Verwaltungsrecht

Asyl, Türkei: Offensichtlich unbegründeter Asylantrag

Aktenzeichen  Au 6 S 18.32016

Datum:
3.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 778
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 3, § 4, § 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 36 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet setzt voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG BeckRS 2001, 22956). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Kläger und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) begehrt im Klageverfahren (Au 6 K 18.32015) nach Ablehnung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote und im vorliegenden Antragsverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung in die Türkei.
Der nach seinen eigenen Angaben am … 1999 in … geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er stellte bereits am 11. Januar 2017 mit einem seit dem 9. Dezember 2016 gültigen Reisepass einen Visumsantrag bei der Deutschen Botschaft Ankara, der abgelehnt wurde. Ebenso stellte er mit demselben Reisepass einen Visumsantrag bei spanischen Behörden (BAMF-Akte Bl. 105, 107). Am 31. Oktober 2018 verließ der Antragsteller die Türkei, reiste am 5. November 2018 unerlaubt in die Bundesrepublik ein, wurde von der Bundespolizei aufgegriffen und beantragte internationalen Schutz.
Bei seiner Beschuldigtenvernehmung wegen unerlaubter Einreise und Aufenthalt am 6. November 2018 vor der Bundespolizeiinspektion … gab der Antragsteller an (BAMF-Akte Bl. 23 f.), er sei ledig, kinderlos und bis zur achten Klasse, also bis vor eineinhalb Jahren, zur Schule gegangen. Er habe keinen Beruf und kein Einkommen, sondern habe bisher in der Landwirtschaft seines Vaters gearbeitet. Er wolle in Deutschland Asyl beantragen, weil er als Kurde in der Türkei keinen Wehrdienst leisten und gegen seine eigenen Leute kämpfen wolle. Er habe daher keinen anderen Weg gesehen, als nach Deutschland einzureisen. Deshalb sei er zunächst nach … gefahren und habe dort 4.000 EUR an einen Lkw-Fahrer bezahlt. Die Erreichbarkeit dieses Mannes habe er von Freunden bekommen. Sie seien dann auf der Ladefläche des Anhängers, versteckt hinter der Ladung, mitgefahren. An einer Tankstelle habe man zufällig den Fahrer getroffen und festgestellt, dass er Türke sei. Daher habe man ihn gefragt, ob er sie nach Deutschland mitnehme; der Fahrer sei einverstanden gewesen. Auf Vorhalt, dass ein zufälliges Treffen mit dem Fahrer, der den Antragsteller nach Deutschland gebracht habe, unglaubhaft sei, blieb der Antragsteller dabei.
Bei seiner auf Türkisch geführten Anhörung vor dem Bundesamt für … (im Folgenden: Bundesamt) am 26. November 2018 (BAMF-Akte Bl. 113 ff.) gab der Antragsteller im Wesentlichen an, er habe seinen Personalausweis am 29. Oktober 2018 unterwegs in … verloren und den Reisepass vor etwa drei Monaten. Vor seiner Ausreise habe er zuletzt in … (Bezirk, Provinz …) zusammen mit zwei Brüdern und drei Schwestern in der Wohnung seiner Eltern gelebt. Eine weitere Schwester sei verheiratet und Hausfrau; der Schwager arbeite in einer Fabrik. Vier Onkel lebten in Deutschland. Das Geld für die Ausreise (4.000 EUR) habe er von seinem Vater bekommen, der Maurer sei. Seine Mutter besitze Kühe und verkaufe Milch; in der Familie gebe es keine Probleme. Er selbst habe nur 4.000 TL Ersparnisse gehabt, da er in … in einem Lokal gearbeitet und monatlich 1.300 TL verdient habe. Mit der Arbeit als Kellner habe er 2018 begonnen und nebenbei, da es nicht ständig Arbeit gegeben habe, auf Baustellen gearbeitet. Er habe bis vor seiner Ausreise gearbeitet. Seine wirtschaftliche Situation sei durchschnittlich und normal gewesen. Wehrdienst habe er nicht geleistet; er sei auch noch nicht einberufen worden. Er habe aber ehrenamtlich der HDP geholfen. Eigentlich habe er keine Probleme mit staatlichen Behörden gehabt, aber jemand habe ihn anscheinend denunziert und ein Foto von ihm abgegeben, sodass es einen Haftbefehl gegen ihn gebe. Er habe im März 2018 beim Newroz-Fest am Wochenende in … mit Freunden an einer Versammlung teilgenommen. Anlässlich der Feier habe er die kurdische Fahne hochgehalten, damit geflattert und das Freiheitszeichen gezeigt. Es seien Fotos von ihnen gemacht worden. Nach seiner Rückkehr nach … habe er weitergearbeitet und erfahren, dass seine Freunde festgenommen worden seien. Er habe seine Arbeit verlassen müssen, da gegen ihn ein Haftbefehl erlassen worden sei. Danach habe er nicht mehr arbeiten können und habe vier Monate unter schweren Bedingungen gelebt. Es habe Tage gegeben, da habe er nicht rausgehen oder einen Arzt besuchen können. Vom Haftbefehl habe er im Mai oder Juni 2018 erfahren, als ihn seine Mutter angerufen und ihm gesagt habe, dass die Jandarma bei ihnen gewesen sei. Auf Vorhalt, dass der Antragsteller zunächst angegeben hatte, bis vor der Ausreise gearbeitet zu haben, antwortete der Antragsteller nicht. Auf Vorhalt, dass der Antragsteller im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung einen anderen Sachverhalt geschildert habe, erklärte der Antragsteller, bei seiner Vernehmung habe er angegeben, keinen Wehrdienst leisten zu wollen; hier habe er gesagt, dass es einen Haftbefehl gebe. Ein Haftbefehl sei schlimmer als die Ableistung des Wehrdienstes, deshalb habe er es damals nicht geschildert. Auf Nachfrage erklärte der Antragsteller, er habe damals unter Druck gestanden und geglaubt, die Angelegenheit mit dem Haftbefehl auch noch später schildern zu können. Auf Nachfrage zu seinen unterschiedlichen Angaben zu seiner Erwerbstätigkeit bei der Vernehmung und der Anhörung erklärte der Antragsteller, er habe nicht gesagt, in der Landwirtschaft bei seinen Eltern gearbeitet zu haben. Er habe bei der Vernehmung unter Druck gestanden und könne sich nicht mehr genau erinnern. Er habe seinem Vater immer wieder helfen müssen und Saatgut gestreut. Auf Nachfrage erklärte der Antragsteller, er sei zum Wehrdienst noch nicht einberufen worden, der eigentliche Grund für seine Ausreise sei der Haftbefehl, den er aber weder vorlegen noch sich zuschicken lassen könne. Ohne Haftbefehl hätte er seine Eltern und seine Freundin nicht verlassen.
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 18. Dezember 2018 die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 2) jeweils als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 3). Es forderte den Antragsteller zur Ausreise binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung auf und drohte die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen Staat an, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei (Ziffer 4). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 5). Die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes lägen offensichtlich nicht vor. Kurden seien in der Türkei keinen landesweiten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Eine eventuell drohende Bestrafung wegen Verstößen gegen das Militärstrafgesetzbuch stelle keine flüchtlingsrelevante Verfolgung, sondern die Ahndung kriminellen Unrechts dar. In Armee und Jandarma würden auch keine Unterschiede zwischen ethnischen Türken, Kurden oder anderen Ethnien gemacht. Was den Haftbefehl betreffe, so habe der Antragsteller keine Belege für ein Ermittlungsverfahren vorgelegt, obgleich eine Abfrage über e-devlet und UYAP relativ problemlos möglich sei und in der Praxis auch so praktiziert werde. Zudem sei der Vortrag des Antragstellers geprägt von Detailarmut, Widersprüchlichkeit und Oberflächlichkeit. Wegen der Widersprüchlichkeit sei der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG offensichtlich unbegründet. Der Antragsteller habe den Verfolgungsgrund im Vergleich zwischen seiner Vernehmung (Wehrdienst) und seiner Anhörung (Haftbefehl wegen Unterstützung kurdischer Belange) ausgewechselt, ohne dass es dafür eine Erklärung gebe. Insbesondere überzeuge seine Schutzbehauptung, bei der Vernehmung unter Druck gestanden zu haben, nicht. Des Weiteren habe der Antragsteller bereits im Januar 2017 erfolglos versucht, ein Visum zu erhalten und versuche durch die Nichtvorlage seines Reisepasses, seine Abschiebung zu erschweren. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Der Antragsteller sei gesund, arbeitsfähig und könne auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate sei angemessen. Schutzwürdige Belange seien nicht vorgetragen.
Hiergegen ließ der Antragsteller am 20. Dezember 2018 Klage erheben (Au 6 K 18.32015) mit dem Antrag, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass er die Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus erfüllt, hilfsweise festzustellen, dass für ihn Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, hilfsweise das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben bzw. kürzer zu befristen und den Bescheid des Bundesamtes für … vom 18. Dezember 2018 aufzuheben, soweit er der o.g. Verpflichtung entgegensteht.
Er beantragt weiter,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Der Antragsteller nimmt Bezug auf seinen Asylantrag und seinen Vortrag bei seiner Anhörung.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die von der Antragsgegnerin am 2. Januar 2019 vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO, § 36 Abs. 3 AsylG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat keinen Erfolg.
1. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 AsylG ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit.
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies bedeutet, dass die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nur dann ausgesetzt werden darf, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93, 2 BvR 1508/93 – DVBl 1996, 729). Dabei muss das Verwaltungsgericht bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes diese Prüfung auch auf das Merkmal der Offensichtlichkeit erstrecken (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.2003 – 2 BvR 153/02 – InfAuslR 2003, 244). Denn nachdem diese Regelung und die damit verbundene Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) die Folge aus der qualifizierten Asylablehnung sind, ist Anknüpfungspunkt der gerichtlichen Überlegungen zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs die Prüfung, ob die für eine Aussetzung der Abschiebung erforderlichen ernstlichen Zweifel auch bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes vorliegen.
2. Im vorliegenden Verfahren bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Asylantrag i.w.S. als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist.
Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für internationalen Schutz offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – InfAuslR 2002, 146). Aus den Gründen muss sich klar ergeben, weshalb dieser Ausspruch in Betracht kommt, insbesondere, warum der Asylantrag nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden ist (vgl. grundlegend BVerfG, B.v. 3.9.1996 – 2 BvR 2353/95 – BayVBl 1997, 15; B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 27). Dieser Maßstab muss entsprechend auch für die behördliche Offensichtlichkeitsentscheidung nach § 30 AsylG gelten. Es kommt also darauf an, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung in Bezug auf die geltend gemachten Asylgründe bei der hier gebotenen Prüfung im Eilverfahren mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann.
Nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist eine offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrags (unter anderem) dann anzunehmen, wenn das Vorbringen des Ausländers in wesentlichen Punkten in sich widersprüchlich oder nicht substantiiert ist.
Dies ist hier der Fall. Der Vortrag des Antragstellers ist sowohl in seinem Kern als auch in weiteren Punkten widersprüchlich und darüber hinaus in wesentlichen Punkten detailarm und unsubstantiiert. Mithin bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Entscheidung des Bundesamtes.
Der Antragsteller hat den Kern seiner Fluchtgründe zwischen seiner Beschuldigtenvernehmung am 6. November 2018 und seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 26. November 2018 ausgetauscht. So gab er unmittelbar nach seiner unerlaubten Einreise und nach Belehrung noch an, er wolle in Deutschland Asyl beantragen, da er keinen Wehrdienst leisten und gegen seine eigenen Landsleute kämpfen wolle. Bei seiner Anhörung gab er demgegenüber an, der eigentliche Grund für seine Ausreise sei ein Haftbefehl wegen seiner Teilnahme an den Newroz-Feierlichkeiten in … im März 2018 gewesen. Sonst hätte er seine Familie und Freundin nicht verlassen. Eine Einberufung zum Wehrdienst habe er nicht erhalten. Bei seiner Vernehmung habe er unter Druck gestanden. Der Haftbefehl sei schlimmer als die Ableistung des Wehrdienstes, deshalb habe er es damals nicht geschildert. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Vernehmung sich thematisch nur kurz mit den Asylgründen des Antragstellers befasste und kleinere Abweichungen in Detailfragen nicht in jedem Fall ein Zeichen der Unwahrheit sind. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn – wie hier – das Kerngeschehen ausgetauscht wird. Es ist nicht plausibel erklärbar, warum der Antragsteller als Ausreisegrund zunächst den zu leistenden Wehrdienst angab, später jedoch einen Haftbefehl, der allein ursächlich für die Ausreise gewesen sein soll. Gerade wenn er selbst den Haftbefehl als schlimmer als den möglichen Wehrdienst empfunden hätte, hätte es sich geradezu aufgedrängt, unter Druck nur vom primären Ausreisegrund zu berichten. Aufgrund des vollkommenen Austausches des Ausreisegrundes (Wehrdienst vs. Haftbefehl) ohne vernünftige Erklärung kann dem Vortrag des Antragstellers kein Glauben geschenkt werden.
Widersprüchlich ist des Weiteren sein Vortrag bei der Vernehmung und bei der Anhörung zu seiner Erwerbstätigkeit. Bei seiner Vernehmung gab er noch an, er habe keinen Beruf und kein Einkommen gehabt, sondern lediglich in der Landwirtschaft seines Vaters gearbeitet. Bei der Anhörung trug er demgegenüber vor, er habe als Kellner in einem Lokal gearbeitet und monatlich 1.300 TL verdient. Zwischenzeitlich habe er auch auf Baustellen als Hilfsarbeiter gearbeitet, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Auf Nachfrage zu diesem Widerspruch gab er an, nicht gesagt zu haben, bei seinen Eltern in der Landwirtschaft gearbeitet zu haben. Da er unter Druck gestanden habe, könne er sich nicht mehr genau erinnern. Er habe seinem Vater aber immer wieder geholfen und Saatgut ausgestreut. Es ist kein vernünftiger Grund hierfür ersichtlich, warum der Antragsteller einmal angibt, kein Einkommen gehabt zu haben, ein anderes Mal hingegen von einem monatlichen Einkommen von 1.300 TL und Tätigkeiten als Kellner und Hilfsarbeiter berichtet.
Auch sein Vortrag innerhalb der Anhörung ist widersprüchlich. So gab der Antragsteller zu Beginn der Anhörung an, er habe bis vor seiner Ausreise gearbeitet. Später wandelte er diesen Vortrag dahingehend ab, dass er nach Festnahmen von Freunden und dem Haftbefehl nicht mehr habe arbeiten können und vier Monate unter schweren Bedingungen gelebt habe. Er habe teilweise nicht einmal raus gehen können.
Unschlüssig und damit unglaubhaft ist des Weiteren sein Vortrag, er habe an einer Tankstelle zufällig einen Lkw-Fahrer getroffen, den er gefragt habe, ob er ihn nach Deutschland mitnehme. Ebenso realitätsfern ist sein Vortrag, seinen Personalausweis und seinen Reisepass zufälliger- und passenderweise kurz vor seiner Ausreise verloren zu haben. Dieser Vortrag zu seinen Ausreiseumständen erschüttert die Glaubwürdigkeit des Antragstellers erheblich.
Der Vortrag des Antragstellers erscheint damit insgesamt konstruiert und asyltaktisch angepasst, weswegen keine Zweifel an der Ablehnung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet bestehen.
Eine Gruppenverfolgung der Kurden ist in der Türkei ebenso wenig ersichtlich. Die mögliche Einberufung zum Wehrdienst war nach den letzten Angaben des Antragstellers nicht fluchtauslösend, so dass nicht davon auszugehen ist, dass sich der Antragsteller überhaupt im Falle einer Rückkehr dem Wehrdienst entziehen wird.
Ebenso offensichtlich liegen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG nicht vor. Der Antragsteller hat schon bisher seinen Lebensunterhalt – je nach Darstellung – entweder über eigene Erwerbstätigkeit oder über Mithilfe in der Landwirtschaft seines Vaters und durch Unterhaltsleistungen seiner Eltern finanziert. Es ist davon auszugehen, dass der junge, gesunde und arbeitsfähige Antragsteller seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst sichern und zudem auf ein familiäres Netzwerk und erforderlichenfalls auf hinreichende Sozialleistungen des türkischen Staates zurückgreifen kann.
3. Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids.
Die Abschiebungsandrohung und die Ausreisefrist folgen aus § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und aus § 36 Abs. 1 AsylG.
4. Ebenso wenig bestehen rechtliche Bedenken gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG in Ziffer 5 des Bescheides.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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