Verwaltungsrecht

Asylrecht (Mali), Gehörsrüge

Aktenzeichen  15 ZB 22.30617

Datum:
23.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 16902
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 29 K 18.32411 2022-01-04 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben malischer Staatsangehöriger und begehrt die Zuerkennung subsidiären Schutzes, hilfsweise die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage mit Urteil vom 4. Januar 2022 abgewiesen. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos. Die vom Kläger allein geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) liegt nicht vor.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Es gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können. Eine Verletzung des Grundsatzes liegt vor, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen Vortrag der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen bzw. bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat oder einen entsprechenden Vortrag dadurch vereitelt hat, dass es unter Verstoß gegen das Prozessrecht den Beteiligten die Möglichkeit zu weiterem Vortrag abgeschnitten hat, und dieser übergangene bzw. vereitelte Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich war. Im Übrigen brauchen sich die Gerichte nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich und im Detail auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Anderes gilt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2022 – 15 ZB 22.30278 – juris Rn. 11 m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Zulassungsbegründung nicht gerecht. Soweit der Kläger anführt, er sei in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 22. Dezember 2021 zu seiner familiären und sozialen Erwerbssituation in Mali befragt, die Befragung zu Protokoll diktiert, jedoch nicht in die Niederschrift aufgenommen worden und das Protokollierte sei nicht vorgespielt und nicht genehmigt worden, wird hiermit kein Verfahrensfehler dargelegt. Abgesehen davon, dass das in § 105 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 1 ZPO vorgeschriebene Verfahren lediglich die Gewähr für die Richtigkeit des Protokolls bieten und damit seine Beweiskraft untermauern soll, ist es nicht im Sinne eines zwingenden Formerfordernisses zu verstehen (vgl. BVerwG, B.v. 22.11.2010 – 2 B 8.10 – juris Rn. 6). Folge eines Verstoßes ist allein die fehlende Beweiskraft der öffentlichen Urkunde (SächsOVG, B.v. 17.4.2000 – 1 B 662/99 – juris Rn. 7). Darüber hinaus ist der Verfahrensmangel eines Verstoßes gegen § 105 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 1 ZPO kein Mangel, auf dem das Urteil ohne weiteres beruhen kann (vgl. BSG, U.v. 29.1.1974 – 9 RV 482/73 – juris Rn. 14). Anhaltspunkte dafür, dass bei Beachtung dieser Protokollvorschriften anders entschieden worden wäre, werden im Zulassungsvorbringen nicht dargelegt, zumal der Kläger nicht die Fehlerhaftigkeit des Sachverhalts, den das Verwaltungsgericht seiner rechtlichen Würdigung zugrunde legt, geltend macht, sondern lediglich andere Schlussfolgerungen als das Verwaltungsgericht hieraus zieht. Mit seinem Vortrag, die vom Verwaltungsgericht gezogene Schlussfolgerung, er könne sich durch einfache Tätigkeiten in Mali die Finanzierung der Medikamente erwirtschaften und eine Existenz aufbauen, greife zu kurz, wendet sich der Kläger vielmehr im Gewand einer Gehörsrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Dies stellt jedoch keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Zulassungsgrund dar (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2021 – 9 ZB 21.31375 – juris Rn. 4; B.v. 16.3.2022 – 15 ZB 22.30278 – juris Rn. 22). Gleiches gilt für das Vorbringen, das Verwaltungsgericht ziehe aus der im aktuellen Lagebericht und dem UNHCR-Positionspapier vom Januar 2022 geschilderten angespannten wirtschaftlichen und humanitären Situation, deren Kenntnis der Kläger dem Verwaltungsgericht unterstellt, die falschen Schlussfolgerungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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