Verwaltungsrecht

Asylrecht, Herkunftsland: Arabische, Republik Syrien, Widerruf der Flüchtlingseigenschaft, vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Vergewaltigung, Wiederholungsgefahr bzw. Gefahr für die Allgemeinheit (bejaht), schwere Straftat

Aktenzeichen  M 22 K 18.32695

Datum:
3.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 16084
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 73 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 8 S. 3
AsylG § 4 Abs. 2
StGB § 223 Abs. 1
StGB § 177

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2022 entschieden werden, obwohl keiner der Beteiligten erschienen war. Sie wurden mit der Ladung darauf hingewiesen, dass im Falle des Ausbleibens auch ohne sie verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Klage ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Der angefochtene Bescheid vom 13. Juni 2018 ist im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht zunächst vollumfänglich auf die Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG), der das Gericht folgt.
Lediglich ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
Vorab wird festgestellt, dass der angefochtene Bescheid vom 13. Juni 2018 den formellen Widerrufsvoraussetzungen des § 73 Abs. 4 Satz 1 AsylG genügt. Insbesondere wurde dem Kläger im Widerrufsverfahren mit Schreiben vom 16. März 2018 (zugestellt laut Postzustellungsurkunde am 27. März 2018) Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
Ferner ist der angefochtene Bescheid auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Das Bundesamt hat zu Recht in Nr. 1 die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen (dazu unter 1.) und in Nr. 2 den subsidiären Schutzstatus nicht zuerkannt (dazu unter 2.).
1. Der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung ist rechtmäßig.
1.1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den auf § 73 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG gestützten Widerruf liegen vor.
Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß § 3 Abs. 4 AsylG unter anderem dann der Fall, wenn das Bundesamt nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 des AufenthG absieht, weil von dem Ausländer nachträglich eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht (vgl. BVerwG, U.v. 1.11.2005 – 1 C 21/04 – juris Rn. 31 f.; zur Vereinbarkeit der Regelung mit dem Unionsrecht vgl. OVG RhPf, B.v. 28.4.2020 – 6 A 10318/20 – juris Rn. 10)
§ 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG ermöglicht den Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft im Ermessenswege dann, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 Strafgesetzbuch (StGB) ist.
Daran gemessen sind die Tatbestandsvoraussetzungen von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG hinsichtlich der Art der begangenen Anlassstraftaten, der konkreten Tatbegehung und des Strafmaßes erfüllt. Der Kläger wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Rosenheim wegen einer vorsätzlichen Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit unter Anwendung von Gewalt sowie wegen einer Straftat nach § 177 StGB (vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Vergewaltigung) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Dabei ist es unerheblich, dass § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG erstmals zum 17. März 2016 in Kraft getreten und mit Wirkung zum 10. November 2016 um Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach § 177 StGB erweitert worden ist (die Flüchtlingsanerkennung des Klägers erfolgte bereits mit Bescheid vom 26.10.2016; die dem Widerruf konkret zugrundeliegende Tat bereits am 23.9.2015). Dem auf § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG gestützten Widerruf steht das verfassungsrechtliche Gebot der grundsätzlich unzulässigen echten Rückwirkung nämlich nicht entgegen. Denn es wird lediglich tatbestandlich (auch) an Ereignisse vor Inkrafttreten der Vorschrift angeknüpft, die Rechtsfolgen gelten aber erst zukünftig ab dem Inkrafttreten, so dass eine grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung vorliegt (BT-Drucksache 18/7538 S. 18 f.; vgl. etwa BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 24/06; zur Frage der Rückwirkung auch BayVGH, B.v. 25.9.2017 – 20 ZB 17.30282 – alle juris).
1.2. Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts auch die Schwelle zur Gefahr für die Allgemeinheit i.S.d. § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG überschritten.
Diese Einschätzung erfordert eine Prognose, dass der Ausländer sein die Allgemeinheit gefährdendes und strafbewährtes Fehlverhalten in Zukunft mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit fortsetzen wird. Art. 33 Abs. 2 Genfer Konvention (GK) zwingt insofern zu einer zukunftsgerichteten Prognoseentscheidung, in deren Ergebnis eine Wiederholungsgefahr im Einzelfall feststellbar sein muss (Koch in BeckOK, Ausländerrecht, 32. Aufl., Stand: 1.7.2020, Rn. 57). Bei dieser Prognose ist nicht allein maßgeblich auf das Strafmaß nach nationalem Recht abzustellen; vielmehr sind – unter Berücksichtigung der unions- und völkerrechtlichen Vorgaben – alle besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (EuGH, U.v. 13.9.2018 – Ahmad, C-369/17 – juris Rn. 58), insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung und das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes, aber auch die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. BVerwG, B.v. 12.10.2009 – 10 B 17.09 – juris Rn. 4; VGH BW, U.v. 29.1.2015 – A 9 S 314/12 – juris Rn. 46; VG Trier, U.v. 6.10.2020 – 1 K 25/20.TR – juris Rn. 30 f.; vgl. auch BT-Drucksache 18/7537, S. 9).
Dabei ist auch die der gesetzlichen Regelung des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG zugrundeliegende Wertung zu beachten, dass schon die besondere Art eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens die Annahme stützt, dass es sich bei dem Ausländer um einen besonders gefährlichen Täter handelt, der eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet. Der Änderungsgesetzgeber hat – im Gegensatz zum zwingenden Ausschlussgrund des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG – insbesondere wegen der Ereignisse der Silvesternacht 2015/2016 nicht maßgeblich an die Höhe der Mindeststrafgrenze angeknüpft, sondern an die Art der Tat und zudem bewusst die Verurteilung zu einer Jugendstrafe einbezogen. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Freiheits- oder Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist (VG Aachen, B.v. 17.02.2021 – 5 L 766/20.A – juris Rn. 54). Im Rahmen der auf Gefahrenabwehr gerichteten verwaltungsrechtlichen Prognoseentscheidung können neben rechtskräftigen Verurteilungen auch Ermittlungsergebnisse eingestellter Strafverfahren, Ermittlungsverfahren und noch nicht rechtskräftige strafrechtliche Entscheidungen bei der Prognose berücksichtigt (vgl. BVerwG, B.v. 21.5.1986 – 1 B 74/86; VG Saarland, U.v. 9.7.2019 – 6 K 941/18; VG Trier, U.v. 6.10.2020 – 1 K 25/20.TR – alle juris).
Mit Blick auf den Umstand, dass Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und körperliche Integrität regelfällig mit erheblichen Auswirkungen auf Leben und Gesundheit der Betroffenen, einhergehen, sind an die Wahrscheinlichkeit des entsprechenden Schadenseintritts keine überhöhten Anforderungen zu stellen. Dies umso mehr, als bekannt ist, dass gerade bei Sexualstraftätern eine sehr hohe Rückfallwahrscheinlichkeit gegeben ist (vgl. VG München, U.v. 14.1.2010 – M 4 K 09.50134).
Unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalls ist (auch) zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) eine Sicherheitsgefährdung durch den Kläger nach Auffassung des Gerichts, das – genauso wie das Bundesamt – eine eigenständige Gefahrenprognose bezüglich einer Wiederholungsgefahr trifft, zu bejahen. Die Annahme, der Kläger werde zukünftig ein straffreies Leben führen und insbesondere von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche Integrität Abstand nehmen, ist nicht gerechtfertigt.
Nach den rechtskräftigen und schlüssigen Feststellungen des Amtsgerichts Rosenheim im Urteil vom 16. Dezember 2016 (dessen Richtigkeit in Frage zu stellen, das Gericht keinen Anlass hat und das der Kläger auch nicht mit Rechtsmitteln angefochten hat), stand das Opfer im Zeitpunkt der Anlassstraftat unter dem Einfluss von Betäubungs- und Beruhigungsmitteln. Obwohl es den Kläger wiederholt zu gehen forderte, näherte sich dieser dem hilflosen Opfer abermals und schlug es ins Gesicht und zum Boden, als es weggehen wollte. Der Umstand, dass die Hilferufe des Opfers den Kläger nicht davon abhalten konnten, sexuale Handlung vorzunehmen, bringt seine Gefährlichkeit und Rücksichtslosigkeit zum Ausdruck. Der Kläger ließ vom Opfer erst dann ab und flüchtete, als aufgrund der Hilferufe Zeugen hinzukamen. Dass es andernfalls zu weiteren Sexual- und Gewalthandlungen gekommen wäre, lässt sich daher nicht ausschließen. Besonders schwer wiegt nach Auffassung des erkennenden Gerichts der Umstand, dass der Kläger Gewalt angewendet hat, um sexuale Handlungen gegen den Willen des Opfers zu ermöglichen, und dabei mehrere Delikte in einer Handlung verwirklicht hat (Art und Motivation der Straftatbegehung). Bei der Prognoseentscheidung wird darüber hinaus berücksichtigt, dass die Gewalt gegen eine offensichtlich körperlich unterlegene Person in einem hilflosen Zustand erfolgte. Diesen Zustand hat der Kläger ausgenutzt, um Straftaten nach § 177 StGB zu verwirklichen. Insofern – auch wenn vom Strafgericht nicht angenommen – liegt nach Aktenlage auch die Erfüllung des Verbrechenstatbestands des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB (Gewaltanwendung gegenüber dem Opfer) nahe. Schließlich kann auch die Augenkrankheit des Klägers sein straffälliges Verhalten nicht rechtfertigen.
Zwar wurde die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, dies spricht vorliegend jedoch nicht entscheidend gegen die Annahme, dass der Kläger eine (fortgesetzte) Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Das Strafgericht hat den Strafrahmen nach § 49 StGB gemildert und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, hauptsächlich aufgrund des Geständnisses des Klägers, der Zahlung eines Schmerzensgelds an das Opfer, der seinerzeit straffreien Vergangenheit des Klägers und der angeblichen „Stabilisierung“ seines sozialen Umfelds infolge des Familiennachzugs seiner Eltern.
Für die Frage der Gefahr für die Allgemeinheit geht von strafgerichtlichen Entscheidungen über eine Strafaussetzung zur Bewährung allerdings keine Bindungswirkung aus. Diese begründet auch keine Vermutung für das Fehlen einer Rückfallgefahr im Sinne einer Beweiserleichterung (vgl. BVerwG, U.v. 2.9.2009 – 1 C 2.09; U.v. 16.11.2000 – 9 C 6.00 – alle juris).
Für eine nach wie vor bestehende erhebliche kriminelle Energie des Klägers spricht hier zur Überzeugung des Gerichts, dass der Kläger sich augenscheinlich die Verurteilung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe nicht als Warnung hat gereichen lassen. Schließlich ist er auch nach dieser Verurteilung weiterhin straffällig gewesen und wurde wegen Diebstahls und gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung verurteilt. Die Annahme des Strafgerichts Rosenheim, der Freiheitsentzug während des Strafverfahrens habe den Kläger erkennbar beeindruckt, hat sich insofern nicht bestätigt. Auch die angenommene „Stabilisierung“ seines sozialen Umfelds hat ihn nicht von der Begehung weiterer Straftaten in der Folgezeit abgehalten.
Eine günstige langfristige Sozialprognose vermag das erkennende Gericht nach alledem nicht zu erkennen. Insgesamt ist es unter Berücksichtigung aller Umstände davon überzeugt, dass vom Kläger nach wie vor eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht.
1.3. Das Bundesamt hat das ihm in § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG eingeräumte Widerrufsermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgeübt, dass es dem öffentlichen Interesse am Schutz der Allgemeinheit vor straffällig gewordenen Asylbewerbern den Vorrang vor dem Individualinteresse des Klägers am Bestand des ihm gewährten Schutzstatus eingeräumt hat.
Rechtsfehler hinsichtlich der nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensentscheidung (§ 114 VwGO), vermag das erkennende Gericht nicht zu erkennen. So hat das Bundesamt in seine Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers berücksichtigt, dass er durch sein Geständnis der Geschädigten eine unangenehme Aussage im Strafverfahren erspart hat. Zu Lasten des Klägers hat das Bundesamt eingestellt, dass der Kläger wiederholt (auch in der Folgezeit) straffällig geworden ist, von einer Wiederholungsgefahr auszugehen ist und insoweit gewichtige Rechtsgüter bedroht sind. Schließlich stellte das Bundesamt fest, dass zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylG, aus denen der Ausländer die Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ablehnen kann, nicht ersichtlich seien.
2. Der Kläger kann ebenso wenig beanspruchen, als subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 4 AsylG anerkannt zu werden, weil er den Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG verwirklicht hat.
Nach § 73 Abs. 3 AsylG ist bei einem Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für den subsidiären Schutz vorliegen.
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG ist ein Ausländer von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine schwere Straftat begangen hat. Nach § 54 Abs. 1 und 1a AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten u.a. gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist. Bei der Würdigung der Schwere der fraglichen Straftat ist eine vollständige Prüfung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen ((EuGH, U.v. 13.9.2018 – Ahmad, C-369/17 – juris Rn. 58). Die Gefahrenlage muss darüber hinaus zum Zeitpunkt der Entscheidung fortbestehen und der (weitere) Schadenseintritt muss wahrscheinlich sein (Kluth in BeckOK, Ausländerrecht, 32. Aufl., Stand: 1.1.2022, Rn. 39 f.). Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Abschiebung eines ernsthaft Bedrohten nur die ultima ratio darstellen kann; die Ausschlussgründe in § 4 Abs. 2 AsylG sind daher eng auszulegen.
Beim Kläger liegen – wie bereits oben ausgeführt – diese Voraussetzungen jeweils vor. Hinzu kommt, dass er unter anderem wegen vollendeter Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, so dass nach § 177 Abs. 5 StGB auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr zu erkennen ist. Der Kläger hat sich demnach eines Verbrechens im Sinn des § 12 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Auch dies rechtfertigt die Annahme, dass eine schwere Straftat im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG vorliegt, die die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschließt.
4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben