Verwaltungsrecht

Asylrecht Pakistan, Ahmadi, Witwe im Rentenalter, keine Vorverfolgung, religiöse Identität, Unverzichtbarkeit öffentlichkeitswirksamer Religionsausübung (verneint), jedenfalls inländische Fluchtalternative, Soziale Sicherung von Ahmadi, Unterstützungsleistungen der Glaubensgemeinschaft für Lebensunterhalt und Gesundheitsversorgung, Unterstützungsleistungen für Witwen durch staatliche wie nichtstaatliche Organisationen, Mitwirkung im Passbeschaffungsverfahren keine Verfolgung

Aktenzeichen  Au 3 K 21.30677

Datum:
28.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 35009
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 und § 4
AufenthG § 60 Abs. 5 und Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Das Gericht konnte ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Parteien hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Soweit der angegriffene Bescheid vom Bescheid vom 1. August 2018 den Folgeantrag der Klägerin für zulässig erachtet hat, verletzt er – ungeachtet seiner Rechtmäßigkeit – die Klägerin jedenfalls nicht in ihren Rechten. Im Übrigen ist Bescheid vom 1. August 2018 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
1. Es besteht kein Anspruch auf die Anerkennung als Flüchtling.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Es ist Sache des Betroffenen, die tatsächlichen Umstände, die seine Furcht vor Verfolgung rechtfertigen sollen, in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wobei in der Regel eine Glaubhaftmachung ausreicht. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein detaillierter und in sich stimmiger Sachvortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass die Klägerin ihr Heimatland nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung im o.g. Sinne verlassen hat. Denn die Angaben der Klägerin sind nicht geeignet, die Annahme einer vor ihrer Ausreise tatsächlich erlittenen oder unmittelbar drohenden flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung zu rechtfertigen. Die Klägerin hat darüber hinaus auch bei einer Rückkehr nach Pakistan eine solche Verfolgung nicht zu erwarten.
a) Die Klägerin ist nicht vorverfolgt ausgereist. Sie hat weder gegenüber dem Bundesamt und im ersten Gerichtsverfahren Au 2 K 17.31061 noch im zu entscheidenden Verfahren angegeben, individuell und konkret auf sie bezogenen Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein. Sie hat sich vielmehr lediglich darauf berufen, den gleichen Einschränkungen und Diskriminierungen wie alle Ahmadi in Pakistan ausgesetzt gewesen zu sein.
b) Der Klägerin droht bei einer Rückkehr nach Pakistan keine Verfolgung allein wegen ihrer Religionszugehörigkeit, denn die Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft unterliegt in Pakistan keiner Gruppenverfolgung. Aufgrund der aktuellen Erkenntnislage ist davon auszugehen, dass allein die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya und die Betätigung des Glaubens durch das Gebet in Gebetshäusern noch nicht die Gefahr einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung nach sich zieht (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 29.09.2020, S. 12 f.; vgl. zur Situation der Ahmadi in Pakistan ausführlich VGH BW, U.v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 59 ff.).
c) Die Klägerin gehört nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 108 Abs. 1 VwGO) auch nicht zum Kreis der Ahmadis, für die eine öffentlichkeitswirksame Religionsausübung identitätsprägend ist und die deshalb in Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ausgesetzt sind.
aa) Auch wenn die Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft in Pakistan keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, kann im Einzelfall etwas anderes gelten für diejenigen Ahmadi, die ihren Glauben in einer verfolgungsrelevanten Weise praktizieren und ihr Bekenntnis aktiv in die Öffentlichkeit tragen. Für diese Personen besteht in Pakistan ein reales Verfolgungsrisiko, wenn sie ihren Glauben öffentlich leben und bekennen würden (VGH BW, U.v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 116). Sie haben mit einem erheblichen Risiko für Leib und Leben durch die Gefahr einer jahrelangen Inhaftierung mit Folter bzw. unmenschlichen Haftbedingungen und von Attentaten oder gravierenden Übergriffen privater Akteure zu rechnen (VG Gießen, U.v. 11.7.2013 – 5 K 1316/12.GI.A – juris Rn. 24 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 12.6.2013, – A 11 S 757/13 – juris; siehe zum Ganzen VG Augsburg, U.v. 27.1.2014 – Au 6 K 13.30418 – juris Rn. 16).
Eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung kann dabei nicht nur in der schwerwiegenden Verletzung der Freiheit, seine Religion im privaten Rahmen zu praktizieren (forum internum) liegen, sondern auch in der Verletzung der Freiheit, den Glauben öffentlich zu leben (forum externum), so dass schon das Verbot bestimmter Formen der Religionsausübung eine beachtliche Verfolgungshandlung i.S.v. Art. 9 Abs. 1 QualfRL darstellen kann. Die gilt unabhängig davon, ob sich der davon betroffene Glaubensangehörige tatsächlich religiös betätigen wird oder auf die Ausübung aus Furcht vor Verfolgung verzichtet (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Leitsätze 2 bis 4). Das Verbot weist jedoch nur dann die darüber hinaus erforderliche subjektive Schwere auf, wenn die Befolgung der verbotenen religiösen Praxis für den Einzelnen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Leitsatz 6). Maßgeblich ist demnach, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Leitsätze 2 bis 4 Rn. 28 ff. im Anschluss an EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 – NVwZ 2012, 1612).
Bei der Feststellung der religiösen Identität als innerer Tatsache kann nur im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen geschlossen werden. Allein der Umstand, dass der Betroffene seinen Glauben in seinem Herkunftsland nicht in einer in die Öffentlichkeit wirkenden Weise praktiziert hat, ist nicht entscheidend, soweit es hierfür nachvollziehbare Gründe gibt. Ergibt jedoch die Prüfung, dass der Betroffene seinen Glauben auch in Deutschland nicht in einer Weise praktiziert, die ihn in seinem Herkunftsland der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde, spricht dies regelmäßig dagegen, dass eine solche Glaubensbetätigung für seine religiöse Identität prägend ist (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 22/12 – NVwZ 2013, 936/939, Rn. 26; siehe zum Ganzen VG Augsburg, U.v. 27.1.2014 – Au 6 K 13.30418 – juris Rn. 17).
Erforderlich ist letztlich eine Gesamtwürdigung der religiösen Persönlichkeit des Betroffenen anhand aller vorliegenden Gesichtspunkte. Bloße Kenntnisse über die Glaubensinhalte der Ahmadiyya, eine Mitgliedsbescheinigung der Ahmadiyya Deutschland, regelmäßige Moschee-Besuche oder die Teilnahme an jährlichen Großveranstaltungen der Ahmadiyya oder an sonstigen Aktionen der Ahmadiyya (mit den üblichen Helferdiensten) lassen daher für sich genommen nicht bereits auf eine individuelle Glaubensüberzeugung und ein nach außen wirkendes Glaubensvermittlungsbedürfnis schließen. Erforderlich ist vielmehr ein Bedürfnis, aus dem ahmadischen Glauben heraus bekennend zu leben und auch andere Menschen an dieser Haltung teilhaben zu lassen. In diesem Sinne muss es sich beim Betroffenen um einen aus der Allgemeinheit der Ahmadis hervorstechenden Gläubigen handeln, dessen Glauben sich öffentlich manifestiert.
bb) Hiervon ausgehend ist das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Praktizierung ihres Glaubens in der Öffentlichkeit und das Werben für ihren Glauben ein zentrales Element der religiösen Identität der Klägerin und für sie unverzichtbar ist.
Diesbezüglich wird zunächst auf die ausführliche Würdigung der religiösen Persönlichkeit der Klägerin im Urteil vom 22. Februar 2018 im Verfahren Au 2 K 17.31061 Bezug genommen. Dies gilt zunächst für die Glaubensaktivitäten der Klägerin in Pakistan, aber auch für ihr religiöses Engagement in Deutschland. Diesbezüglich hat sie in der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2020 ergänzend ausgeführt, sie habe in Deutschland kein Amt inne, nehme drei oder viermal im Monat an Veranstaltungen der örtlichen Gemeinde in * teil und habe auch schon die * * in * und andere regionale Versammlungen besucht. Neuere Umstände, die zu einer grundlegend anderen Einschätzung der religiösen Persönlichkeit der Klägerin Anlass geben könnten, hat sie damit weder gegenüber dem Bundesamt im Folgeantragsverfahren noch in der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2019 vorgetragen. Insgesamt lassen die vorgetragenen religiösen Aktivitäten der Klägerin in Deutschland nach wie vor nicht auf eine besondere religiöse Prägung schließen.
Insgesamt konnte das Gericht nicht den Eindruck gewinnen, dass die Klägerin in einer Weise religiös geprägt wäre, die erwarten ließe, dass sie sich in Pakistan in verfolgungsrelevanter Weise betätigen oder dies nur aus Furcht vor Verfolgung unterlassen würde. Vielmehr ergibt sich für das Gericht der Eindruck, dass es der Klägerin ausreicht, ihre Religion im Kreis der Familie und der Gemeindemitglieder auszuüben. Deswegen ist das Gericht nicht der Überzeugung, dass die Praktizierung ihres Glaubens in der Öffentlichkeit und das Werben für ihren Glauben ein zentrales Element der religiösen Identität der Klägerin und für sie unverzichtbar ist.
d) Jedenfalls unter der Prämisse, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine Angehörige der Ahmadi-Gemeinde handelt, für die eine öffentlichkeitswirksame Religionsausübung identitätsprägend ist, stand und stünde der Klägerin in ihrem Herkunftsstaat vor ihrer Ausreise und auch derzeit (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) bei einer Rückkehr nach Pakistan eine die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließende zumutbare interne Fluchtalternative i.S.d. § 3e AsylG zur Verfügung.
Die Klägerin kann – auch als Angehörige der Ahmadiyya-Religion – in anderen Teilen Pakistans, insbesondere in den größeren Städten, eine interne Schutzmöglichkeit i.S.v. § 3e AsylG finden. In den Städten Pakistans – vor allem in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Peshawar oder Multan – leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, könnten in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 29.09.2020, S. 19 – Nr. II.4). Dies ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass in Pakistan kein funktionierendes Meldewesen existiert, so dass die Übersiedlung in einen anderen Landesteil die Möglichkeit bietet, unerkannt und unbehelligt zu bleiben. Angesichts der hohen Bevölkerungszahl in Pakistan und mehrerer Millionenstädte landesweit ist nicht ersichtlich, dass eventuelle die Klägerin bedrohende Personen die Möglichkeit hätten, diese auch in einer anderen Provinz und/oder landesweit ausfindig zu machen und zu verfolgen. Diese inländische Fluchtalternative besteht nach Auskunftslage auch für Ahmadis, solange sie – wie die Klägerin – keine überregionale Bekanntheit erlangt haben. Für Ahmadis ohne überregionale Bekanntheit bietet insbesondere auch ein Umzug nach Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, eine Ausweichmöglichkeit, um Repressionen zu entgehen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 29.09.2020, S. 20 – Nr. II.4).
In den Großstädten und in anderen Landesteilen Pakistans kann die Klägerin zusammen mit oder jedenfalls unterstützt durch ihre in Pakistan lebenden Schwestern und Brüder sowie weitere Angehörige der Großfamilie ein ausreichendes Einkommen finden. Die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2019, dass die sie bei ihren Brüdern in Pakistan keine Aufnahme finden könne, erachtet das Gericht für asyltaktisch motiviert und unglaubhaft. Die Unglaubhaftigkeit der klägerischen Angaben zu ihren finanziellen Verhältnissen ergibt sich auch aus deren Widersprüchlichkeit. Denn während die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2018 angegeben hatte, von ihrem Vater ein Grundstück geerbt und daraus Erträge gezogen zu haben, führte sie diese Erträge in der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2019 auf Frage des Gerichts, wie die Familie den Lebensunterhalt erwirtschaftet habe, nicht an, sondern verwies lediglich auf die Unterstützung von Vater und Schwiegervater. Gegen die Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben zu ihren finanziellen Verhältnissen sprechen auch die Widersprüche zu den vom Auswärtigen Amt eingeholten Erkundigungen. Während die Klägerin nämlich in der mündlichen Verhandlung angab, das Haus der Familie in Pakistan sei vermietet und es könnten nur 4000.- oder 5000.- Rupien erlöst werden, ergaben die Recherchen eines Kooperationsanwalts der Deutschen Botschaft Islamabad, dass die Klägerin das geerbte Haus und weitere Ländereien tatsächlich verkauft hat und den Erlös in ein monatliches Auszahlungsprogramm der Regierung investiert hat. Zudem haben die Recherchen des Kooperationsanwalts ergeben, dass aus der Vermietung eines Hauses wie desjenigen der Klägerin tatsächlich monatliche Mieteinnahmen von 25.000 bis 30.000 Rupien, also fünf- bis sechsmal mehr als von der Klägerin angegeben, zu erzielen sind.
Im Übrigen wäre das Existenzminium der Klägerin in Pakistan auch bei Wahrunterstellung Ihrer Angaben gesichert. Denn nach den Recherchen des Vertrauensanwalts der Deutschen Botschaft Islamabad können bedürftige Angehörige der Ahmadiyya-Gemeinde auf die Hilfe ihrer Glaubensgemeinschaft zählen. Auf entsprechenden Antrag erhalten bedürftige Mitglieder nämlich eine Unterstützungsleistung, die den Lebensunterhalt und die Kosten für medizinische Versorgung abdeckt. Hinzu kommt, dass nach dieser Auskunft in Pakistan zahlreiche staatliche wie nichtstaatliche Organisationen existieren, die Unterstützungsleistungen für Witwen in Not anbieten. Schließlich kann die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts auch auf Unterstützung ihrer gut ausgebildeten im Ausland lebenden Kinder zählen.
Zusammenfassend kann somit von der Klägerin erwartet werden, dass sie sich in einem o.g. Landesteile von Pakistan niederlässt (vgl. z.B. VG München, U.v. 19.5.2016 – M 23 K 14.31198 – juris; VG Augsburg, U.v. 30.3.2015 – Au 3 K 14.30437 – juris; VG Regensburg, U.v. 9.1.2015 – RN 3 K 14.30674 – juris; jeweils m.w.N.).
e) Nichts Anderes ergibt sich letztlich auch im Hinblick darauf, dass die Klägerin möglicherweise nach rechtskräftiger Ablehnung ihres Antrages die Verpflichtung trifft, sich an der Passbeschaffung zu beteiligen, das Passformular des pakistanischen Staates einen Eintrag zur Religionszugehörigkeit vorsieht und im Falle der Eintragung der Religionszugehörigkeit als „Muslim“ eine besondere Erklärung für Muslime zu unterzeichnen ist.
Die Verpflichtung bei der Beantragung eines Reisepasses in den Passformularen unter dem Betreff „Religion“ „Ahmadi“, statt „Muslim“ einzutragen, stellt keinen Eingriff in die Religionsfreiheit dar (vgl. VG, U.v. 11.1.2017 – A 3 K 2343/16 – juris Rn. 37 ff.). Daher kann sich daraus auch keine Verfolgung der Klägerin wegen ihres ahmadischen Glaubens ergeben.
Auch wenn man – wie möglicherweise der EGMR (vgl. EGMR, U.v. 2.2.2010 – Isik/Türkei, Nr. 21924/05) – davon ausgeht, dass bereits die Eintragung der Religionszugehörigkeit als solche in Pass- und Ausweisdokumenten eine Verletzung der Religionsfreiheit darstellt, liegt darin nicht automatisch auch eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG. Nicht jede Verletzung der Menschenrechte stellt schon eine Verfolgungshandlung im Sinne des Asylgesetzes dar. Die bloße Eintragung der Religionszugehörigkeit in Pass- und Ausweisdokumenten ist in ihrer Schwere den in § 3a Abs. 2 AsylG aufgezählten Verfolgungshandlungen nicht vergleichbar. Die geschilderten Erklärungspflichten erreichen offenkundig – wenn nicht bereits in objektiver, so jedenfalls unter der Prämisse, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine Angehörige der Ahmadiyya-Religion handelt, für die eine öffentlichkeitswirksame Religionsausübung identitätsprägend ist, – in subjektiver Hinsicht nicht die erforderliche Schwere, um als religiöse Verfolgungshandlung oder Menschenrechtsverletzung angesehen zu werden zu können (BayVGH, B. v. 24.10.2019 – 6 ZB 19.33691 – Rn. 9; BayVGH, B. v. 17.12.2019 – 6 ZB 19.34225 – Rn. 4).
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG, § 60 Abs. 2 AufenthG. Sie hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihr bei einer Rückkehr nach Pakistan ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
3. Weiter besteht auch kein Anspruch auf die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Denn zum einen ist wie oben dargelegt das Existenzminium der Klägerin bei einer Rückkehr nach Pakistan gesichert.
Auch die gesundheitliche Situation der Klägerin begründet kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (Satz 1 der Vorschrift). Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (Satz 2 der Vorschrift). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist (Satz 3 der Vorschrift). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 4 der Vorschrift). Gefahren nach Satz 1 der Vorschrift, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Satz 5 der Vorschrift). Die Erkrankung der Klägerin (Probleme mit dem Blutdruck, Gelenkschmerzen und ein operierter Leistenbruch) entspricht schon nicht den genannten hohen gesetzlichen Anforderungen an die Berücksichtigungsfähigkeit gesundheitlicher Einwendungen.
Im Übrigen ist die medizinische Versorgung in Pakistan in den staatlichen Krankenhäusern gewährleistet. Bedürftige werden dort kostenlos behandelt. Hierfür genügt bereits die Erklärung des Patienten, dass die Behandlung nicht bezahlt werden könne. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten einschließlich Psychopharmaka ist sichergestellt. Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss in Pakistan nur ein Bruchteil der in Deutschland hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden, so dass sie für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind. In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten können zudem – unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit – die meisten Krankheiten behandelt werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Pakistan vom 29.09.2020 IV. 1.2 Medizinische Versorgung S. 25). Das Gericht geht daher davon aus, dass die gesundheitlichen Probleme der Klägerin in Pakistan behandelbar sind, wobei die Klägerin im Bedürftigkeitsfall bei den Kosten der medizinischen Versorgung auch auf die Hilfe ihrer Glaubensgemeinschaft zählen kann, wie die im Verfahren eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes ergeben hat. 43
4. Die Entscheidung des Bundesamts, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 18 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, weist keine Rechtsfehler auf. Die Länge der Frist liegt im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Bei der Entscheidung wurde seitens des Bundesamts in angemessener Weise berücksichtigt, dass ein Sohn der Klägerin inzwischen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hat. Dass insoweit weitere besondere Umstände vorlägen, die eine weitere Verkürzung der Frist als zwingend erscheinen ließen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
III.
Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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