Verwaltungsrecht

Asylklage, Ugander, Homosexualität, Unglaubhaft, Engagement in LGBTQ-Szene in Deutschland

Aktenzeichen  M 5 K 18.33356

Datum:
24.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 17902
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 16a
AsylG § 3
AsylG § 78
AufenthG § 60

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Gründe

1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Er kann sich nicht auf Art. 16 a des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz/GG) berufen, da er kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert hat, das die Anerkennung als Asylberechtigter wie auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
b) Der Vortrag des Klägers, insbesondere hinsichtlich einer befürchteten Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität bei einer Rückkehr nach Uganda, ist unglaubhaft.
Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden der eigenen homosexuellen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert – gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat der Kläger nichts Substantiiertes vorgetragen. Das „innere Ringen“ zwischen den erwarteten gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung ist auch nicht nachvollziehbar vorgetragen worden (vgl. hierzu Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 ff.).
Soweit der Kläger hierzu auf mehrfache Nachfragen des Gerichts angegeben hat, dass er seine sexuellen Neigungen versteckt und sich nur im Verborgenen mit seinem Freund getroffen habe, dass er nur Gefühle für seinen Freund empfunden habe, Zeit gebraucht habe, dass alles zu akzeptieren, aber wenn es etwas gebe, vor dem er nicht davonlaufen könne, müsse er das akzeptieren, so wirkt das vage und aufgesetzt. Ein „inneres Ringen“ oder einen „Zwiespalt“ zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen und dem Nachgeben zugunsten seiner angeblich homosexuellen Veranlagung hat der Kläger nicht schlüssig und nachvollziehbar vorgetragen. Die Angabe, es sei in Bezug auf seine Familie „schon eine schwierige Situation“ für ihn gewesen, er habe die Familie nicht verlieren wollen und ihnen daher von seinen sexuellen Neigungen nicht erzählen können, wirkt oberflächlich. Angesichts der grundsätzlichen Ablehnung von Homosexualität in Uganda ist das Ausleben dieser Form der Sexualität ein weitreichender Schritt. Eine Abwägung, der eigenen sexuellen Veranlagung dennoch nachzugeben und das damit verbundene Risiko in Kauf zu nehmen, muss auch bei einem jungen Menschen nachvollziehbar und schlüssig geschildert werden. Das ist mit den vom Kläger erfolgten Äußerungen in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht erfolgt. Insgesamt hat der Kläger hierzu trotz wiederholte Nachfragen nur oberflächliche Angaben gemacht. Es wirkt platt, wenn der Kläger hierzu im Kern angibt, dass „er etwas, vor dem er nicht davonlaufen könne, akzeptieren müsse“. Das gilt auch für den Hinweis, dass er einmal eine Beziehung zu einem Mädchen angefangen, aber bei ihr nicht das empfunden habe, wie bei seinem Freund. Das wirkt oberflächlich und aufgesetzt, gerade vor dem Hintergrund, dass er gewusst haben will, dass homosexuelle Handlungen in Uganda verboten seien und ihm in der Schule deutlich vor Augen geführt worden sei – insbesondere durch den Besuch der schwedischen Tischtennismannschaft, deren Trainer Toleranz gegenüber Homosexualität zu vermitteln suchten, aber abgelehnt worden seien, dass Homosexualität in Uganda geächtet ist.
Unterstrichen wird der Eindruck der Unglaubhaftigkeit des Vortrags dadurch, dass das Mädchen, mit dem er eine Beziehung angefangen habe, „Schwulen-Pornos“ auf seinem Handy gesehen und anderen davon erzählt habe. Angesichts der Ächtung von Homosexualität in Uganda ist es nicht nachvollziehbar, dass es dem Mädchen ohne weiteres gelungen sein soll, solche Videos auf dem Handy zu öffnen. Es drängt sich geradezu auf, solche Videos bzw. das Handy gegen einen unbefugten Zugriff abzusichern. Das gilt auch für die vom Klägerbevollmächtigten angegebene Möglichkeit, dass entsprechende Videos über die Browser-Historie aufgerufen werden können. Hierzu hat der Kläger keine substantielle Erklärung gegeben. Der Hinweis, er wisse nicht, wie das Mädchen an die Videos auf seinem Handy gekommen sei, er habe einen Fehler gemacht, wirkt oberflächlich und aufgesetzt. Schließlich hat der Kläger auch keinen – sich geradezu aufdrängenden – Versuch geschildert, den angeblichen Fund des Videos „kleinzureden“, etwa dass das nicht stimme oder aus jugendlichem Interesse an Sexualität solche Szenen sehen zu wollen.
Schließlich wirkt es auch völlig unlogisch und aufgesetzt, dass der Kläger und sein Freund ihre homosexuelle Beziehung dem später hinzugekommenen Zimmergenossen auf der Schule in K. … offenbart haben wollen. Angesichts der ablehnenden Erfahrungen gegenüber Homosexualität muss dem Kläger die Gefährlichkeit eines solchen Offenheit bewusst gewesen sein. Insbesondere gilt das vor dem Hintergrund, dass diese Schule die einzige gewesen sei, die ihn und seinen Freund aufgenommen habe. Die Erklärung hierfür, dass es eine schwierige Entscheidung gewesen sei, da die Beziehung des Klägers zu seinem Freund nur noch schwer zu verbergen gewesen sei, wirkt wiederum platt und aufgesetzt. Einen Mitschüler in die sexuelle Beziehung zweier Zimmergenossen einzuweihen, stellt eine äußerst gefährliche Vorgehensweise dar, die ein entsprechendes Vertrauensverhältnis zu dem Dritten voraussetzt. Hierzu hat der Kläger auch nicht ansatzweise etwas angegeben. Gerade die Gefahr, dass Konkurrenten Neidgefühle gegenüber dem sportlich erfolgreichen Kläger entwickeln können – und in diesem Zusammenhang auch „Geheimnisse“ preisgeben können -muss dem Kläger während seiner Sportkarriere vertraut gewesen sein.
Auch die Schilderung der Uganderin, die in Amerika wohne und dem Kläger die Ausreise bezahlt haben soll, wirkt in der mündlichen Verhandlung gegenüber der Schilderung vor dem Bundesamt gesteigert. Bei der Behörde hat er lediglich knapp angegeben, dass er diese Frau beim Trainieren einmal getroffen habe, er habe ihr von seiner Situation erzählt, worauf sie dann die Reise bezahlt habe. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger aber angegeben, dass er die Frau neun Monate vor seiner Ausreise zum ersten Mal getroffen habe. Sie habe aber zunächst kein Interesse an ihm gezeigt. Nach Beendigung der Schule sei er nach Kenia gegangen und nach Uganda zurück, um das Visum zu erhalten. Das habe er erst gemacht, als er die Zusage der Frau gehabt habe, ihn zu finanzieren. Das ist eine andere Abfolge als beim Bundesamt geschildert (Treffen beim Training und Schilderung seiner Situation, Bezahlen der Ausreise), da in der mündlichen Verhandlung ein mehrmonatiger Kontakt zu dieser Frau angegeben wird, der auch schon vor der Reise nach Kenia bestanden haben soll, ebenso seine Rückkehr erst, als er die Finanzierungszusage der Frau gehabt habe. Die Erklärung hierzu, dass seine Konzentration und Leistungsfähigkeit nicht mehr so groß sei, seit er in Deutschland sei, wirkt völlig aufgesetzt und unglaubhaft.
In der Gesamtschau wirkt der gesamte Vortrag, insbesondere hinsichtlich der angeblichen Homosexualität, äußerst oberflächlich, vage, widersprüchlich und aufgesetzt.
c) Das von der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Engagement in Organisationen, die homosexuelle Menschen betreuen und beraten, entsprechend auch sein Engagement in der LGBTQ-Szene, kann den Kläger nicht davon befreien, seine homosexuelle Veranlagung glaubhaft darzulegen. Das hat der Kläger nicht getan. Dessen Aussage, er sei homosexuell, reicht hierfür nicht aus.
Soweit das von der Klagepartei vorgetragene Engagement des Klägers als Mitglied und Trainer eines Sportvereins für homosexuelle Menschen im Internet ohne weiteres gefunden werden könne, erscheint es nicht vorstellbar, dass hierdurch der Kläger in Uganda als angebliche homosexuelle Person identifiziert werden könnte. Das gilt insbesondere hinsichtlich des Verbreitungsgrades entsprechender Internetauftritte in deutscher Sprache über lokal begrenzte sportliche Aktivitäten in Deutschland. Dabei ist auch zu bemerken, dass bei einer Eingabe des Namens des Klägers in eine Suchmaschine im Internet ein sofort auffallendes sportliches Engagement in einem Sportverein für LGBTQ-Personen gerade nicht aufscheint – entgegen des Vortrags der Klagepartei. In erster Linie ist ein Sportverein angezeigt, der – soweit ersichtlich – keinen speziellen Bezug zur Gruppe der LGBTQ-Personen aufweist. Zudem sind auch allgemeine Wettkampfergebnisse des Klägers zu finden, ohne dass hier ein spezieller Bezug zur LGBTQ-Szene auszumachen wäre.
Auch wenn die Klagepartei geltend macht, dass es Gerüchte um eine angebliche Homosexualität des Klägers in Uganda gegeben habe, so ist nicht erkennbar, dass der Kläger zusammen mit einer Rückkehr nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Deutschland als homosexuelle Person wahrgenommen werden würde. Dafür sind aus den Erkenntnismitteln keinerlei Anhaltspunkte zu entnehmen. Hinzu kommt, dass sich der Kläger seit 2017 nicht mehr in Uganda aufgehalten hat. Allein dieser Zeitablauf bedingt eine geringere Aufmerksamkeit gegenüber der Person des Klägers in Uganda.
d) Nach § 145 des Strafgesetzbuches (Penal Code Act, 1950) sind homosexuelle Handlungen sowohl zwischen Männern als auch Frauen in Uganda unter Strafe gestellt („Geschlechtsverkehr wider die Natur“). Am 24. Februar 2014 unterzeichnete der Präsident Ugandas ein Gesetz, das für gleichgeschlechtliche Handlungen Strafen bis zur Todesstrafe sowie eine Strafbarkeit für „Förderung der Homosexualität“ und die „Unterstützung und Beihilfe zur Homosexualität“ vorgesehen hat (Auskunft von amnesty international vom 30.8.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof). Dieses Gesetz wurde aber vom Verfassungsgericht im August 2014 für nichtig erklärt (Länderinformationsblatt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Stand 27.9.2017, S. 17). Die Diskussion um die letztlich erfolglose Gesetzesverschärfung 2014/15 sei danach abgeflacht (Auswärtiges Amt vom 2.7.2018 an das BAMF). Eine im Oktober 2019 von Ethik- und Integritätsminister Ugandas angekündigte Einführung der Todesstrafe für einvernehmliche homosexuelle Handlungen wurde wenige Tage später von einem Regierungssprecher dementiert (Auskunft von amnesty international vom 21.10.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof).
Die von anderen Verwaltungsgerichten in Bezug auf Homosexuelle in Uganda vertretene Ansicht (vgl. VG Regensburg, U.v. 4.9.2017 – RN 1 K 17.32818 – juris S. 12 m.w.N.), dass insoweit die Voraussetzungen der § 3 ff. AsylG erfüllt wären, kommt für den vorliegenden Fall von vornherein nicht zum Tragen. Denn der Kläger hat nicht glaubhaft vortragen können, homosexuell zu sein. Zur weiteren Begründung kann auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes vom … August 2018 verwiesen werden (§ 77 Abs. 2 AsylG).
e) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
f) Für das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
Zur weiteren Begründung wird auf den bereits zitierten Bescheid des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.


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