Verwaltungsrecht

Asylantrag einer Schiitin aus dem Irak

Aktenzeichen  AN 2 K 16.30476

Datum:
2.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 113 Abs. 1
GG GG Art. 16a
AsylG AsylG § 2, § 3, § 3a, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1. Für Schiiten mit Herkunftsgebiet außerhalb der Gebiete im Irak, die von der Terrorgruppe „”Islamischer Staat“ besetzt werden oder wurden, liegt nicht allgemein und im Besonderen nicht für Gebiete mit überwiegend schiitischer Bevölkerung, wie dies vor allem im Südirak und auch in der Region Najaf der Fall ist, eine asylrechtlich erhebliche Verfolgungsgefahr iSv § 3a AsylG vor. (redaktioneller Leitsatz)
2. Entlang der kämpferischen Konflikte im Irak kommt es aufgrund der Religions- und Volkszugehörigkeit nur zu vereinzelten Übergriffen, die jedenfalls in der Herkunftsregion Najaf kein solches Ausmaß erreichen, welches eine erheblichen Gefahr für die Klägerin selbst begründen würde. (redaktioneller Leitsatz)
3. Der zunehmende Druck auf Frauen, ihre Freizügigkeit und Teilnahme am öffentlichen Leben einzuschränken und sich den islamischen Regeln zu unterwerfen, erreichen noch nicht das Ausmaß einer schwerwiegenden Verletzung von grundlegenden Menschenrechten iSv § 3a AsylG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des BAMF vom 21. März 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a GG bzw. § 2 AsylG, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, auf Zuerkennung subsidiären Schutzes i.S.v. § 4 AsylG und auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch die in Ziffern 5 und 6 getroffenen Nebenentscheidungen begegnen keinen Bedenken.
Das Gericht nimmt zur Begründung des Urteils gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheides des BAMF vom 21. März 2016 und führt ergänzend aus: Auch im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) stellt sich die Situation für die Klägerin nicht anders dar.
Der Anerkennung als Asylberechtigte steht bereits § 26 a Abs. 1 AsylG entgegen, nachdem die Klägerin auf dem Landweg und damit über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.
Angesichts der allgemeinen Lage im Irak und in der Herkunftsregion der Klägerin ist diese als arabische Volkszugehörige islamisch-schiitischen Glaubens kein Flüchtling i.S.v. § 3 AsylG.
Nach den vom Gericht beigezogenen Erkenntnisquellen, insbesondere dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. Februar 2016, muss die Klägerin als Schiitin in der Region Najaf nicht mit einer Verfolgung bzw. mit Übergriffen i.S.v. § 3 a AsylG rechnen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 21.4.2009, 10 C 11/08 – juris) liegt eine asylrechtlich erhebliche Verfolgungsgefahr für Mitglieder einer Gruppe dann vor, wenn Verfolgungshandlungen im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltende Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern auch ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.
Dies gilt für Schiiten mit Herkunftsgebiet außerhalb der Gebiete, die von der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ besetzt werden oder wurden, nicht allgemein und im Besondere nicht für Gebiete mit überwiegend schiitischer Bevölkerung, wie dies vor allem im Südirak und auch in der Region Najaf, aus der die Klägerin kommt, der Fall ist.
Zwar existieren im Irak nach der Auskunftsklage neben dem erheblichen, auch kämpferischen Konflikt zwischen dem „Islamischen Staat“ einerseits und der Regierung und den sie unterstützenden Einheiten andererseits auch Spannungen innerhalb des Bündnisses zwischen den Angehörigen der Regierung bzw. staatlichen Sicherheitskräften und deren Unterstützern, zu denen auch schiitischen Milizen und die kurdische Peschmerga gehören, jedoch kommt es entlang dieser Konflikte aufgrund von Religions- und Volkszugehörigkeit nur zu vereinzelten Übergriffen, die jedenfalls in der Herkunftsregion der Klägerin kein solches Ausmaß erreichen, dass sie davon ausgehen müsste, selbst betroffen zu sein. Im Irak leben ca. 60 bis 65 Prozent Schiiten, die südlichen Regionen des Irak einschließlich der Region und der Stadt Najaf sind ganz überwiegend schiitisch bevölkert. Als Schiiten im überwiegend schiitisch bevölkerten Teil des Iraks muss die Klägerin grundsätzlich nicht mit ethnisch oder religiös motivierten Übergriffen rechnen.
Auch das persönliche Vorbringen der Klägerin vor dem BAMF und in der mündlichen Verhandlung vom 2. Februar 2017 lässt nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf asylrechtlich relevante Gefahren gerade bei ihr schließen.
Aus der Tatsache, dass zwei ihrer Brüder im Jahr 2004 und 2007 getötet worden sind und ein dritter verletzt worden ist und 2015 ein weiterer Bruder, der Polizist war, Schwierigkeiten aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit bekommen hat, folgt noch keine erhebliche Gefahr für die Klägerin selbst. Persönliche Bedrohungen oder Gefahrensituation hat sie nicht geltend gemacht und sind auch nicht aufgrund einer Gefährdung ihres Bruders zu erwarten. Sowohl ihr Bruder …als auch sie selbst haben bei ihren Anhörungen vor dem BAMF angegeben, dass ihre Eltern sowie einige Schwestern und Brüder (nach Auskunft des Bruders 10 Schwestern und 5 Brüder, nach ihrer eigenen Auskunft 2 Schwestern und 2 Brüder) noch im Irak leben. Es trifft somit ersichtlich nicht zu, dass die gesamte Familie in Sinne einer Sippenhaft die ganzen Jahre bedroht war und aktuell bedroht wird. Es ist aus dem Vortrag vielmehr zu schließen, dass eine ernst zu nehmende Gefahr nur für diejenigen Familienmitglieder besteht, die selbst aufgrund ihres eigenen Tätigwerden z. B. als staatliche Sicherheitskräfte ins Visier der Miliz geraten sind, denn offenbar ist zwischen dem Vorfall 2007 gegen den Bruder der Klägerin, der nach ihren Angaben ebenfalls Polizist gewesen ist, und dem Vorfall im September 2015 gegen den mitausgereisten Bruder …, ebenfalls ein Polizist, den weiteren Familienmitgliedern, insbesondere den Eltern und den Schwestern, nichts passiert.
Die in der mündlichen Verhandlung neu vorgetragene Bedrohung ihrer Familie in der Heimat nach ihrer Ausreise erscheint hingegen nicht glaubhaft, da dieser Vortrag pauschal und vage geblieben ist. Ein konkretes Vorgehen gegen die Familie wurde nicht geschildert, lediglich floskelartig und ganz allgemein und damit nicht glaubhaft war die Rede von einem Suchen, Fragen und Unter-Druck-Setzen der Familie.
Der Klägerin drohen nach der Auskunftsklage auch als Frau absehbar keine asylrechtlich relevanten Gefahren. Die Stellung der Frau hat sich im Irak im Vergleich zur Zeit des Regimes von Saddam Hussein zwar teilweise deutlich verschlechtert und es besteht ein zunehmender Druck auf Frauen, ihre Freizügigkeit und Teilnahme am öffentlichen Leben einzuschränken und sich den islamischen Regeln zu unterwerfen, jedoch erreichen diese Reglementierungen noch nicht das Ausmaß einer schwerwiegenden Verletzung von grundlegenden Menschenrechten i.S.v. § 3 a AsylG. Nichts anderes ergibt sich für die Klägerin auch daraus, dass sie geschieden ist. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. Februar 2016 ist das gesellschaftliche Klima gegenüber Geschiedenen im Irak tolerant und werden geschiedene Frauen üblicherweise in die Herkunftsfamilie reintegriert. Die Klägerin hat auch keine konkreten Umstände geltend gemacht, die so gravierend wären, dass sich hieraus ein asylrechtlicher Schutzstatus ergäbe. Der Vortrag blieb auch insoweit zu pauschal und allgemein.
Angesichts der allgemeinen Situation im Irak und in der Herkunftsregion der Klägerin ist auch keine Situation i.S.v. § 4 AsylG, die zur Zuerkennung subsidiären Schutzes führen würde, anzunehmen. Ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt liegt in der Region … nach Auswertung der zum Verfahren beigezogenen Erkenntnisquellen nicht vor. Einzelne terroristische Anschläge und Gewaltakte, zu denen es im gesamten Irak gekommen ist und weiter kommen kann, genügen hierfür nicht.
Der Vortrag der Klägerin und die Lage in ihrer Heimat bieten auch keine ernsthaften Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch die Familienangehörigen der Klägerin waren und sind offensichtlich in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und ohne ernsthafte Gefahren für Leib und Leben dort zu leben.
Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheides vom 21. März 2016 beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, da die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen der nach § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffenden Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ist nicht zu beanstanden, § 114 Abs. 1 VwGO.
Die Kostenentscheidung der damit abzuweisenden Klage beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.


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