Aktenzeichen 11 W 188/22
Leitsatz
Verfahrensgang
UR III 8/20 2021-12-21 Bes AGWEIDEN AG Weiden
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Gegenstand der Beschwerde ist insbesondere die Frage der Eintragung von nach dem Recht Afghanistans bestimmten Namen.
Die Betroffene …, ihr Vorname, … ist am … in W. i.d.OPf. geboren. Im Geburtenregister der Stadt Weiden i.d.OPf. wurde hierzu am … unter der Registernummer … eingetragen:
Geburtsname …, Namensführung nicht nachgewiesen
Vorname …
Geschlecht … weiblich
Mutter …
Familienname …, Identität nicht nachgewiesen
Vorname(n) …
Vater …
Familienname …, Identität nicht nachgewiesen
Vorname …
Hinweise
Geburt der Mutter des Kindes
Ort, Tag …, I.,
Geburt des Vaters des Kindes
Ort, Tag …, I.,
Namensführung des Kindes
Recht … deutsch
Bei der Beurkundung lagen keine Reisepässe der Eltern vor, sondern nur Aufenthaltstitel bzw. afghanische Kennkarten.
Die beiden Eltern sind im I. geborene afghanische Staatsangehörige und reisten nach eigenen Angaben am … in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … wurde ihr Asylantrag abgelehnt und ihnen der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt. Es wurde jedoch festgestellt, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt.
Am 14.05.2019 legten sie dem Standesamt ihre am 26.06.2018 ausgestellten afghanischen Reisepässe vor, in denen die Namen „…“ bzw. „…“ unter „Surname“ und die Namen „…“ bzw. „…“ als „Given Name“ bezeichnet werden. Sie beantragten die gerichtliche Berichtigung des Geburtsregisters des Kindes entsprechend der Schreibweise des Namens der Mutter nach dem afghanischen Reisepass der Mutter sowie die Streichung der einschränkenden Zusätze hinsichtlich der Identität bei beiden Eltern.
Die Standesamtsaufsicht befürwortete den Antrag der Eltern und ergänzte, im Hinweisteil seien die Angaben über den Geburtsort der Eltern zu entfernen. Weder die afghanischen Reisepässe noch die afghanischen Personenstandsurkunden gäben Aufschluss über deren genauen Geburtsort. Für die Namensführung der Eltern sei die Eintragung wie folgt vorzunehmen:
Mutter …
Famlienname: …
(Eigennamen)
Vater …
Familienname: …
(Eigennamen)
Der Hinweis auf den Eigennamen sei nach § 23 Abs. 3 PStV aufzunehmen.
Das Amtsgericht Weiden i.d.OPf. hat mit Beschluss vom 21.12.2021 dem Antrag im Wesentlichen stattgegeben, die Zusätze „Namensführung nicht nachgewiesen“ beim Kind und die Zusätze „Identität nicht nachgewiesen“ bei den Eltern entfallen lassen sowie im Hinweisteil den Geburtsort beider Eltern mit „Iran“ bezeichnet. Für die Eintragung des Namens der Eltern ist es dem Antrag der Standesamtsaufsicht gefolgt. Zur Begründung wird ausgeführt, nach dem islamischen Gewohnheitsrecht sei nicht zwischen Vor- und Nachnamen zu unterscheiden. Die Namenssortierung in den Reisepässen habe keine Bedeutung für das deutsche Registerrecht. Bei den Namen der Eltern handele es sich deshalb um Eigennamen.
Mit ihrer am 14.10.2021 per beA (der Hinweis des Senats hat sich aufgeklärt) beim Amtsgericht Weiden eingegangenen Beschwerde begehrt die Standesamtsaufsicht eine obergerichtliche Klärung der zugrundeliegenden Rechtsfragen. Die Ansicht des Amtsgerichts werde uneingeschränkt geteilt. Im Schrifttum und in der standesamtlichen Praxis werde die Ansicht vertreten die in den ausländischen Reisepässen vorgenommene Klassifizierung in „Given Name“ und „Surname“ sei bindend für die Frage der Eintragung. Die Führung von Vor- und Familiennamen bei den Eltern könne sich zudem aus dem Umstand ergeben, dass den Eltern mit dem (bereits genannten) Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sei, was nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht die Anwendung des deutschen Personalstatus nach Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) zur Folge habe.
II.
Die gemäß §§ 58, 59 Abs. 3, § 63 FamFG, § 51 Abs. 2, § 53 Abs. 2 PStG zulässige Beschwerde führt in der Sache zu keiner Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts.
Abgeschlossene Eintragungen in Personenstandsbüchem können nach §§ 47 ff. PStG im Wege der sogenannten Berichtigung geändert werden, wenn zweifelsfrei festgestellt wird, dass der zu ändernde Eintrag von Anfang an unrichtig war. Die Voraussetzungen der Berichtigung richten sich trotz der ausschließlich afghanischen Staatsangehörigkeit der Eltern allein nach dem PStG, das als (öffentliches) Verfahrensrecht unabhängig von der Frage nach dem für die Bestimmung des richtigen Namens anzuwendenden materiellen Namensrecht anzuwenden ist (vgl. Senat StAZ 2016, 20).
1. Wie vom Amtsgericht bereits zutreffend ausgeführt, bestimmt sich die Namensführung der Eltern gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB nach dem Recht des Staates, dem die Person angehört, hier also dem afghanischen Recht. Eine Rechtswahl gemäß Art. 10 Abs. 2 EGBGB ist nicht erfolgt. Das afghanische Recht nimmt die Verweisung an (Art. 17 afghanisches ZGB).
Die im Schrifttum umstrittene Frage, ob allein ein subsidiärer Schutzstatus zur Anwendung von Art. 12 Abs. 1 GFK und damit zur Anwendung deutschen Sachrechts führen kann (Mankowski IPRaX 2017, 40, 44; a.A. die ganz überwiegende Meinung: VG Berlin, Beschluss vom 14.04.2021, Az. VG 38 K 84.19 V; Budzikiewicz StAZ 2017, 289, 293; Andrae, Internationales Familienrcht, 4. Aufl., § 1 Rn. 25; Stürner, in: Erman, BGB, 16. Aufl., § 5 EGBGB Rn. 95; ausführlich Heitmann, Flucht und Migration im Internationalen Familienrecht, S. 42 ff.) ist nicht zu klären, weil den Eltern dieser Schutzstatus nicht zuerkannt wurde. Dies ergibt sich aus dem von der Beschwerdeführerin offenbar missverstandenen Bescheid des Bundesamtes.
Die Namensführung des Kindes bestimmt sich nach deutschem Recht. Aus dem bei der Beurkundung aufgenommenen Hinweis kann gefolgert werden, dass die Eltern das deutsche Recht nach Art. 10 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB gewählt haben.
2. Die nunmehr vorliegenden Reisepässe der Eltern stellen einen ausreichenden Identitätsnachweis der Eltern dar (§ 33 S. 1 Nr. 3 PStV).
3. Zutreffend hat das Amtsgericht die rechtliche Einordnung der von den Eltern geführten Namen in Vor- und Familiennamen entfallen lassen und stattdessen gemäß § 21 Abs. 3 PStV einen Hinweis auf die jeweilige Art der ausländischen Namensform aufgenommen. Nach. Heimatrecht erworbene Namen ausländischer Staatsangehöriger sind so in das Geburtenbuch einzutragen wie sie nach dem ausländischen Recht geführt werden. Eine rechtliche Einordnung (Qualifikation) dieser Namen entsprechend den Vorstellungen des deutschen Namensrechts durch den Standesbeamten ist unzulässig, wenn das ausländische Recht nicht nach Vor- und Familiennamen unterscheidet (KG NJW-RR 1993, 516; Hausmann, in: Staudinger, BGB, Bearb. 2019, Art. 10 EGBGB RN. 34; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, 3. Aufl., Rn. II-183).
Das afghanische Namensrecht ist nur vereinzelt kodifiziert (Ebert/Rasul, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Afghanistan, Stand November 2021, S. 41), insbesondere Art. 47 des afghanischen ZGB enthält keine Regelung der Namensführung. Die Namensgebung richtet sich vor allem nach den Gewohnheiten der einzelnen ethnischen Gemeinschaften und islamischen Traditionen. Ein in westlichen Namensrechten üblicher Nach- oder Familienname habe sich, so Ebert/Rasul (a.a.O.), in Afghanistan in den letzten Jahren verbreitet. Er könne auf regionale, stammesmäßige, familiäre, religiöse oder historische Gegebenheiten zurückgeführt werden, sei jedoch nicht unveränderbar, sondern vielmehr wählbar. Auch nach der bei Müller (StAZ 2010, 151) genannten Auskunft der deutschen Botschaft in Afghanistan ist ein Nach- oder Familienname nicht vorgeschrieben. Dennoch würden sich in letzter Zeit viele Afghanen freiwillig einen „Familiennamen“ zulegen, um ihn von Generation zu Generation weiterzugeben. Dies sei in letzter Zeit immer üblicher geworden. In Reisepässen werde der gewählte „Familienname“ manchmal aufgeführt. Zentral bleibe aber der vom Vater nach der Geburt gegebene Name. Nach dem BMI-Rundschreiben V 5 (a) – 133 400/9 Anlage 2, gültig seit 12.12.2014, bestehen in Afghanistan gesetzliche Vorschriften über den Familiennamen eines Kindes nicht. Nach Gewohnheitsrecht stehe es dem Vater frei, dem Kind einen beliebigen Namen zu geben; dabei sei es nicht erforderlich, dass überhaupt ein Familienname gewählt werde.
Trotz der freien Wählbarkeit des Namens und seiner fehlenden Qualifikation wird vertreten, es entspreche dem Ordnungsinteresse des Staates, wenn die Namenseintragung bei allen Behörden übereinstimmend erfolge. Regelmäßig werde der Reisepass als erstes und einziges Dokument vorgelegt und sei somit Grundlage für Eintragungen bei Melde-, Ausländerbehörden und Sozialversicherungen – meist lange Zeit vor einer Personenstandsbeurkundung. Eine vom Reisepass abweichende Wertung der Namensqualität würde dem Ordnungsinteresse zuwiderlaufen (Kraus StAZ 2014, 213, 214). Dutta (in Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, 3. Aufl., Rn. II-281) führt zur beim Statutenwechsel notwendigen Sortiererklärung nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB aus, es sei zu beachten, dass die Angehörigen mancher asiatischer Länder, die bisher traditionell nur Eigennamen gekannt hätten, zur besseren Identifikation und in Nachahmung europäischer Bräuche freiwillig einen „Familiennamen“ annähmen, der von Generation zu Generation weitergegeben werde. Sobald sich die Führung eines solchen Namens dergestalt verfestige, dass er in den Ausweispapieren vermerkt werde, sei dieser Name als Familienname vorgeprägt.
Der Senat sieht in diesen Erwägungen keine ausreichende Grundlage für die Eintragung eines Vor- und Familiennamens. Zweifellos ist die Übereinstimmung der Registereintragung mit den Ausweispapieren des Herkunftsstaates ein erstrebenswertes Ziel. Andererseits ist der Name in Afghanistan nach den hierzu vorliegenden, bereits genannten Quellen weiterhin frei wählbar und wird gewohnheitsrechtlich nicht in einen Vor- und Familiennamen eingeteilt, weshalb die im Reisepass vorgenommene Sortierung, wie das Amtsgericht bereits ausgeführt hat, nicht bindend ist. In erster Linie bleibt es dabei, dass es sich hierbei um einen Eigennamen handelt. Wenn zwischenzeitlich zur besseren Identifikation und in Nachahmung europäischer Bräuche vermehrt freiwillig ein „Familienname“ angenommen wird, der von Generation zu Generation weitergegeben wird – auch das betroffene Kind im vorliegenden Verfahren trägt als Familiennamen einen Teil des väterlichen Namens -, so stellt auch dies keinen ausreichenden Anhalt für die Klassifizierung dar. Die Eintragung des Namens der Eltern würde nämlich andernfalls von dem Namen des Kindes abhängen. Solange dieser Name zudem frei wählbar bleibt, ist seine generationenübergreifende Weitergabe auch nicht sichergestellt.
III.
Die Standesamtsaufsicht ist von Gerichtskosten befreit (§ 51 Abs. 1 S. 2 PStG). Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht angezeigt, da sie nicht der Billigkeit entsprechen würde (§ 81 Abs. 1 FamFG). Die Zweifelsvorlage durch das Standesamt sowie die eingelegte Beschwerde waren angesichts der oben genannten Stimmen in Rechtsprechung und Literatur nicht zu beanstanden.
Ausreichender Anlass nach § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde besteht nicht. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage insbesondere dann, wenn sie vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden worden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn dazu in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH MDR 2018, 1393). Abweichende Rechtsprechung ist nicht erkennbar. Allein die vereinzelten oben zitierten abweichenden Auffassungen in der Literatur rechtfertigen die Anrufung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht. Die Frage der Anwendung von Art. 12 GFK bei Zubilligung des subsidiären Schutzstatus stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht.