Lage berücksichtigen müssen, ggf. unter Heranziehung allgemeiner Quellen wie von Berichten der Weltgesundheitsorganisation oder angesehener Nichtregierungsorganisationen sowie ärztlicher Bescheinigungen über den Ausländer (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 186 f. m.w.N.). Dies mündet in eine Vergleichsbetrachtung der Folgen einer Abschiebung für den Betroffenen durch einen Vergleich seines Gesundheitszustands vor der Abschiebung mit dem, den er nach Abschiebung in das Bestimmungsland haben würde. Maßgeblich ist eine nur ausreichende Behandlung, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu verhindern, nicht, ob die medizinische Versorgung im Zielstaat der medizinischen Versorgung im Konventionsstaat mindestens gleichwertig ist, denn Art. 3 EMRK garantiert kein Recht, im Zielstaat eine besondere Behandlung zu erhalten, welche der Bevölkerung nicht zur Verfügung steht (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 188f . m.w.N.). Die erforderliche Prüfung umfasst auch, inwieweit der Ausländer tatsächlich Zugang zu der Behandlung und den Gesundheitseinrichtungen im Zielstaat hat, wobei die Kosten für Medikamente und Behandlung berücksichtigt werden müssen, ob ein soziales und familiäres Netz besteht und wie weit der Weg zur erforderlichen Behandlung ist (ebenda Rn. 190 m.w.N.). Wenn nach dieser Prüfung ernsthafte Zweifel bleiben, ist Voraussetzung für die Abschiebung, dass der abschiebende Staat individuelle und ausreichende Zusicherungen des Aufnahmestaats erhält, dass eine angemessene Behandlung verfügbar und für den Betroffenen zugänglich sein wird, so dass er nicht in eine Art. 3 EMRK widersprechende Lage gerät (ebenda Rn. 191).
cc) Bei dem Kläger ist nach derzeitigem Verfahrensstand unter Berücksichtigung der vorgelegten (fach-)ärztlichen Atteste nicht von einer erheblichen Gesundheitsgefährdung bei Abbruch der laufenden Behandlung auszugehen.
Gemäß dem letzten fachärztlichen Attest (Dr., Facharzt für Neurologie u.a., Arztbrief vom 4.9.2017, VG-Akte Bl. 17, Diagnose: Epilepsie; Anamnese: Kontrolluntersuchung, der letzte Anfall liegt ca. drei Jahre zurück) ist eine weitere medikamentöse Behandlung erforderlich, welche der Kläger auch in Ägypten erhalten hat und künftig erhalten kann (vgl. oben).
4. Nachdem sich auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG als rechtmäßig erweist, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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